Mythologisch interessante Münzen

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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chevalier
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von chevalier » Mo 23.05.22 06:16

Peter43 hat geschrieben:
Di 05.04.22 10:06
Der Trojanische Krieg im Spiegel der Münzen
Diesen Artikel habe ich schon lange vorgehabt. Jetzt habe ich mich endlich dazu durchgerungen, ihn zu verwirklichen. Andere Forumsmitglieder sind aufgerufen, ihn mit eigenen Münzen zu ergänzen.
Danke für diese umfassende Darstellung des Trojanischen Krieges anhand der Ausgrabungen. Selbst konnte ich als Jugendlicher mit den Eltern Troja besuchen und habe die von dir beschriebenen Orte (Rampe etc.) noch gut in Erinnerung. :D
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » So 29.05.22 16:10

Maionia, BMC 43, eine Münzrecherche

Es gibt in meiner Sammlung eine Reihe von Münzen, die ich bisher noch nicht befriedigend bestimmen konnte. Dazu gehörte bis vor kurzem auch die folgende, die Inhalt dieses Artikels ist. Durch meine Recherche habe ich herausbekommen, daß insgesamt 4 (5?) Exemplare publiziert sind, das heißt, diese Münze ist nicht häufig.

Die Münze:
(7) Maionia_Sept_Severus_BMC43_coll.Hoeft.jpg
Erworben hatte ich sie bereits 2008 bei Ancient Imports mit der Beschreibung, sie sei aus Tarsos und zeige Ariadne in einer Biga. Wahrscheinlich hatte Ancient Imports sie mit der folgenden Münze verwechselt:
Tarsos_MaximinusI_SNGLevante1104var.jpg
Tarsos, Maximinus I., SNG Levante 1104 var.

Diese Fehlbeschreibung war aber der eigentliche Anlaß meines Kaufes, da es sich um ein seltenes mythologisches Thema handelte. Danach stellte es sich allerdings heraus, daß diese Beschreibung falsch war. Curtis Clay klärte mich auf, daß diese Münze tatsächlich aus Maionia stammte und es sich um Dionysos handelte. Trotzdem war es eine besondere Münze und bei ihrer Vorstellung im amerikanischen Forum hatte ich damals begeistert geschrieben:

Such a coin is like a beautiful lady clothed in veiling garment where you nevertheless can imagine her shape and beauty underneath!

Und Pat Lawrence hatte geantwortet:
Jochen! Coins keep us alive, coins keep us young; even me (you are younger in years). You talk about your coin (and so would I) as if you were 25...The Empire lives in its coins, and the best Lydian ones combining a living style with delightful subject matter. Centaurs, indeed! That Maionia coin is one I'd already noticed in the literature. It is glorious.

Jetzt bin ich der Geschichte dieser Münze nachgegangen. Zum ersten Mal wurde sie 1835 erwähnt.

(1) The Gentleman's Magazine, Vol. 4, July to December, 1835, S.132, XXXII.
“Rare and unpublished coins of Roman Emperors, Caesars, and Empresses, struck in Greek cities. - Letter III.”
https://archive.org/details/sim_gentlem ... ew=theater
(1) Maionia_Sept_Severus_Gentleman's Magazine.jpg
Text1_Gentlemans_1835.jpg
Hierbei handelt es sich um eine Zeichnung mit der Signatur “H. A. Cgg. Dei.”
Bereits J.Y.Akerman betont die Schönheit der Ausführung!

Fehlbeschreibungen:
(1) Die Av.-Legende ist falsch wiedergegeben. Korrekt wäre AV.KAI.L.CEP CEVHROC PERTIN
(2) In der Beschreibung wird gesagt, daß jeder Centaur eine Fackel und eine Keule hält. Auf der Münze sind aber nur 3 Objekte zu sehen!
Es wird gesagt, daß sich diese Münze im Britischen Museum befindet. Aber die Münze (3) befindet sich erst seit 1901 im BM! Also wo ist diese Münze geblieben?

Anmerkungen:
(1) The Gentleman’s Magazine war eine in London erscheinende Zeitschrift, die 1731 erstmals erschien und bis 1907 regelmäßig monatlich erschien. Sie deckte ein breites Themenspektrum aus verschiedenen Quellen ab und verwendete als erste den Titel Magazine (Wikipdia).
(2)John Yonge Akerman (1806-1873) war Secretary of the Numismatic Soiciety, F.S.A.

Die zweite Erwähnung dieser Münze gab es 1845:

(2) Numismatic Chronicle Vol. 8, April, 1845 – January, 1846
"Unedited Autonomous and Imperial Greek Coins" (Tenth Notice), by H. P. Borrell, Esq. [Read before the Numismatic Society, April 24th, 1845] p. 9, No. 4
Smyrna, 1.Oktober1843:
https://www.jstor.org/stable/42682337
Text2_NC8_1845.jpg
Auch hier wird die elegante Ausführung betont. Leider findet sich keine Abbildung. Aber “Bank of England” und “from my cabinet” kann doch nur bedeuten, daß es sich um eine andere Münze handelt als die aus dem Gentleman's Magazine. Der Verbleib dieser Münze ist unklar. Vielleicht ist es die Münze, die Barclay Head beschreibt?

Fehlbeschreibungen:
(1) Tatsächlich trägt Dionysos hier aber keinen Efeukranz.
(2) Hier wird gesagt, daß ein Centaur in jeder Hand eine Keule trägt, der andere nur eine Fackel. Tatsächlich aber sind auf der Münze 2 Fackeln und eine Keule zu erkennen.

Anmerkungen:
(1) Henry Perigal Borrell (1795-1851):
Sammler von Münzen, insbesondere aus Kleinasien, und klassischen Inschriften. Er lebte über 30 Jahre lang in der Levante und begründete seine Sammlung in Smyrna. Er war Bewahrer des griechischen Ordens des "Erlösers" und korrespondierendes Mitglied der Archä-ologischen Institute von Rom und Berlin. Das Britische Museum erwarb seine Sammlung 1833.
(2) Alle Ausgaben des Numismatic Chronicle (NC) können bei jstor.org dankenswerterweise umsonst her-untergeladen werden.

(3) Barclay Head, Catalogue of the Greek Coins of Lydia (BMC Lydia), London 1901, S. 133, 43
(3) Maionia_Sept_Severus_BMC43_PLXIV_7.jpg
Bild: Lydia pl. XIV (leider nur die Rückseite!)
https://www.academia.edu/30287052/Head_ ... ondon_1902
Text3_BMC43_1901.jpg
Text: p. 133
https://www.academia.edu/37327131/Head_ ... Lydia_TEXT

Diese Links führen zur Referenz BMC Lydia, 43, die heute als die allgemein gültige angesehen wird.

Fehlbeschreibungen:
(1) Head schreibt: “carrying flaming torches.”. Dabei hält der vordere Kentaur eindeutig eine Keule im Arm!
(2) Aber dafür wird hier erstmals der Thyrsos erwähnt!

Anmerkungen:
(1) Da diese Münze mit Borrell ausgewiesen ist, ist es vielleicht die Münze von 1845.
(2) Barclay Vincent Head (1844-1914) war ein briti-scher Numismatiker. Ab 1864 arbeitete er als Assistent im “Department of Coins” des Britischen Museum. 1871 wurde er Oberassistent und von 1893-1906 war er der Direktor der Abteilung. Zwischen 1874-1914 publizierte er mit seinen Mitarbeitern in 27 Bänden den Bestandskatalog der griechischen Münzen im Britischen Museum, den “Catalog of Greek Coins", der bis heute zu den Standardbestimmungswerken der Numismatik gehört. Sein erstmals 1887 erschienenes Werk „Historia Numorum“ bildet bis heute die Grundlage jeder wissenschaftlichen Beschäftigung mit der griechischen Numismatik.

(wird fortgesetzt)
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » So 29.05.22 16:41

(Fortsetzung)

(4) Lanz Numismatik München, Auktion 32, 29.4.1985, Lot 633
(4) Maionia_Sept_Severus_Lanz33_633.jpg
Text4_Lanz_633_1985.JPG
Diese Münze befindet sich seit 2009 in der Art Gallery der Yale University, von der auch die folgende Provenance stammt:
Marcel Burstein, Reno, Nev., bis 1985
Lanz Auktion 32, Lot 633, München, 29.4.1985
Frank L. Kovacs, San Mateo, Calif., 1985-2000
Ben Lee Damsky, 2000-2009
Yale University Art Gallery, seit 2009

Fehlbeschreibungen:
(1) TAAB in der Av.-Legende. Ein Fehler, der mir noch große Probleme gemacht hat!
(2) “Kentauren mit Fackeln”, Keule nicht erwähnt!

Diese Münze ist auch abgebildet in der Art Gallery der Yale Universität unter der Nr. 2009.110.80, allerdings ohne Beschreibung.

Auch Dane Kurth hat sie in ihrem Werk “Greek and Roman Provincial Coins - Lydia (GRPC Lydia), 2020” übernommen, leider mit der falschen Beschreibung von Lanz mit den Fackeln und einer falschen Av.-Legende “A TO B”
Text6_Dane_119_2020.jpg
Nach einer Auskunft im Forum Ancient Coins vom 24. Mai 2022 hat sie diesen Fehler in einem Supplement, das mir nicht vorliegt, korrigiert.

Die letzte Münze stammt aus der Sammlung Leypold.

(5) SNG Österreich, Sammlung Leypold, Kleinasi-atische Münzen der Kaiserzeit, Band 1, 2000
(5) Maionia_Sept_Severus_Leypold_I_1072.jpg
Leypold I, 1072
Text5_Leypold_I_1072_2000.jpg
Fehlbeschreibungen:
(1) CEOVHPOC anstatt CEVHROC.
(2) “Kybele in Kentaurenbiga r.” Nach Auskunft von Dane Kurth ist dies in Leypold II korrigiert worden!)

Anmerkung:
(1) Primarius Dr. Franz Leypold (1911-2005):
Österreichischer Numismatiker, bekannt durch seine Forschungen über den Maria-Theresien-Taler. Hatte daneben eine bedeutende Sammlung kleinasiatischer Münzen zusammengetragen, die sich heute in der Österreichischen Nationalbank befindet.

Das TAAB in der Rv.-Legende:
Das TAAB in der Rv.-Legende wurde von vielen unkritisch übernommen. Dies war eigentlich der aktuelle Anlaß für meine Recherche.

Die Magistrate von Maionia (lat. Maeonia) trugen den Titel Archon (auch Archont). Dieser wurde den Rev.-Legenden im Genitiv hinzugefügt als APXONTOC oder APXONTOC A (= 1. Archon), da es mehrere gab, der 1. Archon aber an der Spitze der Hierarchie stand. Wurde er zum zweiten Mal gewählt, hieß die Legende A TO B (= Archon zum zweiten Mal) oder sogar A T G (= Archon zum dritten Mal). Damit aber ließ sich das TAAB nicht erklären. Erst Tom Mullally und dann Prof. Leschhorn klärten mich auf, daß es nicht TAAB, sondern ΓA AB heißen soll, wobei ΓA ein Namens-bestandteil ist, der Archon also Iulianus Ga. hieß. In Leschhorn's „Lexikon der Aufschriften auf griechischen Münzen“ ist sogar eine Legende ΓAB gelistet (Hirsch 249, 2007, 2011)! Jetzt endlich war das Rätsel gelöst!

(6) Münze der Slg. Hoeft
Zum Schluß noch einmal meine eigene Münze mit der bisher vollständigsten Beschreibung:
(7) Maionia_Sept_Severus_BMC43_coll.Hoeft.jpg
Lydien, Maionia, Septimius Severus, 193-211
AE 36, 21.58g, 35.7mm, 180°
geprägt unter Iulianus Gab., zum 2. Mal 1. Archon
Av.: AV.KAI.Λ CE - Π CEVHP[O]C ΠEP - TIN
        Büste, drapiert und cürassiert, von hinten gesehen, belorbeert, n. r.
Rv.: [EΠI IOVΛIAN - OV] - ΓA. - A.B.APX[ONTOC]
        im Abschnitt [M]AIONΩN
        Dionysos, mit Haarknoten im Nacken, in langer Kleidung, den Thyrsos mit bebändertem Pinienzapfen am oberen Ende im li. Arm,
den re. Ellbogen auf die Rücklehne gestützt, lehnt n. r. in einem mit Figuren (Mänaden?) reich geschmückten         zweirädrigen Karren, der von zwei Kentauren gezogen wird; der vordere hält eine Keule im re. Arm und blickt n. l. zu Dionysos zurück,
der hintere hält eine Fackel im re. Arm und eine zweite in der erhobenen Linken.
Ref.:
(1) The Gentleman's Magazin, Vol. IV, 1835, S.132
(2) Henry Perigal Borrell 4, in NC 1845-46
(3) BMC Lydia, p. 133, 43corr.
(4) Lanz Numismatik, Auktion 32, 29.4.1985, 663corr.
(5) Leypold I, 1072 (als Cybele!, in Leypold II korrigiert!)
(6) Dane Kurth, Greek and Roman Provincial Coins – Lydia (GRPC Lydia), 2020 119 corr.

Anmerkung:
Ich habe mich entschlossen, hier den Begriff “Biga” nicht zu benutzen, sondern ihn zu ersetzen durch “zweirädrigen Karren”. Eine Biga nämlich ist ein Kampfwagen, in dem der Kämpfer nicht sitzt, sondern steht. Mir ist nicht klar, warum dies bei der Beschreibung der Münze nicht beachtet wird!

(wird fortgesetzt)
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » So 29.05.22 16:48

(Fortsetzung)

Details:
Und jetzt möchte ich das Augenmerk auf einige Details lenken, die in der Beschreibung der Münze bisher nicht erwähnt wurden, die aber bei der Beurteilung der Schönheit ihrer Ausführung, von der bereits Akerman 1835 gesprochen hat, von Bedeutung sind.

(1) Niemand hat bis jetzt bemerkt, daß der vordere Kentaur seinen Kopf nach links gewandt hat und zu Dionysos zurückblickt:
Korr_Kopf.jpg
Korr_Kopf.jpg (7.73 KiB) 1464 mal betrachtet
Man beachte auch das fein ausgearbeitete Gesicht!

(2) Ebenso fehlte bis jetzt die Beschreibung des oberen Endes des Thyrsos.
Korr_Thyrsos.jpg
Korr_Thyrsos.jpg (8.03 KiB) 1464 mal betrachtet
Deutlich ist hinter dem Kopf des Dionysos der Pinien-zapfen mit den 2 Bändern zu sehen.

2) Die weibliche Figur (Mänade?), mit denen der Wagen geschmückt ist, ist bis jetzt nirgends erwähnt worden.
Korr_Figur.jpg
Korr_Figur.jpg (6.78 KiB) 1464 mal betrachtet
Auf der Münze aus dem BM sieht man sogar 2 Figuren. Zeichen für eine Bearbeitung? Bei allen anderen Exemplaren ist dies ein Teil der Rücklehne.

Kunstgeschichte
Der Triumph des Bacchus, seine triumphale Rückkehr aus dem kultisch unterworfenen Asien, und seine Vermählung mit der kretischen Königstochter Ariadne wurde oft in einem einzigen künstlerisch-mythologischen Motiv zusammengefaßt. Das folgende Bild stammt von Annibale Caracci (1560 -1609) und ist ein Ausschnitt des Deckenfreskos in der Galleria des Palazzo Farnese in Rom (1597-1600):
Caracci Il_trionfo_di_Bacco_e_Arianna.jpg
Auf diesem Fresko wird der Wagen des Dionysos von 2 Tigern gezogen, ein Symbol für seine Herrschaft über die wilde Natur. Das gilt auch für die Kentauren auf der Münze, die noch ihre Keule besitzen, aber von Dionysos gezähmt sind.

Literatur:
(1) The Gentleman's Magazine, Vol. IV, 1835, S.132,
(2) Barclay V. Head, Catalogue of the Greek Coins of Lydia, 1901 (pdf online)
(3) Numismatik Lanz München, Auktion 32, Münzen der Antike, 29.4.1985
(4) Yale University Art Gallery (online)
(5) Dane Kurth, DGRC Lydia, 2020
(6) Slg. Hans-Joachim Hoeft, Forum Ancient Coins
(7) Münsterberg, Die griechischen Beamtennamen (on-line von Ed Snible)
(8) Wolfgang Leschhorn, Lexikon der Aufschriften auf griechischen Münzen, 2009
(9) Der Kleine Pauly
(10) wildwinds.com
(11) Wikisource

Mit freundlichem Gruß
Jochen
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » So 29.05.22 16:48

Inhaltsverzeichnis ans Ende verschoben!
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Altamura2 » So 29.05.22 17:32

Peter43 hat geschrieben:
So 29.05.22 16:10
... Maionia, BMC 43, eine Münzrecherche ...
Alle Achtung, da hast Du ja jetzt was draus geacht :D !
Peter43 hat geschrieben:
So 29.05.22 16:10
... Es wird gesagt, daß sich diese Münze im Britischen Museum befindet. Aber die Münze (3) befindet sich erst seit 1901 im BM! Also wo ist diese Münze geblieben? ...
Laut dem Eintrag im BM-Online (leider ohne Abbildung :? ) befindet sich diese Münze seit 1833 im Museum ("Acquisition date 1833") :D :
https://www.britishmuseum.org/collectio ... B-p136-3-B
1901 ist das Erscheinungsdatum des BMC-Bandes, mehr nicht.
Peter43 hat geschrieben:
So 29.05.22 16:10
... Das Britische Museum erwarb seine Sammlung 1833. ...
Da drängt sich jetzt natürlich der Verdacht auf, dass diese genau die Münze aus dem Gentleman's Magazine ist.
Peter43 hat geschrieben:
So 29.05.22 16:10
... Alle Ausgaben des Numismatic Chronicle (NC) können bei jstor.org dankenswerterweise umsonst her-untergeladen werden. ...
Das gilt für die älteren Ausgaben bis zu einem gewissen Zeitpunkt, für die aktuelleren nicht. Mit einem Zugang zu JSTOR geht dann mehr, den bekommt man beispielsweise als Mitglied von manchen Bibliotheken.
Peter43 hat geschrieben:
So 29.05.22 16:10
... Da diese Münze mit Borrell ausgewiesen ist, ist es vielleicht die Münze von 1845. ...
1845 hat Borrell ja schon geschrieben, dass die Münze in der Sammlung der Bank von England liegt, da hat sie ihm schon nicht mehr gehört. Die Sammlung der Bank von England ging dann irgendwann zum BM über.

Deine Fälle (1) bis (3) sind also vermutlich ein und dieselbe Münze, damit wird der Typ noch seltener :D .

Gruß

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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » So 29.05.22 18:23

Herzlichen Dank für Deine Informationen! Ich frage mich nur, warum Borell am 1. Oktober 1843 davon schreibt, daß diese Münze "from my cabinet" in der Bank von England liegt, wenn er seine Sammlung bereits 1833 dem Britischen Museum verkauft hat.

Jochen
Zuletzt geändert von Peter43 am So 29.05.22 19:48, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Altamura2 » So 29.05.22 19:32

Peter43 hat geschrieben:
So 29.05.22 18:23
... warum Borell am 1. Oktober 1943 davon schreibt, daß diese Münze "from my cabinet" in der Bank von England liegt, wenn er seine Sammlung bereits 1833 dem Britischen Museum verkauft hat. ...
Um auszudrücken, dass die Münze der Bank von England ursprünglich aus seiner Sammlung stammt :D .

Gruß

Altamura

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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Lucius Aelius » So 29.05.22 19:48

Eine sehr interessante Recherche, die Spass macht zu lesen 👍
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Peter43 (So 29.05.22 20:07)
Gruss
Lucius Aelius

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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » So 29.05.22 21:27

Freut mich, daß ich euch damit eine Freude gemacht habe!

Jochen
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Do 24.11.22 18:34

Lykurgos und die Nymphe Ambrosia

Liebe Freunde der antiken Mythologie!

Die botanische Saison, in der ich als ehrenamtlicher Kartierer für das Naturkundemuseum Stuttgart fast täglich durch Wiesen und Wälder gestreift bin, um neue Pflanzen zu entdecken, neigt sich dem Ende zu. Nun habe ich wieder mehr Zeit, mich um die Numismatik und die antike Mythologie zu kümmern.

Und endlich habe ich auch eine Münze gefunden, die es wert ist, hier vorgestellt zu werden. Ihre Erhaltung ist zwar suboptimal, aber dafür gehört  sie  zu  den  selteneren.

Die  Münze:
Syrien, Coele-Syria, Damascus, Trebonianus Gallus, 252-253
AE  25,  9.20g
Av.:  [IMP  C]  VIB  TREB  GA[LLO  AVG]
         Büste, drapiert und cürassiert, von hinten gesehen, belorbeert,  n.  r.
Rv.:  COL  ΔAMA  CO  METRO
Die Nymphe Ambrosia, nackt, frontal stehend,, Kopf n. r., hält in beiden Händen
Weinreben, ihre Füße  wachsen  aus  der  Erde
Ref.:  RPC IX, 1949 (es gibt mehrere leichte Variationen  der  Rev.-Abildung, hier z.B. die
Weintrauben  unterhalb  den Ellbogen)
damascus_trebonianus_RPCIX_1949_1.jpg
Die  Hyaden
Die Hyaden, von griech. Hyades (= "die es regnen lassen"), waren Nymphen der griechischen Mythologie, die bereits von Homer in der Ilias erwähnt wurden. Als Sternbild finden sich die Hyaden als V-förmiger Sternhaufen im Sternbild des Stiers. Der größte Stern unter ihnen  ist  links  unten  der  Aldebaran.
Hyaden.jpg
Über ihre Anzahl und ihre Abstammung gab es in der Antike bereits unterschiedliche Ansichten. Bei Hesiod waren es fünf. Nach Hygin soll die Okeanide Pleione (oder Aithra) dem Atlas 12 Töchter und den Sohn Hyas geboren haben. Als dieser auf der Jagd getötet wurde, versetzte Zeus sieben von ihnen als Plejaden an den Sternenhimmel, die anderen fünf, die besonders um ihn geweint  hatten,  als  Hyaden.
Pherekydes kennt sieben: Ambrosia, Eudora, Pedile, Koronis, Polyxo, Phyto und Thyone. Ihre Mutter sei Boiotia gewesen. Unter ihnen findet sich jetzt unsere Ambrosia. Sie kümmerten sich um Dionysos in seiner Kindheit und ihre Rolle war wohl parallel gedacht zur Rolle der Nymphen Adrasteia und Ide, die auf Kreta den  kleinen  Zeus  aufzogen  und  bewachten.

Die  Nymphe  Ambrosia
Beim Beschreiben der Münze schreibt Barclay Head zum Revers "Mänade(?)" und tatsächlich fehlt zur sicheren Bestimmung ein Hinweis auf das schreckliche Schicksal der Ambrosia, das auf der Münze nicht abgebildet ist. Trotzdem übernehme ich hier die Beschreibung aus RPC IX, 1949, was auch Leu Numismatik gemacht hat. Daß die Beine der Nymphe aus der Erde hervorwachsen, ist sehr ungewöhnlich und könnte ein Hinweis auf Gaia sein, die in der Erzählung von Nonnos  eine  nicht  unbedeutende  Rolle  spielt.

Auch bei Ambrosia, von griech. "ambrosia" (= "unsterblich", mit Betonung auf dem i(!), gibt es unterschiedliche Genealogien. Bei Hygin war sie die Tochter der Pleione und des Atlas. Sie wurde eine dodonäische Nymphe und eine Amme des Dionysos. Bei Nonnos wurde sie zur Wegbegleiterin des Weingottes Dionysos, zu einer Mänade.

Die eindrücklichste Schilderung ihres Schicksals findet sich bei Nonnos (Dionysiaka, Lib. 21). Diese Ereignisse fanden statt, nachdem Dionysos auf seinem Zug nach Osten Thrakien durchzogen hatte oder bei seiner Rückkehr  aus  Indien.

Lykurgos,  König  von  Thrakien
Lykurgos tritt in allen Mythologien als fanatischer Gegner des Dionysos auf. Meistens wird mit Lykurgos der mythische König der Edoner in Thrakien bezeichnet. Als Dionysos von Asien über den Hellespont wieder zurück nach Europa gehen wollte, bot ihm Lykurgos seine Freundschaft an. Als Dionysos aber zuerst seine Mänaden übersetzte, befahl Lykurgus, sie alle mitsamt Dionysos zu töten. Dionysos aber wurde von einem Mann names Tharops gewarnt und konnte gerade noch auf die andere Seite des Hellespont entkommen. Seine Begleiterinnen, die Mänaden, wurden alle auf Befehl des Lykurgus getötet. Hier taucht bereits der Name Ambrosia auf. Nachdem Dionysos mit seinem Heer übergesetzt war, kam es zu einer Schlacht, in der Lykurgos besiegt und gefangen genommen wurde. Dionysos ließ ihm die Augen ausstechen und ans Kreuz schlagen. Sein Reich übergab er dem Tharops (Diodorus  Siculus).

In einer anderen Version wird erzählt, daß Lykurgus den Dionysos verhöhnte und endlich fortjagte, seine Begleiterinnen und Begleiter aber gefangen nahm. Da schlug Dionysos den Lykurgus mit Wahnsinn, so daß er seinen Sohn Dryas für einen Weinstock hielt, ihn mit einer Axt niederschlug und sich selbst die Füße abschlug, bis er wieder zu Verstand kam. Über sein Land sei dann eine große Unfruchtbarkeit gekommen und das Orakel habe geantwortet, diese würde erst enden, wenn Lykurgus seine Sterblichkeit abgelegt hätte. Da führten die Edonen ihn auf den Berg Pangaios und ließen  ihn  durch  Pferde  zerreissen (Apollodor).

Andere erzählen, daß er Dionysos nicht als Gott anerkennen wollte, und als er trunken von Wein seine eigne Mutter vergewaltigen wollte, so habe er den Wein für ein Gift gehalten, und befohlen, alle Weinstöcke wieder auszureissen. Da habe Dionysos ihn wahnsinnig gemacht, so daß er seine Frau und seinen Sohn erschlagen habe und sich selbst einen Fuß, den er für einen Weinstock  hielt,  abgehauen  hätte  (Hygin.  Fab.).

Es gibt noch weitere Versionen von seinem Ende. Aber auch wenn Dionysos am Anfang immer vor ihm fliehen mußte, so konnte er ihn nachher doch gefangen nehmen. Er ließ ihn binden und mit Weinreben so heftig geißeln, daß Lykurgos Tränen vergießen mußte. Diese fielen zu Boden und aus ihnen erwuchs Kohl. Dieser ist noch heute ein Feind der Weinreben.(Schol.  Aristoph.  in  Equis.)

In der ältesten Geschichte (Homer, Ilias) verfolgte er die Ammen des kleinen Dionysos auf dem Berg Nysa. Diese warfen ihre Thyrsen zu Boden, während Lykurgus sie mit seinem Beile verwundete. Der kleine Dionysos stürzte sich ins Meer, wo ihn Thetis aufnahm und tröstete. Die Götter erzürnten sich über die Untat und schlugen Lykurgos mit Blindheit. Kurz darauf starb er.

Von Aischylos gab es eine Tragödie über ihn, die aber nicht  erhalten  ist.

Bereits Diodoros, der von der Schlacht zwischen Lykurgos und Dionysos berichtet, gibt an, daß Antimachos diese Schlacht nach Arabien verlegt hat. Dies nahm Nonnos in seinem umfangreichen Werk "Dionysiaka"  auf. Er erzählt:

Auf seinem Zug nach Indien gelangte das Heer über Tyros, Byblos und den Libanon nach Arabien. Dort herrschte ein Sohn des Ares, der schreckliche Lykurgos, der alle Fremden und Wanderer erschlug, schlachtete und mit ihren Gliedmaßen seinen Palast schmückte. Lykurgos verfolgte die Begleiterinnen des Dionysos, die hier Bassariden genannt werden (nach griech. "Bassaris" = "Fuchsfell", das sie wie die Nebris, das Rehfell, trugen) und nahm den Kampf gegen sie auf. Insbesondere die Mänade Ambrosia, eine der Hyaden, widersetzte sich ihm tapfer; fast schon überwunden, wurde sie von Gaia, der Mutter Erde, in eine Weinrebe verwandelt. Mit ihren Ranken umschlang sie unlösbar den Lykurgos, und da ihr durch Rheias Gnade die menschliche Rede bewahrt blieb, redete sie den Gegner höhnisch an. Ares konnte seinen Sohn nicht befreien, entwendete ihm aber wenigstens das göttliche Schlachtbeil. Die Mänaden umringten den gefesselten Gegner und geißelten ihn grausam. Auf Bitten Rheias erregte Poseidon ein Erdbeben in Arabien. Gleichzeitig befiel die Bewohnerinnen Arabiens, die "Nysäerinnen", ein Wahnsinn, so daß sie ihre eigenen Kinder töteten und schlachteten. Der mißhandelte Lykurgos beugte sich dem Dionysos nicht, sondern verharrte bei seinem Trotz gegen alle Götter. Endlich erbarmte sich Hera seiner, zerschnitt die Ranken der Ambrosia und befreite so Lykurgos. Dieser wurde später von Zeus geblendet, aber von den Arabern mit Opfern als Gott verehrt. Ambrosia aber stieg auf von der Erde in den Himmel und  wurde  ins  Sternbild  der  Hyaden  versetzt.

Dies wäre ein schönes Thema für die „Metamorphosen“ des Ovid gewesen, aber Nonnos lebte fast 500 Jahre nach Ovid!

Und jetzt wird auch geographisch verständlich, daß dieses Motiv mit der Ambrosia gerade auf Münzen aus Damaskus geprägt wurde. Sonst kommt Damaskus nur noch einmal vor: Beim Zug nach Indien stellte sich ihm am Euphrat der König von Damaskus entgegen. Er wurde bei lebendigem Leibe geschunden (Ranke-Graves). Darüber aber habe ich nichts genaueres erfahren können.

Kunstgeschichte:
Das Motiv der Ambrosia ist in der antiken Kunst mehrmals aufgenommen worden. Ausgesucht habe ich folgende  Darstellungen:
Mosaik_#2 K12.25Dionysos.jpg
(1)  Dieses Bild stammt von einer apulischen rot-figurigen Vase aus der Spätklassischen Periode, ca. 330 v. Chr., und befindet sich heute in der Staatl. Antikensammlung,  München.
König Lycurgus hält den Leichnam der Ambrosia, die er gerade mit seinem Schwert erschlagen hat. Der zornige Gott ruft eine Erinnye herbei, die ihn wahnsinnig machen soll. Die Erinnye ist dargestellt als geflügelte Jägerin, deren Arme und Haare mit Giftschlangen drapiert sind. Dionysos trägt eine aufwendig gestaltete Kleidung mit hohen Stiefeln und hält einen Baumzweig in der Hand. Hinter ihm sieht man noch den Thyrsos einer Mänade.

Auf dieser Vase finden sich nicht die Weinranken, die auf unserer Münze vorhanden und so typisch für die Nonnos-Erzählung  sind.
Mosaik_#1_7bc2e09defe5a12e326191657881d687.jpg
(2)  Das oben abgebildete Mosaik wurde in Herculaneum gefunden und befindet sich heute im Archäologischen Nationalmuseum in Neapel. Es zeigt den König von Thrakien, Lycurgus, den Feind des Dionysos, der die Nymphe Ambrosia angreift. Diese verwandelt sich gerade in eine Weinrebe und bindet Lycurgus mit ihren Trieben, um ihn der Rache des Dionysos auszuliefern. Sie scheint aus der Erde zu wachsen, was die Darstellung auf unserer Münze widerspiegelt. Zu dieser Zeit ist also die Version, die Nonnos später übernommen  hat,  schon  bekannt!

Ambrosia, die Speise der Götter
Wir wissen bereits, daß Ambrosia im Griechischen "unsterblich" bedeutet. Und so war Ambrosia die Speise, die den Unsterblichen vorbehalten war. Wer von ihr aß, wurde selbst unsterblich. Dies geschah z. B. dem  Tantalos, und Thetis salbte ihren Sohn Achilles mit Ambrosia, um ihn unsterblich zu machen.

Der Erste, der Ambrosia erhielt, war Zeus, dem es durch wilde Tauben von den Bergspitzen Kretas gebracht wurde. Bei Homer sind die Begriffe "Ambrosia" und "Nektar" noch austauschbar. Später bezeichnete man mit Ambrosia eine Speise und mit Nektar etwas zum  Trinken.

Ambrosia wurde benutzt als Speise, Trank, Balsam, Salbe und als Heilmittel. Es war berühmt für seinen Wohlgeruch und hätte süß geschmeckt. Rationalisten hielten es für Honig, z. B. Roscher: “Das paßt wunderbar zum Honig, der auch als Göttergabe aufgefaßt wurde.” Die Nymphe Ambrosia wäre dann die Personifikation  des  Honigtaus  gewesen.

Mit Ambrosia wurden auch die unsterblichen Pferde gefüttert. Daraus wurde auch schon mal umgekehrt gefolgert: Da die Pferde üblicherweise mit Hafer gefüttert werden, könnte Ambrosia einfach Haferbrei gewesen sein!

Die Vorstellung von Nektar und Ambrosia bedient den menschlichen Wunsch nach Unsterblichkeit, der schon früh in allen Kulturen vorhanden ist, und nach einem Zaubermittel, um sie zu erreichen. Das ist heute, wo das Altern als Krankheit betrachtet wird, wieder groß im Schwange, was man an den Milliarden sieht, die für Anti-Aging-Produkte ausgegeben werden. Hinter dem Wunsch nach dem ewigen Leben wird allerdings zu oft das  gegenwärtige  vergessen.

Ambrosia, ein allergener Neophyt
Als Hobby-Botaniker möchte ich am Schluß noch das Beifuß-Traubenkraut (Ambrosia artemisiifolia), kurz Ambrosia, erwähnen.
Ambrosia_artemisiifolia_1.jpg
Dies ist ein invasiver Neophyt und stammt aus dem Mittelmeerraum. Bekannt in Deutschland ist es seit 1860, war als Ackerunkraut aber immer an den Menschen gebunden. Seit den 1990er Jahren begann es sich aus eigener Kraft zu verbreiten und ist inzwischen zu einer großen Gefahr geworden. Typisch sind die starke Verzweigung und die hohen Blütenstände. Seine Pollen besitzen eine starke Allergenität, die 5x höher ist als die von Graspollen. Wahrlich  keine  Götterspeise!

Anmerkungen:
(1)  Pherekydes von Syros (* zwischen 584 und 581 v. Chr. auf der Insel Syros, einer der Kykladen) war ein antiker griechischer Mythograph und Kosmologe in der Zeit der Vorsokratiker. .
(2)  Nonnos von Panopolis war ein byzantinischer Dichter des 5. Jhdts. Er gilt als Verfasser der Dionysiaka, des letzten großen Epos der Antike. Darin wird in 48 Büchern bzw. Gesängen und ca. 21.300 Hexametern des  Siegeszug  des  Dionysos  nach  Indien  geschildert..
(3)  Dodona war ein antikes griechisches Heiligtum und Orakel. Es galt als ältestes Orakel Griechenlands und war nach Delphi das größte überregionale Orakel der griechischen Welt. Aus dem Rauschen einer dem Zeus heiligen Eiche wurde geweissagt, Später wurde auch aus  dem  Flug von  Tauben  gedeutet.
(4)  Antimachos von Kolophon war ein griechischer Dichter und Grammatiker, der um 450 v. Chr. gelebt hat.  Er  gilt  als  einer  der  Begründer  des  Epos.
(5)  Nysa gilt als der Ort, an dem Dionysos von Nymphen aufgezogen und genährt wurde. Dabei handelt es sich wohl nur um ein Phantasiegebilde. Später wurden die verschiedensten Orte als Nysa bezeichnet. Nonnos verlegt Nysa nach  Arabien.
(6) Als Neophyt bezeichnet man Pflanzen, die sich erst nach 1492 in Europa einbürgerten. Invasiv ist ein Neophyt,  wenn  er  sich  unkontrolliert  ausbreitet.

Quellen:
(1)  Homer,  Ilias
(2)  Apollodor,  Bibliotheka
(3)  Hyginus,  Fabulae,  De  astronomia
(4)  Nonnos,  Dionysiaka

Sekundärliteratur:
(1)  Heinrich-Wilhelm Roscher, Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie, 1884
(2)  Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon,  1770  (Nachdruck)
(3)  Barclay  Head,  Historia  Numorum (online Version von  Ed  Snible)
(4)  Der  Kleine  Pauly

Internetquellen:
(1)  Wikipedia
(2)  theoi.com
(3)  RPC  IX

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Jochen
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Re: Mythologisch interessante Münzen

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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Sa 26.11.22 11:57

Nachtrag zu Damaskos:

Jetzt habe ich etwas zu Damaskos in der Ethnika von Stephanos von Byzanz gefunden:
(1) Er berichtet dort von einem Damaskos, dem Sohn des Hermes und der Nymphe Halimede (einer Nereide, die auch von Hesiod und Apollodor erwähnt wird), der von Arkadien nach Syrien kam und hier die gleichnamige Stadt gründete. Das spricht natürlich für einen König.
(2) Oder einem Mann namens Damaskos, der in Syrien die von Dionysos gepflanzten Reben mit dem Beile abhieb und deshalb von dem erzürnten Gott geschunden wurde. Dies deckt sich mit der Erzählung von einem König von Damaskus, den Ranke-Graves erwähnt.

Stephanos von Byzanz berichtet auch von einem Giganten namens Askos. Der habe zusammen mit Lykurgos den Dionysos gefesselt und in einen Fluß geworfen. Hermes (oder Zeus) befreite den Dionysos, überwältigte (griech. εδαμασεν) den Giganten und zog ihm die Haut ab, die einen für die Aufbewahrung des Weins tauglichen Schlauch (griech. ασκος) abgab. Von dieser Begebenheit habe die Stadt Damaskos in Syrien ihren Namen erhalten.

Daraus geht hervor, daß es in Damaskos einen entschiedenen Gegner des Dionysos gegeben haben muß.

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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Fr 02.12.22 11:31

Eos und ihre unglücklichen Liebschaften

Die  Münze
Römische Republik, L. Plautius Plancus, gens Plautia
AR - Denar, 3.54g, 17mm, 210°
         Rom, 47  v. Chr.
Av.:  Maske der Medusa mit zerzaustem Haar, endend in gewundenen Schlangen
         darunter  L.PLAVTIVS
Rv.: Victoria (oder Aurora), geflügelt, mit Palmzweig im Arm, Kopf etwas n. l.,
        n. r. fliegens, hält die Zügel und führt die 4 Sonnenpferde
        darunter  PLANCVS
Ref.:  Crawford 453/1a; CRI 29; Sydenham 959; Plautia 15
CNG, 19.9.2012 (da meine eigene Münze zu exzentrisch ist)
CNG.jpg
Zur  Münze:
Lucius Plautius Plancus war der Bruder des L. Munatius Plancus, der 45 v. Chr. unter Caesar Pra-fectus Urbi war und 2 Jahre später, als Proconsul von Gallia Comata, die Colonia von Lugdunum (heute Lyon) gegründet hat. Plautius Plancus wurde als Gaius Munatius Plancus geboren, dann aber von Lucius Plautius adoptiert, dessen Namen er annahm nur den Cognomen seines ursprünglichen Namens behaltend. Die ungewöhnliche Eleganz der Reversetyps seiner Silber-denare lassen vermuten, daß ihr Entwurf auf ein beson-deres Kunstwerk zurückging und dies kann vielleicht ein Gemälde des gefeierten Malers Nikimachos von Theben gewesen sein, das durch L. Munatius Plancus anläßlich der Feier seines gallischen Triumphs 43 v. Chr. im Capitol aufgehängt wurde.. Dieses bemerkenswerte Gemälde kann während der Amtszeit des Münzmeisters in seinem Besitz gewesen sein und wurde dann zur Feier von Caesars militärischen Erfolgen 48 und 47 v. Chr. als Münztyp reproduziert. Im Zuge von Plautius' Proskription während des Triumvirats 43 v. Chr., das zu seiner Exekution und der Konfiszierung seines Besitzes führte, kann es in den Besitz seines Bruders Munatius Plancus gelangt sein; es gibt den starken Verdacht, daß Munatius für Plautius' tragisches Ende verantwortlich gewesen ist. Die Bedeutung des Medusenhaupts auf dem Avers wartet immer noch auf eine überzeugende Erklärung, obwohl es vermutlich in einer Beziehung zur Geschichte der Familie steht, in die der Münzmeister adoptiert worden ist (CNG).

Ethymologie:
Eos (griech. ηως) ist sprachlich und sachlich verwandt mit dem indischen ushas und der latein. aurora von der Wurzel -us (= brennen, leuchten), indem eine gräco-italische Form ausos vorausgesetzt wird.

Die Eltern der Eos sind der Titan Hyperion und die Titanin Theia (Hesiod, Apollodor), oder Aithra (Hygin), auch Titan und Erde, oder sie ist die Tochter des Pallas (Ovid Fasten). Ihre Geschwister sind Selene und Helios, Schlaf  und  Tod.
Guercino_-_Aurora_-_WGA10920.jpg
Ausschnitt aus dem Deckengemälde in der Villa Ludovisi in Rom mit dem Sonnenwagen der Aurora (1621), Guercino. Giovanni Francesco Barbieri (1591-1666), besser bekannt als Guercino, war ein italienischer Maler des Barock. Aus seiner Periode in Rom stammen die Fresken der Aurora im Casino der Villa Ludovisi.

Jeden Morgen erhebt sie sich vom Lager ihres Gatten Tithonos und steigt mit ihrem Rossegespann aus den Pferden Lampos (heller Glanz) und Phaeton (der Strahlende) aus dem Okeanos empor (nach Homer Odyssee 12,4 hat sie ihre Wohnung auf Aiaia) und fährt vor ihrem Bruder Helios üher den Himmel hin. Sie beendet ihre Bahn erst abends und bedeutet somit nicht nur den Morgen, sondern auch den Mittag und den ganzen Tag (hemera). Ihre wunderschönen poetischen Beinamen, die Rosenfingrige und die Safrangewandete, entsprechen den Farben des Himmels bei der Morgen-dämmerung, wenn die Sonne in langen Streifen den Himmel bedeckt. Das Rossegespann ist Ausdruck ihrer Schnelligkeit.

Berüchtigt ist Eos wegen ihrer Liebschaften. Später hieß es sogar, Aphrodite habe ihr einen Fluch auferlegt, sich ständig zu vrerlieben, weil sie sie bei einer Liebschaft mit Ares überrascht habe.

1) Der Mythos von Tithonos
Tithonos war ein trojanischer Prinz, der Sohn des Troers Laomedon und somit Bruder des Priamos, aber von einer anderen Mutter, der Rhoio (auch Strymo genannt), einer Tochter des Skamander. Er ist der Einzige, der im Gegensatz zu ihren anderen Liebschaften  ihr  Gemahl  genannt  wurde.
Nach der Kleinen Ilias ist Ganymedes ein Bruder des Tithonos. Auch ihn habe Eos entführt. Er wurde ihr aber von Zeus wieder weggenommen, der ihn als Liebhaber  und  Mundschenk auf den  Olymp  holte.

Da Tithonos an den Regierungsgeschäften seines Bruders nicht teilnahm, war seine Hauptbeschäftigung die Jagd, zu der er jeden Morgen vor Sonnenaufgang aufbrach. Dann habe er Phrygien verlassen und sich dem Teutames in Assyrien angedient. Dieser habe ihn freundlich aufgenommen und ihn zu seinem Feldherrn gemacht. Nach Diodoros habe er Susa gegründet

Als Eos ihn einmal in einer Schlacht gesehen hatte, war sie so von seiner Schönheit überwältigt, daß sie sich in verliebte und ihn in ihrem goldenen Wagen nach Äthiopien entführte, wo sie in Aiaia oder Aethiops am östlichen  Rand  des  Okeanos  glücklich  lebten.
(2) T19.7Eos.jpg
Eos verfolgt den jungen Tithonos, der eine Leier hält. Von einer attischen rotfigurigen Kylix, Klassische Periode, 470-460 v. Chr., zugeschrieben dem  Penthesilaos-Maler.  Heute im Britischen Museum/London.

Eos liebte ihn so sehr, daß sie sich von den Göttern für ihn die Unsterblichkeit ausbat. Dabei vergaß sie aber, ihm auch ewige Jugend zu wünschen. So wurde er immer älter und schwächer. Trotzdem blieb sie ihm in Zärtlichkeit zugetan. Endlich mußte man ihn in ein Zimmer einschließen, in eine Wiege legen, und wie ein kleines Kind pflegen und füttern. Er bat schließlich Eos, sterben zu dürfen, aber diese Bitte konnte sie ihm nicht erfüllen. Stattdessen verwandelte sie ihn in eine Zikade und hängte ihn in einem Korb in die Luft, so daß  sie  wenigstens  seine  Stimme  noch  hören  konnte.
(3) Giovanni_da_san_giovanni,_Storie_mitologiche_e_veterotestamentarie,_1634-1635_circa,_affresco_su_stuoia_di_giunco,_aurora_e_titone.jpg
Aurora und der alte Tithonus (1634-1635), Gemälde von Giovanni da San Giovanni, heute in den Uffizien/Florenz. Giovanni da San Giovanni (1592-1636) war ein italienischer Barockmaler, der überwiegend in Florenz gewirkt  hat.

Tithonos ist die Allegorie des frisch beginnenden, dann müde endenden Tages (Preller), des hinfälligen Greises. Die Zikade sei dabei ein Sinnbild der alten Leute, die selbst nichts mehr verrichten könnten, aber ständig davon schwätzen, was sie früher alles gemacht hätten. Das Motiv der unvollständigen Bitte ist ein Märchenmotiv  (Pauly).

Eos zeugte mit Tithonos den Memnon und den Emathion. Beide ware Könige von Aethiopien. Emathion wurde durch Herakles getötet. Memnon bekam von Priamos einen goldenen Weinstock geschenkt, damit er ihm vor Troja gegen die Griechen helfe, und zog dann mit einem riesigen Heer nach Troja. Bei einem Zweikampf wurde er von Achilles mit dem Speer getötet. Eos habe so sehr um ihn geweint, daß ihre Tränen als Tau auf die Erde gefallen seien. Nach seinem Tod wurde er insbesondere im ägyptischen Theben verehrt. Seine besonderen Bildsäulen waren aus schwarzem Marmor und berühmt dafür, daß sie morgens bei Sonnenaufgang einen anmutigen Klang von sich gaben, als freuten sie sich über die Gegenwart der Eos, bei Sonnenuntergang aber einen tieftraurigen, als trauerten sie über ihren Abschied. Tatsächlich sind diese Statuen Abbildungen des Amenophis III., deren eine gespalten war. Als Severus sie restaurieren ließ, verstummten sie.

2)  Die  Sage  von  Kephalos  und  Prokris
Kephalos war der Sohn des Hermes und der Herse, oder des Dejoneus, des Königs von Phokis, und der Diomede. Er war von ungemein schöner Gestalt, so daß ihn Eos, als er einmal auf dem Berge Hymettos jagte, raubte  und  nach  Syrien  entführte.
(4) Eos_Kephalos_MNA_Inv11158.jpg
Eos entführt den jungen Kephalos, der eine Lyra hält
Attische rotfigurige Lekytos, Klassische Periode, 470-460 v. Chr., dem Oinokles-Maler zugeschrieben. Heute im Museo Arqueologico Nacional de  Espana  (MAN)/Madrid

Seine eigentliche Gemahlin aber war Prokris, die Tochter des Erechtheus und der Praxithea, die er so liebte, daß er sie nicht vergessen konnte. Das erzürnte Eos und sie ließ ihn frei, sagte ihm aber, es werde die Zeit kommen, daß er nicht wünsche, seine Prokris zu sehen. Da kam ihm der Verdacht, sie sei ihm untreu geworden, und er wollte sie auf die Probe stellen. Mit Hilfe der Eos verkleidete er sich und umwarb sene eigene Frau mit reichen Geschenken, bis sie ihm zu Willen war. Als er sich offenbarte, schämte sie sich so sehr, daß sie entfloh und sich nach Kreta begab zu König Minos. Als sie ihn von einer schweren Krankheit heilte, schenkte er ihr den Hund Lailaps, dem niemand entlaufen konnte, und einen unfehlbaren Speer. Nach einer anderen Version bekam sie beide Wunderwaffen von Artemis, zu der sie sich geflüchtet hatte. Mit diesen ging sie zurück nach Attika, versöhnte sich wieder mit ihrem Mann und schenkte ihm Hund und Speer. Als Kephalus aber unablässig auf die Jagd ging, machte sich bei ihr der Argwohn breit, er betrüge sie wieder mit Eos. Sie schlich ihm nach und hörte, wie er nach "Aura" rief, was ihren Verdacht bestärkte. Als sie dabei im Gebüsch raschelte, dachte Kephalos, es sei ein Wild, warf den Speer nach ihr und traf sie tödlich. Für diesen Mord wurde er vom Areopag ins Exil geschickt und kam endlich mit dem Amphitryon zur Insel Kephalonia, die von ihm den Namen erhielt. Er soll auch mit Lailaps, dem Wunderhund, auf die Jagd nach dem Teumessischen Fuchs gegangen sein, der Theben verwüstete und den niemand fangen konnte. Um dieses Dilemma zu lösen wurden dann Fuchs und Hund von Zeus in Stein verwandelt.

Diese nichthomerische Geschichte wird ausführlich von Ovid in seinen Metamorphosen (Ovid met. 7, 672) erzählt. Tatsächlich rief Kephalos auf griechisch nach "Nephele", einer kühlenden Wolke, was Prokris als Mädchenname  mißverstand.

Überhaupt ist die Geschichte von Kephalos und Prokris die Verschmelzung verschiedener unabhängiger Sagen (Roscher).
piero-di-cosimo-der-tod-der-prokris-15213.jpg
Piero die Cosimo (1461-1512), Der Tod der Prokris (um 1490). Heute in der  National  Gallery  in  London.

3)  Astraios
Mit dem Titanen Astraios, dem Sohn des Krios und der Eurybia. hat Eos die Hauptwinde Argestes, Zephyros, Boreas und Notos gezeugt (Hesiod), eine Mythe, die wohl auf die Beobachtung zurückzuführen ist, daß die Winde von oben, also von den Sternen, zu kommen scheinen. Nach Apollodor hat sie mit ihm auch die Gestirne gezeugt, darunter den Morgenstern Eosphoros (= Lucifer), der morgens vor ihr hergeht und abends mit ihr  untergeht.

4)  Orion
Es wird erzählt (Apollodor), daß Eos auch den gewaltigen Jäger Orion einmal entführt und nach Ortygia, der Geburtsinsel der Artemis, gebracht haben soll. Über seinen Tod gibt es viele, auch widersprüchliche Erzählungen. In einer neiden die Götter ihr den Besitz und Artemis soll ihn aus Eifersucht auf Eos mit einem Pfeil getötet haben (Homer, Odyssee). Dort beklagt  Kalypso  die  Eifersucht  der  Himmlischen.

Zu  weiteren  Liebhabern  gehörte
5) Kleitos, der Sohn des Mantion und Vater des Koiranos, der von Eos wegen seiner Schönheit entführt wude, damit er unter den Unsterblichen wohne (Homer Od.  15,  249).

Kultisch spielt Eos keine Rolle. Schon die Alten hatten Schwierigkeiten, zwischen einer Personifikation und der  eigentlichen  Naturerscheinung  zu unterscheiden..

Literatur:
Von den vielen literarischen Bearbeitungen des Tithonos-Stoffes  führe  ich  hier  nur  zwei  auf:
(1)  Das  Tithonos-Gedicht  der  Sappho
Dieses Gedicht gehört zum Alterswerk der Sappho. Es wurde erstmals 1922 veröffentlicht, nachdem bei Oxyrhynchus in Ägypten ein Papyrusfragment entdeckt wurde. Die im Jahr 2004 veröffentlichten Fragmente der Kölner Papyri aus dem 3. Jh. v. Chr. umfassen zwar nur 12 Zeilen des Gedichts, aber vervollständigen es fast vollständig und erregten internationale Aufmerksamkeit. Dieses Gedicht ist eines von sehr wenigen im wesentlichen vollständigen Werken von Sappho und beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Alterns, was Sappho  sehr  beschäftigt  haben  muß:
„Oft seufze ich darüber. Aber was kann ich tun? Alterslos kann man, wenn  man  ein  Mensch  ist,  nicht  werden.“

(2) Im „Tithonus“ von Alfred Tennyson (1809-1892) beklagt sich Tithonus darüber, daß er weder Sterblicher noch  Unsterblicher  sei.

Anmerkungen:
(1) Nikomachos von Theben, für seine Schnellmalerei berühmt, wirkte in der Mitte und 2. Hälfte des 4. Jh. v. Chr. Zu seinen Schülern gehörte der noch schneller malende Philoxenos von Eretria. Von seinem Stil ist nichts bekannt, obwohl die Victoria quadrigam in sublime raptens (von Sydenham "Aurora" genannt) auf Denaren  des  L.  Plautius  Plancus  verwandt  ist.
(2) Kleine Ilias ("Ilias mikra"), zum Epischen Zyklus gehörend. Dieser umfaßt die Epen, welche die Vorgeschichte der Ilias, und die Heimkehrergeschichten (Nostoi) darstellen, Die Entstehungszeit fällt in das 7./6. Jh. v. Chr., ihre Autorenschaft ist umstritten.
(3) Aiaia, mythische Inseln im Westen und Osten des Okeanos. Die westliche galt als Wohnsitz der Kirke und als Tanzplatz der Eos nach ihrem Untergang im Westen.

Quellen:
(1)  Homer,  Odyssee
(2)  Hesiod,  Theogonie
(3)  Apollodor,  Bibliotheka
(4)  Hyginus,  Fabulae
(5)  Homerischer  Hymnos  an  Aphrodite
(6)  Pausanias,  Periegesis
(7)  Ovid,  Metamorphosen
(8)  Vergil,  Aeneis

Sekundärliteratur:
(1)  Wilhelm Heinrich Roscher, Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie, Teubner 1889
(2)  Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon,  Leipzig  1770  (auch  online)
(3)  Ludwig  Preller,  Griechische  Mythologie,  1894-1926
(4)  Karl  Kerenyi,  Die  Mythologie  der  Griechen,  dtv
(4)  Der  Kleine  Pauly,  dtv

Internetquellen:
(1)  theoi.com
(2)  Wikipedia

Mit freundlichem Gruß
Jochen
Zuletzt geändert von Peter43 am Fr 02.12.22 13:11, insgesamt 1-mal geändert.
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Fr 02.12.22 11:34

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