Mythologisch interessante Münzen
Moderator: Homer J. Simpson
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Re: Mythologisch interessante Münzen
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Re: Mythologisch interessante Münzen
Zu diesem Mythos mit Athena und Marsyas gibt es übrigens auch ein ganzes Buch von Luise Seemann, "Marsyas und Moira", Marburg 2006: https://freidok.uni-freiburg.de/files/1 ... dMoira.pdf
Darin werden die ganzen Quellen dazu aufgeführt und es wird auch fein säuberlich zwischen Aulos und Flöte unterschieden

Da ging es um einen Aulos (https://de.wikipedia.org/wiki/Aulos). Das ist ein Instrument, das einen gehörigen Anblasdruck erfordert, damit da was rauskommt. Das kann man beispielsweise heute noch in der traditionellen bretonischen Musik sehen, in der die Bombarde (eine Art Schalmei und auch ein einfaches Doppelrohrblattinstrument) eine wichtige Rolle spielt: https://images.app.goo.gl/7BPH7vNtsL17Dmzm8
Wenn man das sieht, werden auch die "geblähten und vor Anstrengung geröteten Wangen" plausibel


Na ja, wenn man als Gottheit oben auf dem Olymp weit ausholt, dann kann man vielleicht schon ein Stück weit kommen

Einen hohen Stellenwert hat der Marsyas-Mythos vor allem in der Stadt Kelainai in Phrygien, die unter Antiochos I nach dessen Mutter Apame in Apameia umbenannt wurde. Schon in vorrömischer Zeit wurde ein Marsyas mit Aulos dort auf Münzen dargestellt (z.B. hier: https://www.nomisma.museum.uni-wuerzbur ... t?id=ID651) und es gibt Provinzialprägungen, auf denen die aulosspielende Athena und teilweise auch der ihr lauschende Marsyas dargestellt sind: https://rpc.ashmus.ox.ac.uk/search/brow ... x=&format= , ganz ähnlich, wie auf der Münze hier.
Interessant wäre jetzt zu wissen, warum das auch auf Münzen aus Nikomedia abgebildet wurde

Gruß
Altamura
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Re: Mythologisch interessante Münzen
Danke für den Beitrag. Die Münzen aus Apameia hatte ich nicht gefunden. Sie sind wirklich hübsch.
Jochen
Jochen
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Re: Mythologisch interessante Münzen
Nike, die griechische Siegesbotin
Münze:
Moesia inferior, Nikopolis ad Istrum, Caracalla , 198-217
AE 27, 12.7g, 26.99mm, 45°
geprägt unter dem Statthalter Lucius Aurelius Gallus
Av.: AV.K.M.AVPHΛI - ANTΩNINOC
Jugendliche Büste, drapiert und cürassiert, n. r.
Rv.: VΠA AVP ΓAΛΛOV - NIKO - ΠOΛITΩN / ΠPOC ICTP
Nike, mit ausgebreiteten Flügeln, in langem, hochgegürteten Doppelchiton, lehnt mit li. Ellbogen auf einer Stele n.l., hält im li. Arm langen Palmzweig und in der gesenkten re. Hand eine Taenie
Ref.: a) AMNG I/1, 1545 (2 Ex., Paris, Vaillant ex coll. Capello)
b) Varbanov 3080
c) Hristova/Hoeft/Jekov (2023) No.8.18.9.2 (diese Münze)
fast SS, dunkelgrüne Patina Die Münze zeigt eine Variante der Standarddarstellung der Nike: Stehend, mit Palmzweig und Binde anstatt Kranz, auf eine Säule gestützt. Die Säule ist ein Zeichen dafür, daß es sich um ein Standbild gehandelt haben muß, das aus statischen Gründen die Säule als Stütze gebraucht hat. Pat Lawrence: Viele Münzbilder gehen auf Standbilder zurück.
Mythologie:
Da es sich bei Nike im Grunde um eine Personifikation handelt, ist ihre Mythologie nicht sehr umfangreich. Es geht dabei eigentlich nur um ihre Abstammung, die Genealogie.
Homer kannte Nike noch nicht. Nach Hesiod und Apollodor war Nike als die Tochter der Styx, und des Pallas, des Sohns des Hyperion und der Theia, eine Titanin und Bia (die Gewalt), Zelos (der Eifer) und Kratos (die Macht) ihre Geschwister. Mit ihnen zusammen half sie Zeus bei seinem Aufstand gegen die Titanen, so daß er sie danach in den Himmel erhob. Auf dem Olymp war sie neben Hebe und Iris der Mundschenk der Götter. Ihre Geschwister wurden ständige Begleiter des Zeus.
Bei Hyginus sind ihre Eltern auch Styx und Pallas, ihre Geschwister aber Scylla, Vis, Invidia, Potestas, Fontes und Lacus. In einem Orphischen Hymnus und bei Bakchylides wird Ares als ihr Vater genannt. Nach Roscher mythologisch alles wertlose Vorstellungen. Daß sie einen Lidos aus Liebe verfolgt habe, hat sich als Fälschung herausgestellt. Daß sie in den bakchischen Kreis gehört, sei attisch unvorstellbar.
Kulturgeschichte:
Da Nike keine eigentliche Mythologie besaß, gab es auch nicht viel Kulte für sie. Ihr Kult ist jung und der Hauptverehrungsort der Nike war Athen. Zunächst war es nur ein kleiner Altar (naiskos), dessen Überreste gefunden wurden. Er stammte aus der 2. Hälfte des 6. Jh. und befand sich auf einem zur Bastion erweiterten Sporn der Akropolis südwestlich der Propyläen.
Der erste Tempel wurde nach dem Friedensschluß des Kallias mit den Persern der Athena Nike geweiht. 449/48 sollte ihr ein Tempel nach den Entwürfen des Kallikrates errichtet werden. Diese Pläne wurden erst nach dem Nikiasfrieden von 421 unter der Herrschaft des Perikles verwirklicht. Tempel der Athena Nike auf der Akropolis
Der hübsche, kleine Tempel in ionischem Stil besteht aus pentelischem Marmor. Die Reliefs auf dem Fries zeigen eine Versammlung der Götter mit Athena in der Mitte umrahmt von Zeus und Poseidon. Auf den Seiten sind Kämpfe zwischen Griechen und Barbaren dargestellt, wohl den Persern und ihren Verbündeten. Die große Anzahl der Niken auf der Balustrade soll durch ihre Quantität die Größe des Sieges verdeutlichen.
Die Osmanen hatten ihn in ein Pulvermagazin umgewandelt und später ganz abgebaut, um mit seinen Steinen die Verteidigungsanlagen zu verstärken. Nach der Befreiung Griechenlands wurde er 1836 wieder aufgebaut. Dies gilt als erste Anastilosis eines Gebäudes überhaupt.
Man liest oft, daß Nike zunächst ungeflügelt gewesen sei. Pausanias schreibt, daß die Athener sie ohne Flügel verehrt hätten, damit sie sicher bei ihnen bliebe. Aber der Tempel war nicht Nike, sondern der Athena geweiht, auch Athena aptera (die flügellose) genannt, und die Verehrung galt der Athena Nike! Roscher schreibt, daß Nike eine Emanation, eine Abspaltung der Athena gewesen sei. Mit Flügeln habe sie zuerst Aglaophon gemalt, um ihre Unbeständigkeit zu verdeutlichen, ihr schnelles Erscheinen und schnelles Verschwinden.
Nike ist die Personifikation des Sieges. Aber Nike verleiht nicht den Sieg, sondern sie überbringt nur die Nachricht vom Sieg, sie ist die Botin!
Als Siegesbotin kann sie beim Kampf zuschauen oder, den Sieg bereits vorwegnehmend, bei den Vorbereitungen anwesend sein. Das Errichten von Siegeszeichen dient ihrem dauernden Andenken. In der Anabasis des Xenophon und bei Aemilius Paulus bei seiner Schlacht gegen die Perser war das Feldgeschrei "Nike". Sie tritt zum siegreichen Wagenlenker auf den Wagen
Als Abstraktion aus den Bedürfnissen einer bereits hochentwickelten Kultur ist sie spät entstanden. Daß sie nicht eine schattenhafte Abstraktion geblieben ist, sondern eine volle göttliche Persönlichkeit, verdankt sie der bildenden Kunst (Roscher)!
Kunstgeschichte:
Ihr bedeutendstes Standbild ist wohl die Nike von Samothrake, die von rhodischen Bildhauern im frühen 2. Jh. v.Chr. geschaffen wurde. Dieser Höhepunkt der hellenistischen Bildhauerkunst zeigt überzeugend die Verbindung des festen Standes der Nike des Phidias mit der Flugbewegung der Nike des Paionios (Pauly). Nike von Samothrake (heute im Louvre)
Gefunden wurde sie 1863 vom französchen Vizekonsul, der sie zusammensetzte und nach Paris bringen ließ. Sie zeigt Nike bei der Landung auf dem Vorderteil eines Schiffes und feiert einen rhodischen Seesieg im römisch-syrischen Krieg, in dem die Rhodier auf römischer Seite standen.
Beeindruckend ist nicht allein ihre Haltung, sondern insbesondere die Textur ihrer Kleidung, die zeigt, wie der Wind dafür sorgt, daß sie sich fast durchsichtig dem Körper anschmiegt.
Die Nike von Samothrake ist ein Symbol des Sieges und des Triumphs, das in vielen Kulturen und Epochen bewundert wurde. Sie repräsentiert nicht nur militärische Erfolge, sondern auch die Kraft des Geistes und die Überwindung von Widerständen. Ihre Ausstrahlung geht weit über die antike griechische Kultur hinaus und inspiriert bis heute Menschen auf der ganzen Welt.
Münzen:
Münzen spielen bei der Wahrnehmung der Nike eine wesentliche Rolle. Sie erscheint auf den Kaisermünzen der meisten griechischen Städte, aber in keiner Stadt so bevorzugt wie in Nikopolis ad Istrum. Hier ist sie der Eponym der Stadt. Mit Sicherheit hat sie dort ein Standbild gehabt, wo sie sich auf eine Säule stützt, wie es oben die Münze von Caracalla zeigt.
Natürlich wird Nike abgebildet, wie sie auf einer Biga fährt. Damit entspricht sie einer republikanischen Darstellung der Victoria. Nikopolis, Caracalla, HrHJ (2023) 8.18.9.10
Von Macrinus gibt es eine Münze, bei der Nike neben dem Kaiser auf der Quadriga steht. Das Bild symbolisiert die Unterstützung, die der Kaiser von Nike erhält oder sich erwünscht
In Nikopolis gibt es eine Münze, die Nike mit einem Rad an ihrer Seite zeigt. Diese seltene Darstellung stellt sie in die Nähe von Tyche.
Auf vielen Münzen sieht man Nike in Zehenspitzengang laufen. Das ist nichts anderes als der Ausdruck für eine Art des Fliegens!
Neben Zeus Nikephoros und Athena Nikephoros, bei denen es Zeus und Athena sind, die den Sieg verleihen, gibt es Bilder von Caracalla und Geta als Nikephoros. Hier hat sich die Bedeutung dahin geändert, daß es jetzt der Kaiser ist, dem der Sieg zu verdanken ist! Nikopolis, Severus, HrHJ (2023) 8.14.34.3 (Caracalla)
Auf mehreren Münzen für Caracalla, Diadumenian und Elagabal hilft Nike dem Kaiser beim Aufbau eines Tropaions. Die nächste extrem seltene Münze (unique?) aus Nikopolis, auf der Nike neben einem Tropaion steht, habe ich ausgewählt, um zu zeigen, zu welch hoher Kunst die Stempelschneider in Nikopolis fähig waren. Nikopolis, Diadumenian, HrHJ (2023) 8.25.9.9
Anmerkung:
Anastilosis (Anastylose), von griech ανα (= wieder, zurück) und griech. στηλοω (= aufstellen, z.B. eine Stele), bezeichnet die teilweise Restauration eines antiken Gebäudes unter Verwendung seiner original erhaltenen Bauteile. Zusätzliche Teile dürfen nur verwendet
werden, wenn sie aus statischen Gründen notwendig sind. Wenn diese Teile äußerlich erkennbar sind, müssen sie sichtbar gekennzeichnet werden. Als erste Anastilosis gilt der 1836 auf der Akropolis wiederaufgerichtete Niketempel. Inzwischen ist diese Methode weltweit zum Standard geworden und in der Charta von Venedig 1964 sind ihre Kriterien international festgelegt worden (Wikipedia).
Quellen:
(1) Hesiod, Theogonie
(2) Apollodor, Bibliotheke
(3) Hyginus, Fabula
(4) Orphische Hymnen
(5) Bakchylides, Hymnen
(6) Pausanias, Reisen durch Griechenland
Literatur:
(1) Heinrich Wilhelm Roscher, Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie
(29 Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon (Bereits von Goethe benutzt!)
(3) Der kleine Pauly
(4) Gemoll, Griechish- Deutshes Schul- und Handwörterbuch
(5) Kaegi, Griechische Grammatik
Online-Quellen
(1) theoi.com
(2) Wikipedia
(3) Wikimedia
(4) wikiart
Freundliche Grüße
Jochen
Münze:
Moesia inferior, Nikopolis ad Istrum, Caracalla , 198-217
AE 27, 12.7g, 26.99mm, 45°
geprägt unter dem Statthalter Lucius Aurelius Gallus
Av.: AV.K.M.AVPHΛI - ANTΩNINOC
Jugendliche Büste, drapiert und cürassiert, n. r.
Rv.: VΠA AVP ΓAΛΛOV - NIKO - ΠOΛITΩN / ΠPOC ICTP
Nike, mit ausgebreiteten Flügeln, in langem, hochgegürteten Doppelchiton, lehnt mit li. Ellbogen auf einer Stele n.l., hält im li. Arm langen Palmzweig und in der gesenkten re. Hand eine Taenie
Ref.: a) AMNG I/1, 1545 (2 Ex., Paris, Vaillant ex coll. Capello)
b) Varbanov 3080
c) Hristova/Hoeft/Jekov (2023) No.8.18.9.2 (diese Münze)
fast SS, dunkelgrüne Patina Die Münze zeigt eine Variante der Standarddarstellung der Nike: Stehend, mit Palmzweig und Binde anstatt Kranz, auf eine Säule gestützt. Die Säule ist ein Zeichen dafür, daß es sich um ein Standbild gehandelt haben muß, das aus statischen Gründen die Säule als Stütze gebraucht hat. Pat Lawrence: Viele Münzbilder gehen auf Standbilder zurück.
Mythologie:
Da es sich bei Nike im Grunde um eine Personifikation handelt, ist ihre Mythologie nicht sehr umfangreich. Es geht dabei eigentlich nur um ihre Abstammung, die Genealogie.
Homer kannte Nike noch nicht. Nach Hesiod und Apollodor war Nike als die Tochter der Styx, und des Pallas, des Sohns des Hyperion und der Theia, eine Titanin und Bia (die Gewalt), Zelos (der Eifer) und Kratos (die Macht) ihre Geschwister. Mit ihnen zusammen half sie Zeus bei seinem Aufstand gegen die Titanen, so daß er sie danach in den Himmel erhob. Auf dem Olymp war sie neben Hebe und Iris der Mundschenk der Götter. Ihre Geschwister wurden ständige Begleiter des Zeus.
Bei Hyginus sind ihre Eltern auch Styx und Pallas, ihre Geschwister aber Scylla, Vis, Invidia, Potestas, Fontes und Lacus. In einem Orphischen Hymnus und bei Bakchylides wird Ares als ihr Vater genannt. Nach Roscher mythologisch alles wertlose Vorstellungen. Daß sie einen Lidos aus Liebe verfolgt habe, hat sich als Fälschung herausgestellt. Daß sie in den bakchischen Kreis gehört, sei attisch unvorstellbar.
Kulturgeschichte:
Da Nike keine eigentliche Mythologie besaß, gab es auch nicht viel Kulte für sie. Ihr Kult ist jung und der Hauptverehrungsort der Nike war Athen. Zunächst war es nur ein kleiner Altar (naiskos), dessen Überreste gefunden wurden. Er stammte aus der 2. Hälfte des 6. Jh. und befand sich auf einem zur Bastion erweiterten Sporn der Akropolis südwestlich der Propyläen.
Der erste Tempel wurde nach dem Friedensschluß des Kallias mit den Persern der Athena Nike geweiht. 449/48 sollte ihr ein Tempel nach den Entwürfen des Kallikrates errichtet werden. Diese Pläne wurden erst nach dem Nikiasfrieden von 421 unter der Herrschaft des Perikles verwirklicht. Tempel der Athena Nike auf der Akropolis
Der hübsche, kleine Tempel in ionischem Stil besteht aus pentelischem Marmor. Die Reliefs auf dem Fries zeigen eine Versammlung der Götter mit Athena in der Mitte umrahmt von Zeus und Poseidon. Auf den Seiten sind Kämpfe zwischen Griechen und Barbaren dargestellt, wohl den Persern und ihren Verbündeten. Die große Anzahl der Niken auf der Balustrade soll durch ihre Quantität die Größe des Sieges verdeutlichen.
Die Osmanen hatten ihn in ein Pulvermagazin umgewandelt und später ganz abgebaut, um mit seinen Steinen die Verteidigungsanlagen zu verstärken. Nach der Befreiung Griechenlands wurde er 1836 wieder aufgebaut. Dies gilt als erste Anastilosis eines Gebäudes überhaupt.
Man liest oft, daß Nike zunächst ungeflügelt gewesen sei. Pausanias schreibt, daß die Athener sie ohne Flügel verehrt hätten, damit sie sicher bei ihnen bliebe. Aber der Tempel war nicht Nike, sondern der Athena geweiht, auch Athena aptera (die flügellose) genannt, und die Verehrung galt der Athena Nike! Roscher schreibt, daß Nike eine Emanation, eine Abspaltung der Athena gewesen sei. Mit Flügeln habe sie zuerst Aglaophon gemalt, um ihre Unbeständigkeit zu verdeutlichen, ihr schnelles Erscheinen und schnelles Verschwinden.
Nike ist die Personifikation des Sieges. Aber Nike verleiht nicht den Sieg, sondern sie überbringt nur die Nachricht vom Sieg, sie ist die Botin!
Als Siegesbotin kann sie beim Kampf zuschauen oder, den Sieg bereits vorwegnehmend, bei den Vorbereitungen anwesend sein. Das Errichten von Siegeszeichen dient ihrem dauernden Andenken. In der Anabasis des Xenophon und bei Aemilius Paulus bei seiner Schlacht gegen die Perser war das Feldgeschrei "Nike". Sie tritt zum siegreichen Wagenlenker auf den Wagen
Als Abstraktion aus den Bedürfnissen einer bereits hochentwickelten Kultur ist sie spät entstanden. Daß sie nicht eine schattenhafte Abstraktion geblieben ist, sondern eine volle göttliche Persönlichkeit, verdankt sie der bildenden Kunst (Roscher)!
Kunstgeschichte:
Ihr bedeutendstes Standbild ist wohl die Nike von Samothrake, die von rhodischen Bildhauern im frühen 2. Jh. v.Chr. geschaffen wurde. Dieser Höhepunkt der hellenistischen Bildhauerkunst zeigt überzeugend die Verbindung des festen Standes der Nike des Phidias mit der Flugbewegung der Nike des Paionios (Pauly). Nike von Samothrake (heute im Louvre)
Gefunden wurde sie 1863 vom französchen Vizekonsul, der sie zusammensetzte und nach Paris bringen ließ. Sie zeigt Nike bei der Landung auf dem Vorderteil eines Schiffes und feiert einen rhodischen Seesieg im römisch-syrischen Krieg, in dem die Rhodier auf römischer Seite standen.
Beeindruckend ist nicht allein ihre Haltung, sondern insbesondere die Textur ihrer Kleidung, die zeigt, wie der Wind dafür sorgt, daß sie sich fast durchsichtig dem Körper anschmiegt.
Die Nike von Samothrake ist ein Symbol des Sieges und des Triumphs, das in vielen Kulturen und Epochen bewundert wurde. Sie repräsentiert nicht nur militärische Erfolge, sondern auch die Kraft des Geistes und die Überwindung von Widerständen. Ihre Ausstrahlung geht weit über die antike griechische Kultur hinaus und inspiriert bis heute Menschen auf der ganzen Welt.
Münzen:
Münzen spielen bei der Wahrnehmung der Nike eine wesentliche Rolle. Sie erscheint auf den Kaisermünzen der meisten griechischen Städte, aber in keiner Stadt so bevorzugt wie in Nikopolis ad Istrum. Hier ist sie der Eponym der Stadt. Mit Sicherheit hat sie dort ein Standbild gehabt, wo sie sich auf eine Säule stützt, wie es oben die Münze von Caracalla zeigt.
Natürlich wird Nike abgebildet, wie sie auf einer Biga fährt. Damit entspricht sie einer republikanischen Darstellung der Victoria. Nikopolis, Caracalla, HrHJ (2023) 8.18.9.10
Von Macrinus gibt es eine Münze, bei der Nike neben dem Kaiser auf der Quadriga steht. Das Bild symbolisiert die Unterstützung, die der Kaiser von Nike erhält oder sich erwünscht
In Nikopolis gibt es eine Münze, die Nike mit einem Rad an ihrer Seite zeigt. Diese seltene Darstellung stellt sie in die Nähe von Tyche.
Auf vielen Münzen sieht man Nike in Zehenspitzengang laufen. Das ist nichts anderes als der Ausdruck für eine Art des Fliegens!
Neben Zeus Nikephoros und Athena Nikephoros, bei denen es Zeus und Athena sind, die den Sieg verleihen, gibt es Bilder von Caracalla und Geta als Nikephoros. Hier hat sich die Bedeutung dahin geändert, daß es jetzt der Kaiser ist, dem der Sieg zu verdanken ist! Nikopolis, Severus, HrHJ (2023) 8.14.34.3 (Caracalla)
Auf mehreren Münzen für Caracalla, Diadumenian und Elagabal hilft Nike dem Kaiser beim Aufbau eines Tropaions. Die nächste extrem seltene Münze (unique?) aus Nikopolis, auf der Nike neben einem Tropaion steht, habe ich ausgewählt, um zu zeigen, zu welch hoher Kunst die Stempelschneider in Nikopolis fähig waren. Nikopolis, Diadumenian, HrHJ (2023) 8.25.9.9
Anmerkung:
Anastilosis (Anastylose), von griech ανα (= wieder, zurück) und griech. στηλοω (= aufstellen, z.B. eine Stele), bezeichnet die teilweise Restauration eines antiken Gebäudes unter Verwendung seiner original erhaltenen Bauteile. Zusätzliche Teile dürfen nur verwendet
werden, wenn sie aus statischen Gründen notwendig sind. Wenn diese Teile äußerlich erkennbar sind, müssen sie sichtbar gekennzeichnet werden. Als erste Anastilosis gilt der 1836 auf der Akropolis wiederaufgerichtete Niketempel. Inzwischen ist diese Methode weltweit zum Standard geworden und in der Charta von Venedig 1964 sind ihre Kriterien international festgelegt worden (Wikipedia).
Quellen:
(1) Hesiod, Theogonie
(2) Apollodor, Bibliotheke
(3) Hyginus, Fabula
(4) Orphische Hymnen
(5) Bakchylides, Hymnen
(6) Pausanias, Reisen durch Griechenland
Literatur:
(1) Heinrich Wilhelm Roscher, Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie
(29 Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon (Bereits von Goethe benutzt!)
(3) Der kleine Pauly
(4) Gemoll, Griechish- Deutshes Schul- und Handwörterbuch
(5) Kaegi, Griechische Grammatik
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Re: Mythologisch interessante Münzen
Exkurs: Der Läufer von Marathon
Wenn man über Nike und berühmte griechische Siege spricht, gehört der Sieg der Griechen über die Perser 490 v. Chr. bei Marathon mit auf den ersten Platz. Jean-Pierre Cortot (1787-1843), Le Soldat de Marathona nnoncant la victoire, 1822, Louvre (wikiart)
Und jeder kennt wohl die berühmte Geschichte von Pheidippides, dem Läufer von Marathon. Der war die 42 km von Marathon nach Athen gelaufen, hatte noch νενικήκαμεν (wir haben gesiegt) gerufen und war dann tot zusammengebrochen
.
Tatsächlich hat es sich aber ganz anders abgespielt:
Herodot erzählt, daß der athenische Befehlshaber Miltiades einen Boten nach Sparta schickte, um es um Hilfe gegen das riesige Herr der Perser unter Xerxes zu ersuchen, das bei Marathon gelandet war. Dieser Läufer hieß Pheidippides und legte die 245km lange Strecke in 2 Tagen zurück. Die Spartaner aber lehnten sein Hilfegesuch ab, da sie gerade die Karneia feierten, ihr höchstes religiöses Fest, das jede Kampfhandlung verbot. So waren die Athener bei Marathon auf sich allein gestellt.
Es handelt sich also nur um eine Legende, die sich Herakleides Pontikos, der bereits in der Antike für seinen Erfindungsreichtum bekannt war, zusammengebastelt hatte und die von Plutarch und Lukian von Samosata (wo er Philippides hieß), also 500 Jahre nach dem eigentlichen Ereignis, verbreitet wurde. Roda Roda machte sich lustig darüber: „Daß dieser junge Mann in so viel Erregung, Gefahr und Sterbensnähe das Perfekt von νικαω, erste Person Pluralis, durch Reduplikation der Anfangssilben richtig konstruierte, ist eine der höchsten Leistungen menschlichen Geistes gewesen.“
Trotzdem machte sie der Baron von Coubertin 1896 zum Ausgangspunkt des modernen Marathonlaufs.
Quellen:
(1) Herodot, Historien
(2) Plutarch, Vom Ruhm der Athener
(3) Lukian, Über ein Versehen in der Begrüßung
(4) Alexander Roda Roda, Schwabylon
Wenn man über Nike und berühmte griechische Siege spricht, gehört der Sieg der Griechen über die Perser 490 v. Chr. bei Marathon mit auf den ersten Platz. Jean-Pierre Cortot (1787-1843), Le Soldat de Marathona nnoncant la victoire, 1822, Louvre (wikiart)
Und jeder kennt wohl die berühmte Geschichte von Pheidippides, dem Läufer von Marathon. Der war die 42 km von Marathon nach Athen gelaufen, hatte noch νενικήκαμεν (wir haben gesiegt) gerufen und war dann tot zusammengebrochen
.
Tatsächlich hat es sich aber ganz anders abgespielt:
Herodot erzählt, daß der athenische Befehlshaber Miltiades einen Boten nach Sparta schickte, um es um Hilfe gegen das riesige Herr der Perser unter Xerxes zu ersuchen, das bei Marathon gelandet war. Dieser Läufer hieß Pheidippides und legte die 245km lange Strecke in 2 Tagen zurück. Die Spartaner aber lehnten sein Hilfegesuch ab, da sie gerade die Karneia feierten, ihr höchstes religiöses Fest, das jede Kampfhandlung verbot. So waren die Athener bei Marathon auf sich allein gestellt.
Es handelt sich also nur um eine Legende, die sich Herakleides Pontikos, der bereits in der Antike für seinen Erfindungsreichtum bekannt war, zusammengebastelt hatte und die von Plutarch und Lukian von Samosata (wo er Philippides hieß), also 500 Jahre nach dem eigentlichen Ereignis, verbreitet wurde. Roda Roda machte sich lustig darüber: „Daß dieser junge Mann in so viel Erregung, Gefahr und Sterbensnähe das Perfekt von νικαω, erste Person Pluralis, durch Reduplikation der Anfangssilben richtig konstruierte, ist eine der höchsten Leistungen menschlichen Geistes gewesen.“
Trotzdem machte sie der Baron von Coubertin 1896 zum Ausgangspunkt des modernen Marathonlaufs.
Quellen:
(1) Herodot, Historien
(2) Plutarch, Vom Ruhm der Athener
(3) Lukian, Über ein Versehen in der Begrüßung
(4) Alexander Roda Roda, Schwabylon
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Re: Mythologisch interessante Münzen
Herzlichen Dank!
Die römische Victoria
Wie nicht anders zu erwarten, folgt dem Artikel über die griechische Nike ein Artikel über die römische Victoria. Natürlich ist Victoria als Siegesgöttin eng verwandt mit Nike. Deshalb will ich hier versuchen insbesondere ihre Unterschiede herausstellen.
Münze:
Trajan, 98-117
AR - Denar, 3.27g, 18.0mm, 180°
Rom, großteils 102, 1.Dakerkrieg
Av.: IMP CAES NERVA TRAIAN AVG GERM
belorbeerte Büste n. r.
Rv.: P M TR P COS IIII PP
Victoria schreibt auf Schild, der auf eine Säule gestellt ist, ihr li. Fuß steht auf einem Helm
Ref.: RIC II, 65 (schreibt Basis); C. 247 (schreibt Cippus); BMC 112 (schreibt Altar); Woytek 126a (35 Ex.); Strack 52 Zur Münze:
Eine ähnliche Victoria findet sich auf der 112 aufgestellten Trajanssäule. Diese Victoria trennt die Szenen des 1. Dakerkrieges von den Szenen des 2. Dakerkrieges.
Etymologie:
Victoria, von vincere (lat. siegen), ist das Verbalabstraktum eines Femininums eines Adjektivs victorius, abgeleitet von victor mit der Bedeutung "Kraft des Sieges".
Da Victoria keine "Eigenschaftsgottheit", die zum Sieg verhilft, sondern die Personifikation des "errungenen Sieges" ist, gehört sie mit Fides, Honos, Salus u. a. zur Gruppe der Kulte von Wertbegriffen, die zwischen dem 4. und 3. Jh. in Rom entstanden. Varro bezeichnete die sabinische Vacuna als Victoria. Da sie aber völlig andere Riten hatte, muß das abgelehnt werden. Entstanden ist sie unter griechischem Einfluß. Nike war eine Lieblingsgöttin des Hellenismus.
Wie so oft in der römischen Religion dieser Zeit steht auch am Anfang des Victoriakultes eine Tempelstiftung. 294 v. Chr. errichtete der Konsul L. Postumus Megellus während des Samnitenkrieges auf dem Palatin einen Victoria-Tempe am sog. clivus Victoriae (Livius).
Gegen Endes des 3. Jahrhunderts tauchte auf Münzen auch der Typ der Victoria auf, die ein Tropaion bekränzt (sog. victoriatus, griech. tropaikon), nach Mommsen zur Feier des Sieges über Königin Teuta von Illyrien. Im Prinzip war es eine Drachme zum Verkehr mit den Griechen in Süditalien, die den Denar nicht kannten. Als die Römer nach Süditalien vordrangen, wurde ihre Prägung um 170 v. Chr. eingestellt. Victoriatus, anonym, Crawford 44/1
198 v. Chr. weihte Cato Censorinus eine Aedicula der Victoria Virgo (Livius), die durch ihren Beinamen den griechischen Ursprung verrät. Mommsen hat sie auf Münzen des M. Porcius Cato, Vater des Uticensis, wie-dererkannt. Ihr hieratisches (strenges) Thronen ist allerdings ohne Parallele in der griechischen Nike-Verehrung M. Porcius Cato Salonianus, Crawford 343/1b
Im Bürgerkrieg bekam der Victoriakult mächtigen Aufschwung, insbesondere durch Sulla. Die Soldaten fühlten sich jetzt mehr ihren Armeeführern verpflichtet als der Republik. Die ersten. die Victoria für sich selbst adoptierten, waren Marius und Sulla und Sulla war der erste, der sich 81 auf einer Münze abbilden ließ, auf einem Triumphwagen mit einer Victoria, die ihm einen Kranz reicht. L. Manlius Torquatus, L. Cornelius Sulla, Cr. 367/5
Er nutzte die religiöse Victoria-Symbolik innenpolitisch als Propaganda gegen seinen Gegner Marius. 82 stiftete er die ludi Victoriae Sullanae, zur Feier seines Sieges über die Marianer.
Bereits vorher hatte Bocchus, König von Mauretanien, zur Gefangennahme von Jugurtha durch Sulla eine trophäentragende Victoria auf dem
Kapitol geweiht.
An die Victoria des Sulla knüpfte Caesar an. Er identifizierte sie mit der Venus victrix, der Stammutter seiner Familie, und der Senat erhob ihn nach der Schlacht von Munda zum deus invictus. 45 stiftete er die ludi Victoriae Caesaris.
29 v. Chr. stellte Augustus nach seinem Sieg bei Actium in der Curia Iulia eine vergoldete Victoriastatue auf, der alle Senatoren beim Betreten ein Rauchopfer bringen mußten. Sie stammte aus Tarent aus der Beute beim Sieg 227 v. Chr. über König Pyrrhos aus Epiros. Sie wird später noch eine große Rolle spielen. Augustus, RIC 254b (Bild der Victoria in der Curia)
Der Victoriakult wurde in den Kaiserkult integriert, vornehmlich zu kriegerischen Erfolgen. Unter Augustus wurde die Victoria bereits als Victoria Augusta mit dem Kaiser persönlich verknüpft, zunächst aber nur außerhalb Roms, wo ihr mehrere Tempel geweiht wurden. Bereits am Ende der Republik war Victoria unter die di militares der Legionen aufgenommen. Siegreiche Legionen konnten eine Sondervictoria bekommen, und dann wurde es üblich, Victoria bestimmten Siegen zu weihen: Victoria Armeniaca, Parthica, Britannica, Germanica, Sarmatica usw., endlos, was zeigt, wie abgegriffen diese Vorstellung bereits war (Roscher).
Im späten Reich unter den Constantinssöhnen wurde Victoria noch zur Lenkerin des Staatsschiffs erhoben! Constans, RIC (Aquileia) 117
Der Streit um den Victoria-Altar:
Am Ende der Antike gab es noch einen heftigen Streit, bei dem es vordergründig um die Victoria in der Curia Iulia ging. Tatsächlich aber war es ein letzter Höhepunkt in der geistigen Auseinandersetzung zwischen den Anhängern des römischen Staatskults und den Vertretern des Christentums. Für die christliche Gemeinschaft stand die Victoria für das Heidnische an sich. Bereits Constantius II. hatte sie 357 entfernen lassen, weil “ihr Anblick ihn beflecke”, wie Ambrosius in seinen Briefen schreibt. Julian II. ließ sie selbstverständlich wieder aufstellen und Gratian sie wieder entfernen. Die Hauptgegner im sog. Streit um den Victoria-Altar waren Ambrosius, der Bischof von Mailand, und Symmachus, der Stadtpräfekt von Rom. 384 beschwor Symmachus Valentian II. mit der rhetorischen Frage; “Wer wäre den Barbaren so freundlich gesinnt, daß er die Wiedererrichtung des Victoria-Altars nicht wünschte?”. Damit spielte er auf die vernichtenden Niederlagen des Reiches an, die er der Abkehr von den alten Göttern zuschrieb. Dieses Argument konnte Ambrosius mit Hinweisen auf militärische Katastrophen auch unter den alten Göttern entkräften. 392 kehrte der Altar noch einmal zurück, wurde dann aber 394 von Theodosius II. endgültig verboten. Das Christentum wurde zur Staatsreligion erklärt. Philosophisch wurde der Streit beendet durch Augustinus von Hippo, der in seinem De civitate dei zeigte, daß das Reich Gottes sich nicht in einem irdischen Staat manifestiert, sondern im Glauben und den Taten der Gläubigen. Unabhängig davon trat Victoria immer noch auf Münzen auf, ein Beweis dafür, daß es überwiegend um den Standort in der Curia ging!
Und endlich hat Victoria die Antike überlebt, als das Christentum sie zum Vorbild für ihre Engel machte!
Quellen:
(1) Livius, Ab urbe condita
(2) Cicero, Ad Atticum
(3) Cassius Dio, Römisxhe Gesxhichte
(4) Sueton, Kaiserbiographien
(5 Ambrosius, Epistulae
Literatur:
(1) Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon
(2) Wilhelm Heinrich Roscher, Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie
(3) Der Kleine Pauly
(4) Richard Klein, Der Streit um den Victoriaaltar, 1972
(5) Mattingly, Roman Imperial Coins(RIC)
Online-Quellen:
(1) Wikipedia
(2) Wikimedia
Liebe Grüße
Jochen
Die römische Victoria
Wie nicht anders zu erwarten, folgt dem Artikel über die griechische Nike ein Artikel über die römische Victoria. Natürlich ist Victoria als Siegesgöttin eng verwandt mit Nike. Deshalb will ich hier versuchen insbesondere ihre Unterschiede herausstellen.
Münze:
Trajan, 98-117
AR - Denar, 3.27g, 18.0mm, 180°
Rom, großteils 102, 1.Dakerkrieg
Av.: IMP CAES NERVA TRAIAN AVG GERM
belorbeerte Büste n. r.
Rv.: P M TR P COS IIII PP
Victoria schreibt auf Schild, der auf eine Säule gestellt ist, ihr li. Fuß steht auf einem Helm
Ref.: RIC II, 65 (schreibt Basis); C. 247 (schreibt Cippus); BMC 112 (schreibt Altar); Woytek 126a (35 Ex.); Strack 52 Zur Münze:
Eine ähnliche Victoria findet sich auf der 112 aufgestellten Trajanssäule. Diese Victoria trennt die Szenen des 1. Dakerkrieges von den Szenen des 2. Dakerkrieges.
Etymologie:
Victoria, von vincere (lat. siegen), ist das Verbalabstraktum eines Femininums eines Adjektivs victorius, abgeleitet von victor mit der Bedeutung "Kraft des Sieges".
Da Victoria keine "Eigenschaftsgottheit", die zum Sieg verhilft, sondern die Personifikation des "errungenen Sieges" ist, gehört sie mit Fides, Honos, Salus u. a. zur Gruppe der Kulte von Wertbegriffen, die zwischen dem 4. und 3. Jh. in Rom entstanden. Varro bezeichnete die sabinische Vacuna als Victoria. Da sie aber völlig andere Riten hatte, muß das abgelehnt werden. Entstanden ist sie unter griechischem Einfluß. Nike war eine Lieblingsgöttin des Hellenismus.
Wie so oft in der römischen Religion dieser Zeit steht auch am Anfang des Victoriakultes eine Tempelstiftung. 294 v. Chr. errichtete der Konsul L. Postumus Megellus während des Samnitenkrieges auf dem Palatin einen Victoria-Tempe am sog. clivus Victoriae (Livius).
Gegen Endes des 3. Jahrhunderts tauchte auf Münzen auch der Typ der Victoria auf, die ein Tropaion bekränzt (sog. victoriatus, griech. tropaikon), nach Mommsen zur Feier des Sieges über Königin Teuta von Illyrien. Im Prinzip war es eine Drachme zum Verkehr mit den Griechen in Süditalien, die den Denar nicht kannten. Als die Römer nach Süditalien vordrangen, wurde ihre Prägung um 170 v. Chr. eingestellt. Victoriatus, anonym, Crawford 44/1
198 v. Chr. weihte Cato Censorinus eine Aedicula der Victoria Virgo (Livius), die durch ihren Beinamen den griechischen Ursprung verrät. Mommsen hat sie auf Münzen des M. Porcius Cato, Vater des Uticensis, wie-dererkannt. Ihr hieratisches (strenges) Thronen ist allerdings ohne Parallele in der griechischen Nike-Verehrung M. Porcius Cato Salonianus, Crawford 343/1b
Im Bürgerkrieg bekam der Victoriakult mächtigen Aufschwung, insbesondere durch Sulla. Die Soldaten fühlten sich jetzt mehr ihren Armeeführern verpflichtet als der Republik. Die ersten. die Victoria für sich selbst adoptierten, waren Marius und Sulla und Sulla war der erste, der sich 81 auf einer Münze abbilden ließ, auf einem Triumphwagen mit einer Victoria, die ihm einen Kranz reicht. L. Manlius Torquatus, L. Cornelius Sulla, Cr. 367/5
Er nutzte die religiöse Victoria-Symbolik innenpolitisch als Propaganda gegen seinen Gegner Marius. 82 stiftete er die ludi Victoriae Sullanae, zur Feier seines Sieges über die Marianer.
Bereits vorher hatte Bocchus, König von Mauretanien, zur Gefangennahme von Jugurtha durch Sulla eine trophäentragende Victoria auf dem
Kapitol geweiht.
An die Victoria des Sulla knüpfte Caesar an. Er identifizierte sie mit der Venus victrix, der Stammutter seiner Familie, und der Senat erhob ihn nach der Schlacht von Munda zum deus invictus. 45 stiftete er die ludi Victoriae Caesaris.
29 v. Chr. stellte Augustus nach seinem Sieg bei Actium in der Curia Iulia eine vergoldete Victoriastatue auf, der alle Senatoren beim Betreten ein Rauchopfer bringen mußten. Sie stammte aus Tarent aus der Beute beim Sieg 227 v. Chr. über König Pyrrhos aus Epiros. Sie wird später noch eine große Rolle spielen. Augustus, RIC 254b (Bild der Victoria in der Curia)
Der Victoriakult wurde in den Kaiserkult integriert, vornehmlich zu kriegerischen Erfolgen. Unter Augustus wurde die Victoria bereits als Victoria Augusta mit dem Kaiser persönlich verknüpft, zunächst aber nur außerhalb Roms, wo ihr mehrere Tempel geweiht wurden. Bereits am Ende der Republik war Victoria unter die di militares der Legionen aufgenommen. Siegreiche Legionen konnten eine Sondervictoria bekommen, und dann wurde es üblich, Victoria bestimmten Siegen zu weihen: Victoria Armeniaca, Parthica, Britannica, Germanica, Sarmatica usw., endlos, was zeigt, wie abgegriffen diese Vorstellung bereits war (Roscher).
Im späten Reich unter den Constantinssöhnen wurde Victoria noch zur Lenkerin des Staatsschiffs erhoben! Constans, RIC (Aquileia) 117
Der Streit um den Victoria-Altar:
Am Ende der Antike gab es noch einen heftigen Streit, bei dem es vordergründig um die Victoria in der Curia Iulia ging. Tatsächlich aber war es ein letzter Höhepunkt in der geistigen Auseinandersetzung zwischen den Anhängern des römischen Staatskults und den Vertretern des Christentums. Für die christliche Gemeinschaft stand die Victoria für das Heidnische an sich. Bereits Constantius II. hatte sie 357 entfernen lassen, weil “ihr Anblick ihn beflecke”, wie Ambrosius in seinen Briefen schreibt. Julian II. ließ sie selbstverständlich wieder aufstellen und Gratian sie wieder entfernen. Die Hauptgegner im sog. Streit um den Victoria-Altar waren Ambrosius, der Bischof von Mailand, und Symmachus, der Stadtpräfekt von Rom. 384 beschwor Symmachus Valentian II. mit der rhetorischen Frage; “Wer wäre den Barbaren so freundlich gesinnt, daß er die Wiedererrichtung des Victoria-Altars nicht wünschte?”. Damit spielte er auf die vernichtenden Niederlagen des Reiches an, die er der Abkehr von den alten Göttern zuschrieb. Dieses Argument konnte Ambrosius mit Hinweisen auf militärische Katastrophen auch unter den alten Göttern entkräften. 392 kehrte der Altar noch einmal zurück, wurde dann aber 394 von Theodosius II. endgültig verboten. Das Christentum wurde zur Staatsreligion erklärt. Philosophisch wurde der Streit beendet durch Augustinus von Hippo, der in seinem De civitate dei zeigte, daß das Reich Gottes sich nicht in einem irdischen Staat manifestiert, sondern im Glauben und den Taten der Gläubigen. Unabhängig davon trat Victoria immer noch auf Münzen auf, ein Beweis dafür, daß es überwiegend um den Standort in der Curia ging!
Und endlich hat Victoria die Antike überlebt, als das Christentum sie zum Vorbild für ihre Engel machte!
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(1) Livius, Ab urbe condita
(2) Cicero, Ad Atticum
(3) Cassius Dio, Römisxhe Gesxhichte
(4) Sueton, Kaiserbiographien
(5 Ambrosius, Epistulae
Literatur:
(1) Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon
(2) Wilhelm Heinrich Roscher, Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie
(3) Der Kleine Pauly
(4) Richard Klein, Der Streit um den Victoriaaltar, 1972
(5) Mattingly, Roman Imperial Coins(RIC)
Online-Quellen:
(1) Wikipedia
(2) Wikimedia
Liebe Grüße
Jochen
Omnes vulnerant, ultima necat.
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Re: Mythologisch interessante Münzen
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Re: Mythologisch interessante Münzen
Das klingt jetzt so, als ob Frankreich da nur einen einzigen gehabt hätte

Was wir heute im Louvre sehen ist aber schon hochgradig rekonstruiert, beispielsweise ist der rechte Flügel komplett neu. Wie die Nike im Louvre damals ausgestellt wurde, sieht man hier: https://digi.ub.uni-heidelberg.de/digli ... image,info
(den linken Flügel hatte man zwar weitgehend vollständig, wusste aber wohl nicht recht, wie man ihn anbringen sollte).
Das ist nur eine der zahlreichen Erklärungen, die da im Umlauf sind, die ist keineswegs sicher. Seeschlachten stehen nämlich in dieser Zeit eine ganze Reihe zur Auswahl


Einer der letzten Artikel, die das diskutieren, ist Olga Palagia, "The Nike of Samothrace", in M. Lagogianni-Georgakarakos (Hrsg.), "Known and Unknown Nikai", Athen 2021: https://www.academia.edu/67009686/The_N ... Samothrace , da werden die verschiedenen Theorien dargelegt.
Erwähnen sollte man vielleicht auch, dass sie beispielsweise bereits im frühen fünften Jahrhundert v. Chr. auf Tetradrachmen aus Syrakus und später auch ganz prominent als Rückseitenmotiv der Statere von Alexander III erscheint. Also in Zeiten, in denen man in Rom vielleicht noch gar nicht wusste, was eine Münze ist

---
Da wurden jetzt verschiedene Aspekte dieser Skulptur miteinander vermischt

Jean-Pierre Cortot hat für den Pariser Salon 1822 ein Gipsmodell mit diesem Motiv erstellt: https://fr.wikipedia.org/wiki/Salon_parisien_de_1822 (ganz unten auf der Seite die Nummer 1385). Dieser Gips gehört heute zur Sammlung des Musée Municipal de Semur-en-Auxois (keine Ahnung, wie das in solch ein Provinzstädtchen kommt

Da dieser Entwurf sehr gut ankam, gab der Staat an Cortot den Auftrag, eine Marmorversion zu erstellen. Diese wurde 1834 dann im Jardin des Tuileries aufgestellt und kam schließlich 1877 in den Louvre, in dem sie heute noch zu bewundern ist: https://collections.louvre.fr/ark:/53355/cl010091260
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurden dann von der Gießerei Barbedienne undatierte Repliken in verkleinertem Maßstab aus Bronze hergestellt, eine solche zeigt das Bild, das Jochen hier ausgewählt hat.
Der Louvre besitzt ebenfalls einen solchen Nachguss: https://collections.louvre.fr/ark:/53355/cl010092952 , und wenn man ein paar Tausender bereit ist auszugeben, dann kann man sich hin und wieder auch ein solches Teil im Kunsthandel zulegen

(Ist jetzt vielleicht ein bisschen viel zu einer bloßen Illustration, aber ich fand das interessant, dem nachzugehen.)
Gruß
Altamura
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Re: Mythologisch interessante Münzen
Apollo und der Rabe
Apollo hat viele bekannte Attribute: die Lyra, den Lorbeerzweig, Bogen und Pfeile. Weniger bekannt ist, daß auch der Rabe zu seinen Attributen gehört.
Auf Münzen findet er sich nicht so häufig. Manchmal wird Apollo Smintheus mit einem Raben abgebildet. Hier ist eine Münze aus meiner Sammlung.
Die Münze:
Troas, Alexandreia, Severus Alexander, 222-235
AE 25, 4.22g, 24.66mm
Av.: IMP SEV AL - EXANDER
Büste, drapiert und cürassiert, belorbeert, n.r.
Rv.: TRO - AC AV COΛ
Apollo Smintheus gebeugt n.l. stehend, re. Fuß auf einem Piedestal, li. Arm an der Hüfte, re. Arm auf das re. Knie gestützt, hält in der re. Hand Lorbeerzweig; li. vor ihm Rabe n. l. stehend und zu ihm aufblickend
Ref.: Bellinger A334; BMC 121; RPC VI, 3976 var.
sehr selten, fast SS Zur Münze:
Die Legende ist sehr nachlässig geschnitten: C für S, Λ für L. Diese Type gibt es mit und ohne Raben. Bellinger unterscheidet sie nicht, sondern subsumiert sie beide unter der Type 22. Aber diese Ignoranz gegenüber Details ist von ihm bekannt.
Mythologie:
Der Rabe (griech. korax), als mantischer Vogel der Liebling des Apollo, war ursprünglich weiß und seine Federn glänzten wie Silber. Seine Verwandlung in den schwarzen Vogel, den wir kennen, entstammt dem großen Koronis-Mythos um die Geburt des Asklepios. Apollo und sein Rabe, attische, weißgrundige Kylix, Pistoxenos-Maler, ca. 460 v.Chr., Museum von Delphi.
Nach Pausanias war Koronis die Tochter des Phlegyas und die Mutter des Asklepios. Pindar erzählt (nach Hesiod), daß Koronis die Tochter des thessalischen Lapithenkönigs Phlegyas gewesen war und in der Ebene von Dotion am Boibeisee am Fuß des Pelion gewohnt habe. Sie war die Geliebte des Apollon, von dem sie schwanger war. Als Apollon wieder einmal nach Delphi ging, gab er seinem Raben den Auftrag, auf Koronis aufzupassen. Trotzdem gab sie sich im Hause ihres Vaters heimlich einem Gastfreund aus Arkadien, Ischys, dem Sohn des Elatos, hin. Nach Ovid hatte sie sich dem Ischys ergeben, weil sie befürchtete, später von Apollon verlassen zu werden.
Während Pindar berichtet, daß Apollon von ihrer Schuld durch seinen all-erforschenden Sinn erfuhr, erzählt bereits Hesiod, daß es der Rabe war, der dem Apollon heilige Vogel, der ihm diese Nachricht überbrachte. Der Gott machte ihm Vorwürfe, daß er der Treulosen nicht die Augen ausgehackt habe, und gab in seinem Zorn seiner Schwester, der Artemis, den Auftrag, Koronis zu erschießen, und die durchbohrte sie mit mehreren Pfeilen, wobei auch eine Menge anderer Frauen starben. Pherekydes schreibt, daß er zusätzlich noch eine Pest geschickt habe.
Ihren Tod bereute Apollon sofort wieder und er versuchte mit all seiner Kunst, Koronis wiederzubeleben, was aber mißlang. Ovid schreibt: Er haßte sich selbst, daß er auf den Raben gehört hatte, haßte den Raben, der ihm die Schuld überbrachte, und raubte daraufhin dem Raben wegen seiner Geschwätzigkeit die Stimme und verwandelte ihn von einem weißen in einen kohlschwarzen Vogel. Seitdem sind alle Raben schwarz, wie wir sie kennen, und können nur noch krächzen.
Als die Leiche der Koronis schon auf dem Scheiterhaufen lag, eilte Apollon (nach Pausanias war es Hermes) hinzu und entriß sein Kind aus dem sich vor ihm teilenden Feuer und brachte es dem weisen Kentauren Cheiron zur Erziehung auf den Pelion. Seitdem trägt Asklepios den Beinamen Koroneides (Sohn der Koronis). Diese Geschichte von der Geburt des Asklepios erinnert uns stark an die Geburt des Dionysos aus der Semele.
Nach Ovid tötete Apollo selbst die Koronis, nach Pherekydes und Hyginus tötete er auch den Ischys, oder dieser wurde von Zeus mit einem Blitz erschlagen.
Als Wohnort der Koronis gibt Pindar die Stadt Lakereia am Boibeisee an, ein Name der wie auch Koronis auf geschwätzige Krähen (griech. κορωνη) hinweist, also Krähenstadt bedeutet. Die Krähe aber war nicht nur ein Symbol der Geschwätzigkeit, sondern durch ihr langes Leben auch ein Symbol der Gesundheit (Roscher).
Die epidaurische Sage legte die Geburt des Asklepios in die Nähe von Epidauros, wo er ein bedeutendes Heiligtum besaß und hoch verehrt wurde. Pausanias berichtet, daß Koronis ihren Vater Phlegyas auf einen Raubzug auf die Peloponnes begleitete, wo sie ihr Kind in der Nähe von Epidauros heimlich geboren und dann ausgesetzt habe. Es gab noch eine Reihe anderer Städte, die den Ort der Geburt des Asklepios für sich beanspruchten.
Koronis aber bekam nach ihrem Tod Anteil an der göttlichen Verehrung ihres Sohnes: In Titane in Sikyonia, wo auch ein Asklepieion war, befand sich eine Bildsäule der Koronis, die, wenn dem Asklepios geopfert wurde, in den Tempel der Athena getragen und dort verehrt wurde (Pausanias). Schwarzfigure Vasenmalerei auf einer Pontischen Amphora, zugeschrieben dem Tityos-Maler, spätes 6. Jh. v.Chr., Paris, Cabinet des Medailles (Zeichnung nach Scarrone, 2011). Zwei Dämonen führen Koronis und Ischys zur Bestrafung durch Apollo und Artemis. Pontische Vasen sind ein Unterstil der etruskischen Vasenmalerei. Dieses archaische Bild beweist das Alter der Koronis-Mythe.
Geschichte:
Bei Homer kommt der Rabe (griech. κοραξ) nur einmal in der Odyssee vor. Später spielte er als Wetterprophet (Aristoteles, Lucrez, Vergil), als Zukunftsweiser (Aesop, Horaz, Cicero) und Prodigienvogel (Livius, Plinius) eine wichtige Rolle, insbesondere bei den Römern (Pauly). Über seine Klugheit und seine Hilfeleistungen gibt es zahlreiche Anekdoten.
Seit der Mythe von Koronis und der Geburt des Asklepios ist der Rabe ein Symbol für den Zorn des Apollon. Der arme Rabe war ein frühes Beispiel dafür, daß der Bote für seine Nachricht bestraft wird. Dies scheint überhaupt der Ursprung der Metapher zu sein, daß der Überbringer schlechter Nachrichten bestraft wird. Es ist daher kein Zufall, daß ein Buch über Julian Assange den Titel "Don't kill the messenger!" trägt.
Es gibt noch eine weitere Mythe. In der wird erkärt, wie der Rabe als Sternbild an den Himmel gekommen ist. In seinen Fasti im Kapitel zum 14. März (fast. II, 243-266) erzählt Ovid folgendes:
Einst bereitete Apollo ein feierliches Fest für Zeus vor. Er gab dem Raben den Auftrag, ihm Wasser aus einer frischen Quelle zu holen und sich zu eilen, damit nichts die Feier verzögere. Der Rabe griff sich einen vergoldeten Becher und flog los. Da kam er an einem Feigenbaum vorbei, der voller Früchte war, die ihn verlockten. Aber sie waren unreif und zum Pflücken noch nicht geeignet. Der Rabe setzte sich unter den Baum und wartete, bis sie reif waren. Dann aß er sich satt, schnappte sich eine Wasserschlange und flog zu seinem Herrn zurück. "Diese Schlange ist schuld an meiner Verspätung. Sie versperrte die Quelle und hinderte mich an meiner Pflicht." Apollo aber durchschaute ihn: "Du wagst es, den Gott der Weissagungen mit deinen Lügen zu betrügen? Nie mehr sollst du kühles Wasser trinken, bevor die Feigen am Baum saftig sind!" Und zum Gedenken an diese alte Begebenheit findet man nun die Sternbilder des Rabens, des Bechers und der Schlange nebeneinander am nächtlichen Südhimmel. Sternbild des Rabens, des Bechers und der Wasserschlange, pl. 32, Urania's Mirror, Jehoshaphat Aspin, London 1825 (Wikipedia)
Quellen:
(1) Pindar, Pythische Oden
(2) Hyginus, Fabulae
(3) Ovid, Metamorphosen
(4) Ovid, Fasti
(5) Pausanias, Reisen durch Griechenland
(6) Aesop, Fabeln
Literatur:
(1) Wilhelm Heinrich Roscher, Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie
(2) Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon
(3) Der Kleine Pauly
(4) Gerhard Fischer, Sternbilder und ihre Mythen
Online-Quellen:
(1) Wikipedia
(2) wikimedia
(3) theoi.com
Freundliche Grüße
Jochen
Apollo hat viele bekannte Attribute: die Lyra, den Lorbeerzweig, Bogen und Pfeile. Weniger bekannt ist, daß auch der Rabe zu seinen Attributen gehört.
Auf Münzen findet er sich nicht so häufig. Manchmal wird Apollo Smintheus mit einem Raben abgebildet. Hier ist eine Münze aus meiner Sammlung.
Die Münze:
Troas, Alexandreia, Severus Alexander, 222-235
AE 25, 4.22g, 24.66mm
Av.: IMP SEV AL - EXANDER
Büste, drapiert und cürassiert, belorbeert, n.r.
Rv.: TRO - AC AV COΛ
Apollo Smintheus gebeugt n.l. stehend, re. Fuß auf einem Piedestal, li. Arm an der Hüfte, re. Arm auf das re. Knie gestützt, hält in der re. Hand Lorbeerzweig; li. vor ihm Rabe n. l. stehend und zu ihm aufblickend
Ref.: Bellinger A334; BMC 121; RPC VI, 3976 var.
sehr selten, fast SS Zur Münze:
Die Legende ist sehr nachlässig geschnitten: C für S, Λ für L. Diese Type gibt es mit und ohne Raben. Bellinger unterscheidet sie nicht, sondern subsumiert sie beide unter der Type 22. Aber diese Ignoranz gegenüber Details ist von ihm bekannt.
Mythologie:
Der Rabe (griech. korax), als mantischer Vogel der Liebling des Apollo, war ursprünglich weiß und seine Federn glänzten wie Silber. Seine Verwandlung in den schwarzen Vogel, den wir kennen, entstammt dem großen Koronis-Mythos um die Geburt des Asklepios. Apollo und sein Rabe, attische, weißgrundige Kylix, Pistoxenos-Maler, ca. 460 v.Chr., Museum von Delphi.
Nach Pausanias war Koronis die Tochter des Phlegyas und die Mutter des Asklepios. Pindar erzählt (nach Hesiod), daß Koronis die Tochter des thessalischen Lapithenkönigs Phlegyas gewesen war und in der Ebene von Dotion am Boibeisee am Fuß des Pelion gewohnt habe. Sie war die Geliebte des Apollon, von dem sie schwanger war. Als Apollon wieder einmal nach Delphi ging, gab er seinem Raben den Auftrag, auf Koronis aufzupassen. Trotzdem gab sie sich im Hause ihres Vaters heimlich einem Gastfreund aus Arkadien, Ischys, dem Sohn des Elatos, hin. Nach Ovid hatte sie sich dem Ischys ergeben, weil sie befürchtete, später von Apollon verlassen zu werden.
Während Pindar berichtet, daß Apollon von ihrer Schuld durch seinen all-erforschenden Sinn erfuhr, erzählt bereits Hesiod, daß es der Rabe war, der dem Apollon heilige Vogel, der ihm diese Nachricht überbrachte. Der Gott machte ihm Vorwürfe, daß er der Treulosen nicht die Augen ausgehackt habe, und gab in seinem Zorn seiner Schwester, der Artemis, den Auftrag, Koronis zu erschießen, und die durchbohrte sie mit mehreren Pfeilen, wobei auch eine Menge anderer Frauen starben. Pherekydes schreibt, daß er zusätzlich noch eine Pest geschickt habe.
Ihren Tod bereute Apollon sofort wieder und er versuchte mit all seiner Kunst, Koronis wiederzubeleben, was aber mißlang. Ovid schreibt: Er haßte sich selbst, daß er auf den Raben gehört hatte, haßte den Raben, der ihm die Schuld überbrachte, und raubte daraufhin dem Raben wegen seiner Geschwätzigkeit die Stimme und verwandelte ihn von einem weißen in einen kohlschwarzen Vogel. Seitdem sind alle Raben schwarz, wie wir sie kennen, und können nur noch krächzen.
Als die Leiche der Koronis schon auf dem Scheiterhaufen lag, eilte Apollon (nach Pausanias war es Hermes) hinzu und entriß sein Kind aus dem sich vor ihm teilenden Feuer und brachte es dem weisen Kentauren Cheiron zur Erziehung auf den Pelion. Seitdem trägt Asklepios den Beinamen Koroneides (Sohn der Koronis). Diese Geschichte von der Geburt des Asklepios erinnert uns stark an die Geburt des Dionysos aus der Semele.
Nach Ovid tötete Apollo selbst die Koronis, nach Pherekydes und Hyginus tötete er auch den Ischys, oder dieser wurde von Zeus mit einem Blitz erschlagen.
Als Wohnort der Koronis gibt Pindar die Stadt Lakereia am Boibeisee an, ein Name der wie auch Koronis auf geschwätzige Krähen (griech. κορωνη) hinweist, also Krähenstadt bedeutet. Die Krähe aber war nicht nur ein Symbol der Geschwätzigkeit, sondern durch ihr langes Leben auch ein Symbol der Gesundheit (Roscher).
Die epidaurische Sage legte die Geburt des Asklepios in die Nähe von Epidauros, wo er ein bedeutendes Heiligtum besaß und hoch verehrt wurde. Pausanias berichtet, daß Koronis ihren Vater Phlegyas auf einen Raubzug auf die Peloponnes begleitete, wo sie ihr Kind in der Nähe von Epidauros heimlich geboren und dann ausgesetzt habe. Es gab noch eine Reihe anderer Städte, die den Ort der Geburt des Asklepios für sich beanspruchten.
Koronis aber bekam nach ihrem Tod Anteil an der göttlichen Verehrung ihres Sohnes: In Titane in Sikyonia, wo auch ein Asklepieion war, befand sich eine Bildsäule der Koronis, die, wenn dem Asklepios geopfert wurde, in den Tempel der Athena getragen und dort verehrt wurde (Pausanias). Schwarzfigure Vasenmalerei auf einer Pontischen Amphora, zugeschrieben dem Tityos-Maler, spätes 6. Jh. v.Chr., Paris, Cabinet des Medailles (Zeichnung nach Scarrone, 2011). Zwei Dämonen führen Koronis und Ischys zur Bestrafung durch Apollo und Artemis. Pontische Vasen sind ein Unterstil der etruskischen Vasenmalerei. Dieses archaische Bild beweist das Alter der Koronis-Mythe.
Geschichte:
Bei Homer kommt der Rabe (griech. κοραξ) nur einmal in der Odyssee vor. Später spielte er als Wetterprophet (Aristoteles, Lucrez, Vergil), als Zukunftsweiser (Aesop, Horaz, Cicero) und Prodigienvogel (Livius, Plinius) eine wichtige Rolle, insbesondere bei den Römern (Pauly). Über seine Klugheit und seine Hilfeleistungen gibt es zahlreiche Anekdoten.
Seit der Mythe von Koronis und der Geburt des Asklepios ist der Rabe ein Symbol für den Zorn des Apollon. Der arme Rabe war ein frühes Beispiel dafür, daß der Bote für seine Nachricht bestraft wird. Dies scheint überhaupt der Ursprung der Metapher zu sein, daß der Überbringer schlechter Nachrichten bestraft wird. Es ist daher kein Zufall, daß ein Buch über Julian Assange den Titel "Don't kill the messenger!" trägt.
Es gibt noch eine weitere Mythe. In der wird erkärt, wie der Rabe als Sternbild an den Himmel gekommen ist. In seinen Fasti im Kapitel zum 14. März (fast. II, 243-266) erzählt Ovid folgendes:
Einst bereitete Apollo ein feierliches Fest für Zeus vor. Er gab dem Raben den Auftrag, ihm Wasser aus einer frischen Quelle zu holen und sich zu eilen, damit nichts die Feier verzögere. Der Rabe griff sich einen vergoldeten Becher und flog los. Da kam er an einem Feigenbaum vorbei, der voller Früchte war, die ihn verlockten. Aber sie waren unreif und zum Pflücken noch nicht geeignet. Der Rabe setzte sich unter den Baum und wartete, bis sie reif waren. Dann aß er sich satt, schnappte sich eine Wasserschlange und flog zu seinem Herrn zurück. "Diese Schlange ist schuld an meiner Verspätung. Sie versperrte die Quelle und hinderte mich an meiner Pflicht." Apollo aber durchschaute ihn: "Du wagst es, den Gott der Weissagungen mit deinen Lügen zu betrügen? Nie mehr sollst du kühles Wasser trinken, bevor die Feigen am Baum saftig sind!" Und zum Gedenken an diese alte Begebenheit findet man nun die Sternbilder des Rabens, des Bechers und der Schlange nebeneinander am nächtlichen Südhimmel. Sternbild des Rabens, des Bechers und der Wasserschlange, pl. 32, Urania's Mirror, Jehoshaphat Aspin, London 1825 (Wikipedia)
Quellen:
(1) Pindar, Pythische Oden
(2) Hyginus, Fabulae
(3) Ovid, Metamorphosen
(4) Ovid, Fasti
(5) Pausanias, Reisen durch Griechenland
(6) Aesop, Fabeln
Literatur:
(1) Wilhelm Heinrich Roscher, Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie
(2) Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon
(3) Der Kleine Pauly
(4) Gerhard Fischer, Sternbilder und ihre Mythen
Online-Quellen:
(1) Wikipedia
(2) wikimedia
(3) theoi.com
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Re: Mythologisch interessante Münzen
Jochen, könntest du bitte sagen was "di militares der Legionen" ist?
In deinem Artikel "Die römische Victoria" vom 11. Februar, schreibst du:
"Bereits am Ende der Republik war Victoria unter die di militares der Legionen aufgenommen."
Grüße
Christiane
In deinem Artikel "Die römische Victoria" vom 11. Februar, schreibst du:
"Bereits am Ende der Republik war Victoria unter die di militares der Legionen aufgenommen."
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- Peter43
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Re: Mythologisch interessante Münzen
Herzlichen Dank für diese Frage.
Neben dem Kaiserkult, der von Augustus eingeführt worden war, entwickelte sich eine offizielle Heeres- und Soldatenreligion (religio castrensis). Die Soldaten, deren Leben täglich bedroht war, erhofften sich Schutz durch eine Reihe von Göttern, die dii militares (Militärgötter) genannt wurden. Unterschieden wurden 4 Gruppen: die großen Götter, vergöttlichte Abstraktionen, Genien und Insignien.
Ganz oben stand natürlich Mars und neben ihm Victoria.. Auch Hercules wure kultisch verehrt, daneben Bacchus und Aesculapius. Diese Götter finden sich auf zahlreichen militärischen Ehrenmalen. Zu den Abstraktionen gehörte z.B. Roma. Aus dem Osten war Mithras gekommen, der es zwar nicht zu den offiziellen Staatsgöttern geschafft hatte, aber bei den Soldaten sehr beliebt war, was die über 1000 Mithräen beweisen, die überall gefunden wurden.
Kultisch verehrt wurden auch die Genien der Legionen und die Feldzeichen. Es bestand ein richtiger Fahnenkult mit eigenen Priestern und Festakten an den Geburtstagen der Fahnen (natalis signorum).
Lit.: z.B. Yann Le Bohec, Die römische Armee von Augustus zu Konstantin d. Gr., 1993
Liebe Grüße
Jochen
Neben dem Kaiserkult, der von Augustus eingeführt worden war, entwickelte sich eine offizielle Heeres- und Soldatenreligion (religio castrensis). Die Soldaten, deren Leben täglich bedroht war, erhofften sich Schutz durch eine Reihe von Göttern, die dii militares (Militärgötter) genannt wurden. Unterschieden wurden 4 Gruppen: die großen Götter, vergöttlichte Abstraktionen, Genien und Insignien.
Ganz oben stand natürlich Mars und neben ihm Victoria.. Auch Hercules wure kultisch verehrt, daneben Bacchus und Aesculapius. Diese Götter finden sich auf zahlreichen militärischen Ehrenmalen. Zu den Abstraktionen gehörte z.B. Roma. Aus dem Osten war Mithras gekommen, der es zwar nicht zu den offiziellen Staatsgöttern geschafft hatte, aber bei den Soldaten sehr beliebt war, was die über 1000 Mithräen beweisen, die überall gefunden wurden.
Kultisch verehrt wurden auch die Genien der Legionen und die Feldzeichen. Es bestand ein richtiger Fahnenkult mit eigenen Priestern und Festakten an den Geburtstagen der Fahnen (natalis signorum).
Lit.: z.B. Yann Le Bohec, Die römische Armee von Augustus zu Konstantin d. Gr., 1993
Liebe Grüße
Jochen
Omnes vulnerant, ultima necat.
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Re: Mythologisch interessante Münzen
Ich habe mich nun aufgerafft, einen längeren Artikel über die dii militares zu schreiben.
Die römischen Heeresgötter
Ich bin gefragt worden, was die dii militares eigentlich sind. Das hat gezeigt, daß es nötig ist, ausführlicher über diesen Begriff zu berichten.
„Der Römischer Staat und die römische Religion waren immer aufs engste verbunden. Das römische Gemein-wesen ruhte auf religiöser Grundlage, und es bleibt im Tiefsten unverstanden, wenn man davon absieht. Alles: Verfassung und politisches Handeln, die Geschichte des Einzelnen und des Ganzen ist durchdrungen von der religio (nach Dio Cassius).
Die dii militares sind die Militärgötter, die Götter des römischen Heeres, von denen das Leben der Soldaten in der Schlacht abhing und die dem Zusammenhalt des Heeres dienten. Deshalb unterscheiden sie sich stark von den eigentlichen Staatsgöttern.
Im Mittelpunkt der kultischen Verehrung des Heeres stand das Fahnenheiligtum mit den Signa und den Adlerstandarten der Legion. Das Fahnenheiligtum (aedes) war der Mittelpunkt jedes Legionslagers. Die Verteidigung der Feldzeichen hatte oberste Priorität. Der Verlust eines Legionsadlers war schlimmer als der Verlust der Schlacht. Die Rückführung der Legionsadler im Jahre 20 v.Chr., die die Parther bei der Schlacht von Carrhae im Jahre 57 v. Chr. erbeutet hatten, feierte Augustus als eine seiner größten Taten. Die Adlerstandarten hatten sogar einen eigenen Festtag, den natalis aquilae, ihren Geburtstag. Bürgerliche Feiertage kannte das Heer nicht. Es lebte auch im Frieden das Leben des Krieges (von Domaszewski).
Erst danach kamen die drei Götter Jupiter, Mars und Victoria, wie sie in dieser Reihenfolge auch auf der Trajanssäule erscheinen.
Aufgenommen wurden auch Götter der verbündeten Völker, die in der Regel römischen Gottheiten angeglichen wurden. So wird der Hercules auf einer Unterwerfungsszene auf dem Constantinsbogen der germanische Donar sein.
Der drittte Gegenstand der Verehrung im Fahnenheiligtum war die Statue des Kaisers. Nach dem Tod des Kaisers blieb die Statue des Divus an ihrem Ort, der zu einer Art von Ahnengalerie wurde. Im Feld wurde die Statue als Bildnis mitgeführt.
An der Spitze des Göttervereins der Armee stand Jupiter optimus maximus, wie auf allen überkommenen Altären zu sehen ist. Als selbständige Göttin genoß Minerva eine weitgehende Verehrung. Aber sie ist natürlich ein Teil der capitolinischen Trias. In der Kaiserzeit wurde der Kriegsgott der Latiner als Mars ultor der Heeresgott. Augustus hatte ihn benutzt für seinen Anspruch auf den Thron, in dem er ihn für die Pietät für den ermordeten Adoptivvater instrumentalisierte. Das blieb noch so bis zu Julian II. Kein Gott wird auf den Münzen des untergehenden Römertums mehr genannt als Mars. Das Fahnenheiligtum wurde richtiggehend zum Heiligtum des Mars.
Die persönliche Siegeskraft des Feldherrn war Victoria, wie sie unter Sulla und Caesar eingeführt worden war. Sie war dann nicht mehr die Victoria des Heeres, sondern die Victoria des betreffenden Kaisers und dann sogar die Victoria eines einzelnen Sieges. Auch sie gehörte zu den häufigsten Münztypen der Zeit.
So wie Victoria im Heer kein selbständiges Dasein führte, sondern nur an den Subjekten dieser Siegeskraft angeheftet erschien, so galt das noch viel mehr bei den anderen Personifikationen wie Fortuna, Honos, Virtus, Pietas oder Bonus eventus.
Der erste, der Fortuna auf seine Münzen setzte, war Vespasian, der auch allen Grund dazu hatte. Aber im Grunde war dies dem römischen Geiste zuwider, der meinte, das Walten des Zufalls selbst meistern und nach seinem Willen lenken zu können. Virtus bezieht sich sowohl auf die Truppe als auch auf den Kaiser. Honos gilt der Legion und dem Adler. Beide sind Ausdruck des römischen Charakters, und die eigentliche Ursache für die unerhörten politischen und militärischen Erfolge der Römer. Dazu gesellt sich die Pietas, die Erfüllung der Pflicht.
Die dii perigrini, die Götter der Auxilia
Seit Hadrian wurden die Numeri (Hilfstruppen) nicht mehr in den Provinzen ausgehoben, in denen sie stationiert waren, sondern in entfernten Provinzen. Ihnen war erlaubt, ihre nationalen Gottheiten im Fahnenheiligtum zu verehren. Während viele Numeri ihre Altäre den römischen Schutzgöttern widmeten, hielten die Germanen an ihren nationalen Göttern fest. Es finden sich Altäre für die zwei Matribus Tramarinis, den Deo Marti Thingso, die zwei Alaisiagis Bedae et Fimmilenae, oder die Deae Garmangabi. Da die germanischen Numeri in Britannien eingesetzt waren, kann die Unbeugsamkeit der Bewohner des nördlichen Britanniens die Ursache dafür sein, daß auch die Auxiliarein-heiten fortfuhren, ihre Götter auch außerhalb ihrer eigenen Provinzen zu benennen (von Domaszewski). Der Einfluß germanischer Heeresordnungen auf das römische Heerwesen war inzwischen so groß geworden, daß nationale Bezeichnungen in römischer Form in die Sprache eindrangen, wie cuneus (Stoßkeil) beweist.
Im Westen wurde Mars durch Hercules ersetzt, in dem die Germanen ihren Donar erkannten. Deshalb erscheint er im gallischen Sonderreich auf den Münzen des Postumus so häufig, z.B. als Hercules deusoniensis, während Mars ganz fehlt. Der Hercules magusanus des Postumus war ein Gott der Bataver. Weitere germanische Götter sind die Soleviae der Bataver, die Alaterviae der Tungrer und die dea Coventina der Cugerni. Postumus (260-269, Trier RIC 64
Keltische Gottheiten sind die Campestres, und Epona, eigenlich eine Göttin des Stalles, war eine Gottheit der Reiterei. Epona, Bas-Relief, 2.-3.Jh. Contern (Luxemburg)
In Illyrien und Thrakien waren es die Götter Silvanus, der dem griechischen Pan entsprach, und Apollon und Diana aus dem griechischen Pantheon
Dann gab es die Landesgötter, die von einzelnen Heereseinheiten übernommen wurden: Das waren in Dakien der Liber, in Pannonien Sedatus und Trasitus und in Britannien Cocidius. Ihm wurden von allen Truppenteilen Altäre errichtet, die unter Septimius Severus am Neubau des neuen Walles eingesetzt waren. Dabei war wohl entscheidend, daß er dem Mars glich.
Bei der Verbreitung der Kulte half die Organisation des römischen Heeres entscheidend mit. Die Centurionen der Legionen dienten während ihrer Laufbahn in allen Teilen des Reiches, so daß derselbe Mann aus dem Westen in den Orient und wieder in den Westen gelangte. Sie waren die Träger der fremden Kulte. In das Heer eingedrungen sind diese Kulte aber erst unter dem Einfluß der Regierung, unter Severus oder Elagabal. Nach dem Tod der Severer verschwand ihr Einfluß im Westen. Aber im Osten blieb er groß. So ersetzte z. B. in Dakien Azizos den Mars. Allen diesen Göttern aber war gemeinsam, daß sie von Stämmen verehrt wurden, die dem Reiche dienten.
Die Dei externi
Anders war es mit Mithras, der ein Perser war. Deshalb war er trotz seiner allgemeinen Verbreitung nie ein Heeresgott. Er war an das Privatleben gefesselt. Mit dem Verschwinden des römischen Staatsgedankens schwand auch diese Grenze und zuletzt bekannte sich auch der Kaiser als Anhänger dieses Gottes.
Völlig außerhalb aller rechtlichen Voraussetzungen stand der Gott der Christen. Er gehörte keinem Volke an. Als Julian II. versuchte, den alten Glauben wiederherzustellen, war der bei den Römern nicht mehr stark genug. Aber die Barbaren im Westen hingen an ihren alten Göttern, und sie waren es, auf die Julian sich stützte.
Der Genius des Kaisers
Septimius Severus war es, der den Genius der Kaiserin in das Lager eingeführt hat. Dies geschah unter dem orientalischen Einfluß des syrischen Herrschaftsbegriffs, der völlig unrömisch war. Von Domna stammte der Titel mater castrorum und mater Augusti. Das aber war nichts anderes als die „Mutter des Sultans“, so wie es im Orient seit langem üblich war (von Domaszewski).
Unter Severus wurde die karthagische Iuno Caelestis in das Fahnenheiligtum aufgenommen. Septimius Severus, RIC IV/1, 266
Nach dem Ende der Severer verschwindet der Genius des Kaisers zwar wieder von den Altären, aber je niedriger die Herkunft der späteren Kaiser und je geringer ihr Recht auf den Thron ist, desto stärker wurde ihr Bedürfnis, ihr Leben durch göttliche Weihen zu sichern. Das begann bereits unter Gordian, bei dem der Genius des Kaisers die erste Gottheit im Lager wurde. Mars und Victoria wurden zu seinen comites. Unter Gallienus wurde dem Genius des Kaisers ein eigener Altar gewidmet. Und unter Aurelian endlich wird die Göttlichkeit zum Glaubenssatz des Dominats.
In Carnuntum befindet sich aus der Zeit des Diocletian neben den Tempeln für Mars und Hercules ein Tempel des Genius Castrorum. Dieser ist dem Jupiter optimus maximus vorangestellt, ein Beweis dafür, daß die alte Religion sich bereits aufgelöst hat. Der Genius ist zum obersten Gott geworden. Trägt er eine Mauerkrone, gehört er zu den numina castrorum, wie auf diesem Follis Maximinus II. Daia, RIC IV, London 209b
Der Genius des Kaisers auf dem nächsten Follis trägt einen Modius, denn seine Geltung erstreckt sich auf das ganze Heer des Reiches Maximinus II.
Daia, RIC VI, Nicomedia 66c Seine Rückseite ist der berühmten Statue "Genius des römischen Volkes" auf dem Forum Romanum nachgebildet, die heute verloren ist. Obwohl die Münzen eine Reihe verschiedener Darstellungen zeigen (z.B. Rom, Augustus, Armee usw.) ist die Grundlage immer dieselbe Statue (Failmezger).
Das Christentum hatte es leicht. Die Heiligtümer der Heeresgötter wurden niedergerissen, aber der Geniuskult blieb erhalten. Aus Mars pater wurde pater, bei dem jetzt jeder an pater noster qui es in coelo denken konnte (von Domaszewski).
Quellen:
(1) Dio Cassius, Römische Geschichte
(2) Augustus, Monumentum Ancyranum
Literatur:
(1) Alfred von Domaszewki, Die Religion des römischen Heeres, 1895
(2) Yann Le Bohec, Die römische Armee von Augustus zu Konstantin d. Gr., 1993
(3) Ljubica Perinic, Jupiter and the other gods – duty and piety of the Roman soldiers in Dalmatia, 2002
(4) Mattingly/Sydenham, The Roman Imperial Coinage
(5) Victor Failmezger, Roman Bronze Coins From Paganism to Christianity, 294 - 364 A.D., 2002)
Mit freundlichem Gruß
Jochen
Die römischen Heeresgötter
Ich bin gefragt worden, was die dii militares eigentlich sind. Das hat gezeigt, daß es nötig ist, ausführlicher über diesen Begriff zu berichten.
„Der Römischer Staat und die römische Religion waren immer aufs engste verbunden. Das römische Gemein-wesen ruhte auf religiöser Grundlage, und es bleibt im Tiefsten unverstanden, wenn man davon absieht. Alles: Verfassung und politisches Handeln, die Geschichte des Einzelnen und des Ganzen ist durchdrungen von der religio (nach Dio Cassius).
Die dii militares sind die Militärgötter, die Götter des römischen Heeres, von denen das Leben der Soldaten in der Schlacht abhing und die dem Zusammenhalt des Heeres dienten. Deshalb unterscheiden sie sich stark von den eigentlichen Staatsgöttern.
Im Mittelpunkt der kultischen Verehrung des Heeres stand das Fahnenheiligtum mit den Signa und den Adlerstandarten der Legion. Das Fahnenheiligtum (aedes) war der Mittelpunkt jedes Legionslagers. Die Verteidigung der Feldzeichen hatte oberste Priorität. Der Verlust eines Legionsadlers war schlimmer als der Verlust der Schlacht. Die Rückführung der Legionsadler im Jahre 20 v.Chr., die die Parther bei der Schlacht von Carrhae im Jahre 57 v. Chr. erbeutet hatten, feierte Augustus als eine seiner größten Taten. Die Adlerstandarten hatten sogar einen eigenen Festtag, den natalis aquilae, ihren Geburtstag. Bürgerliche Feiertage kannte das Heer nicht. Es lebte auch im Frieden das Leben des Krieges (von Domaszewski).
Erst danach kamen die drei Götter Jupiter, Mars und Victoria, wie sie in dieser Reihenfolge auch auf der Trajanssäule erscheinen.
Aufgenommen wurden auch Götter der verbündeten Völker, die in der Regel römischen Gottheiten angeglichen wurden. So wird der Hercules auf einer Unterwerfungsszene auf dem Constantinsbogen der germanische Donar sein.
Der drittte Gegenstand der Verehrung im Fahnenheiligtum war die Statue des Kaisers. Nach dem Tod des Kaisers blieb die Statue des Divus an ihrem Ort, der zu einer Art von Ahnengalerie wurde. Im Feld wurde die Statue als Bildnis mitgeführt.
An der Spitze des Göttervereins der Armee stand Jupiter optimus maximus, wie auf allen überkommenen Altären zu sehen ist. Als selbständige Göttin genoß Minerva eine weitgehende Verehrung. Aber sie ist natürlich ein Teil der capitolinischen Trias. In der Kaiserzeit wurde der Kriegsgott der Latiner als Mars ultor der Heeresgott. Augustus hatte ihn benutzt für seinen Anspruch auf den Thron, in dem er ihn für die Pietät für den ermordeten Adoptivvater instrumentalisierte. Das blieb noch so bis zu Julian II. Kein Gott wird auf den Münzen des untergehenden Römertums mehr genannt als Mars. Das Fahnenheiligtum wurde richtiggehend zum Heiligtum des Mars.
Die persönliche Siegeskraft des Feldherrn war Victoria, wie sie unter Sulla und Caesar eingeführt worden war. Sie war dann nicht mehr die Victoria des Heeres, sondern die Victoria des betreffenden Kaisers und dann sogar die Victoria eines einzelnen Sieges. Auch sie gehörte zu den häufigsten Münztypen der Zeit.
So wie Victoria im Heer kein selbständiges Dasein führte, sondern nur an den Subjekten dieser Siegeskraft angeheftet erschien, so galt das noch viel mehr bei den anderen Personifikationen wie Fortuna, Honos, Virtus, Pietas oder Bonus eventus.
Der erste, der Fortuna auf seine Münzen setzte, war Vespasian, der auch allen Grund dazu hatte. Aber im Grunde war dies dem römischen Geiste zuwider, der meinte, das Walten des Zufalls selbst meistern und nach seinem Willen lenken zu können. Virtus bezieht sich sowohl auf die Truppe als auch auf den Kaiser. Honos gilt der Legion und dem Adler. Beide sind Ausdruck des römischen Charakters, und die eigentliche Ursache für die unerhörten politischen und militärischen Erfolge der Römer. Dazu gesellt sich die Pietas, die Erfüllung der Pflicht.
Die dii perigrini, die Götter der Auxilia
Seit Hadrian wurden die Numeri (Hilfstruppen) nicht mehr in den Provinzen ausgehoben, in denen sie stationiert waren, sondern in entfernten Provinzen. Ihnen war erlaubt, ihre nationalen Gottheiten im Fahnenheiligtum zu verehren. Während viele Numeri ihre Altäre den römischen Schutzgöttern widmeten, hielten die Germanen an ihren nationalen Göttern fest. Es finden sich Altäre für die zwei Matribus Tramarinis, den Deo Marti Thingso, die zwei Alaisiagis Bedae et Fimmilenae, oder die Deae Garmangabi. Da die germanischen Numeri in Britannien eingesetzt waren, kann die Unbeugsamkeit der Bewohner des nördlichen Britanniens die Ursache dafür sein, daß auch die Auxiliarein-heiten fortfuhren, ihre Götter auch außerhalb ihrer eigenen Provinzen zu benennen (von Domaszewski). Der Einfluß germanischer Heeresordnungen auf das römische Heerwesen war inzwischen so groß geworden, daß nationale Bezeichnungen in römischer Form in die Sprache eindrangen, wie cuneus (Stoßkeil) beweist.
Im Westen wurde Mars durch Hercules ersetzt, in dem die Germanen ihren Donar erkannten. Deshalb erscheint er im gallischen Sonderreich auf den Münzen des Postumus so häufig, z.B. als Hercules deusoniensis, während Mars ganz fehlt. Der Hercules magusanus des Postumus war ein Gott der Bataver. Weitere germanische Götter sind die Soleviae der Bataver, die Alaterviae der Tungrer und die dea Coventina der Cugerni. Postumus (260-269, Trier RIC 64
Keltische Gottheiten sind die Campestres, und Epona, eigenlich eine Göttin des Stalles, war eine Gottheit der Reiterei. Epona, Bas-Relief, 2.-3.Jh. Contern (Luxemburg)
In Illyrien und Thrakien waren es die Götter Silvanus, der dem griechischen Pan entsprach, und Apollon und Diana aus dem griechischen Pantheon
Dann gab es die Landesgötter, die von einzelnen Heereseinheiten übernommen wurden: Das waren in Dakien der Liber, in Pannonien Sedatus und Trasitus und in Britannien Cocidius. Ihm wurden von allen Truppenteilen Altäre errichtet, die unter Septimius Severus am Neubau des neuen Walles eingesetzt waren. Dabei war wohl entscheidend, daß er dem Mars glich.
Bei der Verbreitung der Kulte half die Organisation des römischen Heeres entscheidend mit. Die Centurionen der Legionen dienten während ihrer Laufbahn in allen Teilen des Reiches, so daß derselbe Mann aus dem Westen in den Orient und wieder in den Westen gelangte. Sie waren die Träger der fremden Kulte. In das Heer eingedrungen sind diese Kulte aber erst unter dem Einfluß der Regierung, unter Severus oder Elagabal. Nach dem Tod der Severer verschwand ihr Einfluß im Westen. Aber im Osten blieb er groß. So ersetzte z. B. in Dakien Azizos den Mars. Allen diesen Göttern aber war gemeinsam, daß sie von Stämmen verehrt wurden, die dem Reiche dienten.
Die Dei externi
Anders war es mit Mithras, der ein Perser war. Deshalb war er trotz seiner allgemeinen Verbreitung nie ein Heeresgott. Er war an das Privatleben gefesselt. Mit dem Verschwinden des römischen Staatsgedankens schwand auch diese Grenze und zuletzt bekannte sich auch der Kaiser als Anhänger dieses Gottes.
Völlig außerhalb aller rechtlichen Voraussetzungen stand der Gott der Christen. Er gehörte keinem Volke an. Als Julian II. versuchte, den alten Glauben wiederherzustellen, war der bei den Römern nicht mehr stark genug. Aber die Barbaren im Westen hingen an ihren alten Göttern, und sie waren es, auf die Julian sich stützte.
Der Genius des Kaisers
Septimius Severus war es, der den Genius der Kaiserin in das Lager eingeführt hat. Dies geschah unter dem orientalischen Einfluß des syrischen Herrschaftsbegriffs, der völlig unrömisch war. Von Domna stammte der Titel mater castrorum und mater Augusti. Das aber war nichts anderes als die „Mutter des Sultans“, so wie es im Orient seit langem üblich war (von Domaszewski).
Unter Severus wurde die karthagische Iuno Caelestis in das Fahnenheiligtum aufgenommen. Septimius Severus, RIC IV/1, 266
Nach dem Ende der Severer verschwindet der Genius des Kaisers zwar wieder von den Altären, aber je niedriger die Herkunft der späteren Kaiser und je geringer ihr Recht auf den Thron ist, desto stärker wurde ihr Bedürfnis, ihr Leben durch göttliche Weihen zu sichern. Das begann bereits unter Gordian, bei dem der Genius des Kaisers die erste Gottheit im Lager wurde. Mars und Victoria wurden zu seinen comites. Unter Gallienus wurde dem Genius des Kaisers ein eigener Altar gewidmet. Und unter Aurelian endlich wird die Göttlichkeit zum Glaubenssatz des Dominats.
In Carnuntum befindet sich aus der Zeit des Diocletian neben den Tempeln für Mars und Hercules ein Tempel des Genius Castrorum. Dieser ist dem Jupiter optimus maximus vorangestellt, ein Beweis dafür, daß die alte Religion sich bereits aufgelöst hat. Der Genius ist zum obersten Gott geworden. Trägt er eine Mauerkrone, gehört er zu den numina castrorum, wie auf diesem Follis Maximinus II. Daia, RIC IV, London 209b
Der Genius des Kaisers auf dem nächsten Follis trägt einen Modius, denn seine Geltung erstreckt sich auf das ganze Heer des Reiches Maximinus II.
Daia, RIC VI, Nicomedia 66c Seine Rückseite ist der berühmten Statue "Genius des römischen Volkes" auf dem Forum Romanum nachgebildet, die heute verloren ist. Obwohl die Münzen eine Reihe verschiedener Darstellungen zeigen (z.B. Rom, Augustus, Armee usw.) ist die Grundlage immer dieselbe Statue (Failmezger).
Das Christentum hatte es leicht. Die Heiligtümer der Heeresgötter wurden niedergerissen, aber der Geniuskult blieb erhalten. Aus Mars pater wurde pater, bei dem jetzt jeder an pater noster qui es in coelo denken konnte (von Domaszewski).
Quellen:
(1) Dio Cassius, Römische Geschichte
(2) Augustus, Monumentum Ancyranum
Literatur:
(1) Alfred von Domaszewki, Die Religion des römischen Heeres, 1895
(2) Yann Le Bohec, Die römische Armee von Augustus zu Konstantin d. Gr., 1993
(3) Ljubica Perinic, Jupiter and the other gods – duty and piety of the Roman soldiers in Dalmatia, 2002
(4) Mattingly/Sydenham, The Roman Imperial Coinage
(5) Victor Failmezger, Roman Bronze Coins From Paganism to Christianity, 294 - 364 A.D., 2002)
Mit freundlichem Gruß
Jochen
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