Warum wurde der Stil der Abbildungen immer primitiver?

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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kc
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Warum wurde der Stil der Abbildungen immer primitiver?

Beitrag von kc » Mi 15.04.09 13:10

Warum wurde der Stil der Darstellungen und des Portraits zum Ende des Römischen Kaiserreichs immer schlechter bzw. primitiver?
Die Qualität der Abbildungen nahm stetig ab. Legte man keinen Wert mehr auf Detailgenauigkeit und Realismus? Warum verbreitete sich der Barbarismus auf Münzprägungen?

Grüße

kc

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Pscipio
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Beitrag von Pscipio » Mi 15.04.09 13:31

Hmm, ich wäre mit Begriffen wie "schlechter", "primitiver" und "Barbarismus" vorsichtig. Die spätrömischen Stempelschneider waren gewiss nicht untalentierter als ihre früheren Kollegen, und Vergleiche zwischen einem Aureus des Augustus und einem Solidus des Constantin sind mit obigen Wörtern nicht machbar, genau wie man einen Picasso nicht als "schlechter" als einen Rembrandt bezeichnen kann. Die späten Kaiserdarstellungen sind nicht partout schlechter, sondern in erster Linie anders, sie sind Ausdruck eines Stilwandels, eines Wandels in den Darstellungsformen der Kaiser, eines Mentalitätswandels. So vergleiche man einmal die Darstellung der Tetrarchenkaiser auf ihren Antoninianen mit den nach der Münzreform geprägten Folles - das müssen in vielen Fällen die gleichen Stempelschneider gewesen sein, und doch ist da ein völliger Wandel auszumachen. Die Frage nach den Gründen dafür ist die interessante, doch kann ich sie dir nicht beantworten, da müsstest du dich an die Kunsthistoriker wenden.

Das alles sagt im Übrigen nichts darüber aus, welche Münzen wem gefallen. Ich bin zumeist auch kein Liebhaber spätrömischer Münzen, aber wir wissen ja: de gustibus non est disputandum.

Gruss, Pscipio
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Beitrag von richard55-47 » Mi 15.04.09 14:03

Die Pracht der Münzen des 1. und 2. Jahrhunderts entsprach dem Zeitgeist, zeigte, wieviel der Herrscher sich wert war und war auch Ausdruck des Wohlstandes des Staates. Letztendlich eine Mode, ein Stil.
Die Gegebenheiten Ende des 3. JH und die des 4. waren andere als zur Hochzeit Roms. Eine Stiländerung ging mit den Reformen bewusst einher. Einige Portraits dieser Epoche kommen mir martialisch "hart" vor, andere sehen schon "barock" aus.

Ich bin auch nicht der ausgesprochene Liebhaber der Spätrömer, aber wenn ich sehe, auf welch kleinen Schrötlingen so viele Botschaften hingeschnitzt worden sind, kann ich nur sagen: Alle Achtung!
do ut des.

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Beitrag von Peter43 » Mi 15.04.09 14:18

Als Gegner eines Kulturrelativismus - alles ist gleich - finde ich schon, daß es einen Kulturverfall gab, politische Korrektheit hin oder her. Und in meinen Augen ist eine Fuge von Bach nicht nur anders als die Töne eines Didgereedoo, sondern kulturell höherstehend, auch wenn man soetwas heute nicht mehr sagen darf, tut mir leid.

Mit freundlichem Gruß
Omnes vulnerant, ultima necat.

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Beitrag von beachcomber » Mi 15.04.09 14:50

auch wenn man soetwas heute nicht mehr sagen darf, tut mir leid.
aber klar darfst du sowas heute noch sagen, auch wenn es dadurch nicht richtiger wird :wink:
eine bach-fuge haut mich genauso um wie 'highway to hell' von AC/DC :)
nur weil der eine seine musik vor allem zur christlichen erbauung geschrieben hat, und die anderen wohl zu einer weltlichen, kann ich da nichts höherstehendes entdecken.
und zurück zu den spätrömern: es gibt doch z.b reitersturzdarstellungen, die den darstellungen des 1.jahrhunderts um nichts nachstehen, von den späten goldmedallionen gar nicht erst zu reden.
das auf den späten münzen die porträt-darstellung einer gewissen uniformität unterliegt, ist nur dem wandel der politik geschuldet, nicht der künstlerischen qualität der stempelschneider!
grüsse
frank

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Beitrag von Pscipio » Mi 15.04.09 14:51

Ich bitte dich, Peter43, wir wollen daraus doch nicht gleich eine Diskussion über moderne Kulturunterschiede machen, und niemand spricht davon, dass alles gleich sei :)

Es geht mir ja nur darum, dass es in der Spätantike nicht plötzlich nur noch Stempelschneider mit feinmotorischen Störungen gab. Dass die Porträts anders aussehen liegt gewiss nicht etwa daran, dass keine künstlerisch begabten Menschen mehr zur Welt gekommen wären. Nicht alles an der Spätantike war Niedergang, und dort wo es Niedergang war, gibt es andere Gründe dafür.

Gruss, Pscipio
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Beitrag von kc » Mi 15.04.09 14:51

Die antiken Hochkulturen, darunter u.a. die Ägypter und Römer, waren sowohl politisch, wirtschaftlich als auch gesellschaftlich schon sehr weit entwickelt. Viele Errungenschaften dieser Kuluren, die uns auch heute noch als Vorbild dienen, gingen mit ihrem Zerfall verloren.
Beispielsweise wäre da das ausgeklügelte Abwassersystem Roms. Während es dort sogar öffentliche Toiletten mit ordnungsgerechter Entsorgung der Fäkalien gab, wurden die Stuhlgänge im Mittelalter in die Gosse oder sogar auf die Straße gekippt.
Auch das medizinische Wissen in der Antiken Welt war dem Mittelalter teilweise weit voraus.
Für mich beudeutet dies nicht eine Weiterentwicklung der Kultur, sondern eher eine Herabsetzung/ Rückentwicklung.
Diese "Veränderungen zum eher Negativen" lässt sich meiner Meinung nach auch in der Numismatik feststellen.
Römische, ägyptische und griechische Münzen mit wunderschönen detailreichen Darstellungen (und das nicht nur bei Goldmünzen), auch von besonderem Gewicht, wurden abgelöst von kleinen, dünnen Münzchen mit eher groben ungenauen Bildnissen.

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Beitrag von Pscipio » Mi 15.04.09 14:57

@kc: ich dachte, wir sprechen von kaiserzeitlichen Münzen, nicht von mittelalterlichen Fäkalien ;) Damit meine ich, dass wir die Diskussion nicht ausufern lassen, es ging doch um die Unterschiede der Münzporträts der frühen und späten Kaiserzeit.

Dafür, dass die Münzen der Spätantike leichter und dünner waren als die Sesterzen der ersten Jahrhunderte, gibt es handfestere Gründe als allgemeine kulturelle Dekadenz.
Nata vimpi curmi da.

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Beitrag von emieg1 » Mi 15.04.09 15:29

Auch einer der Gründe, den zumindest ich mir gut vorstellen kann:

Die Münze diente in spätrömischer Zeit immer mehr nur noch ihrem eigentlich Zweck als reines ZAHLUNGSmittel, während sie ihre Rolle als PROPAGANDAmittel weitgehend verlor. Ich denke dabei an die Geldgeschenke der frühen Kaiser an die Bevölkerung, die ja in erster Hinsicht dazu dienen sollten, den amtierenden Herrscher populär und beliebt zu machen - und dazu eignet sich natürlich auch eine attraktive Abbildung auf den Münzen.

Ob nun solches in der spätrömischen Zeit (in der gleichen Intensität) fortgesetzt wurde, ist mir nicht bekannt (...und was nix heisst ;-))

Aber vielleicht sollte da mal nachgraben?!

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Beitrag von Peter43 » Mi 15.04.09 15:41

Na ja, wenn Victoria oder der Kaiser ihre Gefangenen immer an den Haaren hinter sich herschleppen, das ist doch auch Propaganda.

Sicher gehört in diesen Zusammenhang auch, daß die Ausstattung und der Schmuck der Kaiser auf den Münzen immer pompöser wurde. Nur mit einem Lorbeerkranz allein, wie zur Zeit der Julier und Claudier, kommt da kaum noch jemand daher.

Mit freundlichem Gruß
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Beitrag von Sulcipius » Mi 15.04.09 17:51

OT on:
beachcomber hat geschrieben:
auch wenn man soetwas heute nicht mehr sagen darf, tut mir leid.
aber klar darfst du sowas heute noch sagen, auch wenn es dadurch nicht richtiger wird :wink:
eine bach-fuge haut mich genauso um wie 'highway to hell' von AC/DC :)
nur weil der eine seine musik vor allem zur christlichen erbauung geschrieben hat, und die anderen wohl zu einer weltlichen, kann ich da nichts höherstehendes entdecken.

grüsse
frank
Winzig kleiner Hinweis an dieser Stelle !

Ohne J.S. Bach würde unsere Musik vielleicht GANZ anders klingen :?: :!:
Stichwort: Wohltemporiertes Klavier :wink:
Auch in der "U"-Musik vermag man mehr Bach und andere "E"Musikelemente zu entdecken, als man vermuten würde :wink:

OT off :)

Zu den Münzbildern zurückkehrend:

Ich meine, daß die Münzen des 1. und 2.Jhdt, auch eine Art "Zeitungsfunktion" innehatten.
So denk ich mir wußte man genau was damit gemeint war, wenn man einen Denar des Traians mit der RV << VIA TRAIANA >> in den Händen hielt.
Oder man wurde dahingehend aufgeklärt.
Sah man auf dem Revers der Münze wie z.B.:die Abundantia ihr Füllhorn entleerte, so wußte man , daß es Güter im Überfluß gab,.....

Die Münzen der Spätzeit, beschränken sich meist auf die "Heraufbeschwörung der Guten Alten Zeit", die anscheinend schmerzlich vermißt wurde.
Des öfteren sieht man wie der Kaiser auf dem Deck einer von der Victoria gesteuerten Gallere steht, wie Phoenix auf dem Globus steht, die diversen VOTIS Legenden.
Für mich stellen diese Darstellungen mehr Durchhalteparolen, denn zur Schaustellung der Macht dar. So nach dem Motto: "Es wird schon werden, wenn wir es nur wollen "

Die schematischen Darstellung der Kaiserporträts könnte aber durchaus mit der Einführung des Christentums als Hauptreligion zu tun haben.
Wer war denn im 1. oder 2. Jhdt DER , DER alles im Reich zusammenhielt, lenkte und kontrollierte?
Der Kaiser, der einem Gott gleich war, zumindest fast ebenbürdig, der Sohn der LupaRomana,etc....

Nun aber gab es einen gemeinsamen Gott, einen Gott, der ÜBER dem Kaiser stand. Einen Gott, der das Reich und den Kaiser beschützte, ihn die Kraft zum Handeln verleiht und die Geschehnisse lenkte.
Da spielen ausgeprägte Porträts weniger Rolle, egal ob nun die Büsten drapiert, gepanzert, mit Speer und Schild ausgestattet wurden, oder schlicht nach rechts blickten.
Somit meine ich auch, dass die Kunst des Stempelschneidens (Bezug auf Porträts) nicht verloren ging, es war halt weniger von Bedeutung WER nun am Avers war, bzw wie dessen Bildniss auszusehen hatte.

Beste Grüße
Sulcipius
Zuletzt geändert von Sulcipius am Mi 15.04.09 18:09, insgesamt 1-mal geändert.
<< ODERINT DUM METUANT >>

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Beitrag von emieg1 » Mi 15.04.09 18:06

Sorry, dass ich dies jetzt unnumismatisch, aber musikalisch einschiebe:

Tatsache, unsere heutige Musik ist in den Höhen, Tiefen und Spitzen immer noch angehaucht von Bach, Händel & Co., und da ist auch gut so. Ich frage mich seit längerem schon, ob es Neuzeitliches genau so lange schafft zu überleben. Denn vieles, auch AC/DC (;-)) hätte es auch verdient.

Und wer für einen Augenblick in die Schönheit des Barock abtauchen möchte:

http://www.angetastet.de/153.html

...und während des Hörens kann man sich wieder der Numismatik widmen ;-)

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Beitrag von justus » Mi 15.04.09 18:12

Ich würde nicht gleich von einem "Kulturverfall sprechen. Aber es läßt sich nicht leugnen, dass der allgemeine "Werteverfall", der mit der Ausdehnung des Imperiums einherging, sich auch auf den Münzbildern wiederspiegelt. Waren in den ersten Jahrhundert n. Chr. noch "römische Tugenden", wie z. B. Pietas, Virtus, Libertas, Nobilitas etc. Hauptgegenstand der Reversabbildungen, so geraten sie im Laufe der Jahrhunderte immer weiter in den Hintergrund, was mit dem allgemeinen Werteverfall in einem römischen Reich zu tun hatte, dass sich fast vom Euphrat bis hinter die Säulen des Herakles erstreckte und dessen Werte zunehmend von fremden, nicht römischen oder italischen Einflüssen geprägt wurde.

Was allerdings die "Propagandafunktion" der Münzen anbetrifft, so kann ich eine Abschwächung im Laufe des 3./4. Jahrhunderts nicht erkennen. Spätrömische Münzen weisen zwar mit ihren teilweise in großen Mengen geprägten "Reitersturz- oder Lagertor-Abbildungen etc." häufig stereotype Rückseiten auf, nichts desto trotz dienen sie nach wie vor der Propaganda, nämlich der ganz allgemeinen Verkündung von der "Standhaftigkeit, Entschlossenheit und Wehrhaftigkeit" des Reiches.

Auch wenn die Münzpropaganda im spätrömischen Reich sich nicht mehr so häufig, wie noch zu Zeiten der Germanenfeldzüge, auf ein konkretes Ereignis bezieht, so dienen die Münzen doch noch als propagandistisches Medium. Nahezu verloren geht diese Funktion erst mit dem Beginn des Byzantinischen Reiches, zumindest, was die "gemeinen" Nominale anbetrifft.

mfg Justus
mit freundlichem Gruß

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Beitrag von Pscipio » Mi 15.04.09 20:03

justusmagnus hat geschrieben:Aber es läßt sich nicht leugnen, dass der allgemeine "Werteverfall", der mit der Ausdehnung des Imperiums einherging, sich auch auf den Münzbildern wiederspiegelt. Waren in den ersten Jahrhundert n. Chr. noch "römische Tugenden", wie z. B. Pietas, Virtus, Libertas, Nobilitas etc. Hauptgegenstand der Reversabbildungen, so geraten sie im Laufe der Jahrhunderte immer weiter in den Hintergrund, was mit dem allgemeinen Werteverfall in einem römischen Reich zu tun hatte, dass sich fast vom Euphrat bis hinter die Säulen des Herakles erstreckte und dessen Werte zunehmend von fremden, nicht römischen oder italischen Einflüssen geprägt wurde.
Werteverfall? Das hört sich ein wenig wie Livius oder Tacitus an, oder, darauf aufbauend, wie bei Historikern des 19. und frühen 20. Jahrhunderts :) Die angeblich so hehren römisch-italischen Tugenden wurden, wenn wir nüchtern und ehrlich sind, von Historikern der Kaiserzeit anachronistisch in die angeblich noch unverdorbene Zeit der klassischen Republik hineinidealisiert, um einen Kontrast zur angeblich dekadenten Kaiserzeit zu konstruieren. In Tat und Wahrheit hat es so was gar nie gegeben, das zeigt sich spätestens dann, wenn man sich mit den innenpolitischen Kämpfen in der republikanischen Aristokratie beschäftigt, die nicht erst mit den Gracchen begannen, sondern schon immer existiert haben.

Aber selbst wenn man davon ausgehen will, dass es diese angeblichen römischen-italischen Tugenden waren, die Rom mächtig werden liessen (was der Komplexität des Prozesses der Ausdehnung des römischen Reiches nicht gerecht wird), so sei daran erinnert, dass die Schaltzentralen der Macht sowie die Armee längst vor der Spätantike zu immer grösseren Teilen nicht mehr durch Italiker besetzt wurden. Trajan, Hadrian, Septimius Severus, Diocletian und viele andere waren keine Italiker. Ich halte diese Durchmischung der "Römer" durch andere Elemente ihres Reiches, die Integration weiter ehemals feindlicher Bevölkerungsschichten, nicht für eine Schwäche, sondern für eine Stärke des Imperiums.

Etwas anderes sind die sogenannten "Barbarenvölker", die im 4. und 5. Jahrhundert teilweise (mit Betonung auf teilweise!) als geschlossene Gruppen im Reich angesiedelt werden mussten: diese wurden nun tatsächlich oft nicht mehr integriert, aber zu der Zeit hatte das Reich längst durch andere Ursachen an Stärke verloren, und mit verlorenen römisch-italischen Werten hatte das nichts zu tun. Interessanterweise waren es danach dennoch oft gerade germanisch oder halb-germanische Heeresmeister, sogenannte "Barbaren", die das Reich noch zusammen zu halten versuchten (Stilicho, Ricimer, etc.).

Ich gebe zu, jetzt bin auch ich etwas vom ursprünglichen Thema abgeschweift, aber auf das Posting von justus wollte ich reagieren :)

Gruss, Pscipio
Nata vimpi curmi da.

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Beitrag von richard55-47 » Mi 15.04.09 20:38

Pscipio: du hast Nero vergessen. Wie schon früher erwähnt: Nero war durch seine in Köln geborene Mutter Agrippina Halbkölner(!), auch eine reichsrömische Tugend per se. :D
do ut des.

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