PROVIDENTIA - verschiedene Funktionen

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

Moderator: Homer J. Simpson

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chinamul
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PROVIDENTIA - verschiedene Funktionen

Beitrag von chinamul » Di 04.08.09 10:41

Das lateinische Wort providentia hat zwei Aspekte. Zum einen kann es "Vorsorge" bedeuten, zum anderen aber auch "Vorsehung".
Mit dem Aspekt der Vorsorge dürfte in der Regel die weise Voraussicht des Kaisers gemeint sein, mit der er in erster Linie die Versorgung des Imperiums mit Nahrung sicherstellt. Dargestellt wird diese Providentia in gleicher Weise wie die Annona mit Ähren, die sie über einen Modius hält, wodurch ihr Charakter ganz eindeutig wird.
Als Vorsehung erscheint die Providentia hingegen mit einem Stab in der Rechten und einem Globus zu ihren Füßen und beschwört dann wohl die wohlwollende Fürsorge der Götter für den Kaiser. Wie Stab und Globus allerdings im einzelnen zu deuten sind, scheint noch nicht geklärt zu sein.
Hier nun zwei Sesterze (Severus Alexander und Maximinus I Thrax), die die beiden bei identischer Legende unterschiedlichen Darstellungen der Providentia zeigen.

Gruß

chinamul
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RIC 61.jpg
RIC 642.jpg
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Beitrag von curtislclay » Di 04.08.09 16:59

Den Typ von Severus Alexander sehe ich anders: dargestellt ist nicht Providentia sondern Annona. Die Darstellung zeigt das Gebiet an, auf dem der Kaiser seine Vorsehung ausüben wird.

Der Typ wurde in zwei aufeinanderfolgenden Varianten kontinuierlich zwischen 231 und 235 geprägt, und verspricht meiner Meinung nach konkret, dass der Kaiser, obwohl auf Feldzügen im Osten und dann im Norden abwesend, trotzdem sich für die ausreichende Getreideversorgung Roms einsetzen wird.

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Beitrag von beachcomber » Di 04.08.09 18:21

diese legende mit der darstellung der annona kommt ja auch bei anderen kaisern vor(numerian z.b.).
kann man davon ausgehen, das trotz der legende,mit diesen attributen(ähren,modius, füllhorn) immer annona dargestellt ist?
grüsse
frank

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Beitrag von curtislclay » Di 04.08.09 19:14

Ich meine ja, immer Annona.

Gordian III. zeigt auf seinen Münzen Hercules mit der Legende VIRTVTI AVGVSTI. Da wird wohl niemand auf die Idee kommen, das Bild als eine Darstellung der Virtus aufzufassen!

Dazu kommt, dass die späteren Kaiser diesen Providentia-Typ wahrscheinlich nicht neu geschaffen, sondern bloss von den Münzen Severus Alexanders abgeschrieben haben. Soweit ich weiss entspricht der Typ in seinen späteren Wiederholungen immer ganz genau der einen oder der anderen der zwei Varianten von Alexander.

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Beitrag von justus » Di 04.08.09 19:38

curtislclay hat geschrieben:Den Typ von Severus Alexander sehe ich anders: dargestellt ist nicht Providentia sondern Annona.
Was die spezifischen Merkmale von Annona bzw. Providentia anbetrifft, warum sind "Modius, Füllhorn und Ähren" bei beiden zu finden? http://www.hjkrenzer.de/roemer/goetter/goetter.htm

Annona – Modius, Füllhorn, Ähren / Anker, Kind(er), Prora, Ruder.
Providentia – Modius, Füllhorn, Ähren / Globus, Säule, Stab (kurz).

Im übrigen ergab eine kurze Stippvisite in allen drei Suchmaschinen jeweils Providentia mit Modius, Füllhorn und Kornähren (RIC 642, 645). Folglich wären also Hunderte von Beschreibungen als "falsch" anzusehen? Ist es nicht eher möglich, dass Providentia beide Gruppen von Merkmalen zugeordnet wurden? Von entsprechenden Kenntnissen der römischen Götterwelt kann man bei den Stempelschneidern wohl ausgehen.

PROVIDENTIA AVG / S C - Providentia standing front holding two grain ears over modius & cornucopiae. http://www.wildwinds.com/coins/sear5/s8014.html

PROVIDENTIA AVG / S C - Providentia standing to left, holding grain ears over modius in her right hand and cornucopiae in her left. http://www.coinarchives.com/a/lotviewer ... 82&Lot=157

PROVIDENTIA AVG / S-C - Providentia, vêtue d'un chiton long et du manteau, debout de face, la tête diadémée tournée à g.; de la gauche, elle tient une ancre, dans la droite baissée, des épis de blé au-dessus d'un modius rempli de blé. http://www.acsearch.info/record.html?id=36731

Gruß Justus
Zuletzt geändert von justus am Di 04.08.09 19:45, insgesamt 1-mal geändert.

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Beitrag von beachcomber » Di 04.08.09 19:44

danke für die aufklärung. für mich klingt's logisch, und auch wenn sie in allen katalogen immer als 'providentia mit ähren,modius und füllhorn' beschrieben wird, werden die alten römer schon genau die botschaft der rückseite erfasst haben.
grüsse
frank

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Beitrag von beachcomber » Di 04.08.09 19:48

warum sind "Modius, Füllhorn und Ähren" bei beiden zu finden? http://www.hjkrenzer.de/roemer/goetter/goetter.htm
eben weil sich keiner der modernen katalogschreiber wirklich gedanken gemacht hat!
die providentia des kaisers kann sich ja auf viele sachen bezogen haben, und in diesem fall eben auf die getreideversorgung, die durch die darstellung der annona klargemacht wird.
grüsse
frank

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Beitrag von curtislclay » Di 04.08.09 19:49

Die modernen Beschreiber haben bloss immer falsch angenommen, dass die Legende den Typ benennen muss. Das ist falsch, oder willst du den Hercules unter Gordian III. auch als Virtus benennen?

Modius, Füllhorn, Ähren, sagst du, sind bekannte Attribute nicht nur der Annona, sondern auch der Providentia. Aber der Beweis für diese Feststellung ist einzig und allein der falsch interpretierte PROVIDENTIA AVG-Typ des Severus Alexander!

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Beitrag von Peter43 » Di 04.08.09 20:19

Kurz gesagt: Es ist nicht immer drin, was draufsteht! :D

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Beitrag von hjk » Di 04.08.09 20:25

Tja - als "moderner Katalogschreiber" muss ich mich da unbedingt "schuldig" sprechen. Ich habe einfach nur die vorhandenen Daten(banken) ausgewertet - und mich in der Tat darauf verlassen, dass die Legende tatsächlich den Typ benennt. Der von Curtis genannte "Virtvs" macht das Problem aber schon deutlich - denn da KANN er ja nur recht haben. Da sollte ich wohl irgendwie eine Anmerkung anbringen? Gibt's womöglich weitere notwendige Ergänzungen?

Eine kommentarlose Änderung fände ich auf alle Fälle witzlos: man denke z.B. an den immer gerne genannten "Abacus": wenn der nicht namentlich genannt (und korrigiert) wird, lernt das kein Mensch.

:)

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Beitrag von Peter43 » Di 04.08.09 20:29

Zum Zählbrett siehe hier: http://www.numismatikforum.de/ftopic7629.html

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Beitrag von hjk » Di 04.08.09 20:51

Ei klar - deswegen habe ich das doch auch als Beispiel aufgeführt. Das sollte auf meine HP eigentlich klargestellt sein. Und genau deshalb meine ich doch, dass alle Begriffe - auch die falschen - aufgeführt und richtig gestellt werden müssen. Sonst lernt doch niemand was . . .

:wink:

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Beitrag von justus » Di 04.08.09 21:24

curtislclay hat geschrieben:Modius, Füllhorn, Ähren, sagst du, sind bekannte Attribute nicht nur der Annona, sondern auch der Providentia. Aber der Beweis für diese Feststellung ist einzig und allein der falsch interpretierte PROVIDENTIA AVG-Typ des Severus Alexander!
Vermutlich hast du ja recht mit deiner Annahme. Wenn man mal von Münzen des Numerianus, sowie einigen wenigen des Gordian III. und Regalianus absieht, so sind, wie es scheint, ausschließlich Münzen des Severus Alexander von diesem "Phänomen" betroffen.

Allerdings gibt es auch "PROVIDENTIA AVG" mit der Beschreibung "Annona" unter http://www.acsearch.info/record.html?id=29330

Grüße Justus

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Beitrag von Peter43 » Di 04.08.09 21:41

Man sieht, es geht doch!

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Beitrag von chinamul » Mi 05.08.09 10:22

Diese Diskusion hat genau das gebracht, was ich mir von ihr erwartet hatte. Viele Römersammler haben sicher daraus Honig saugen können. Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt, hat der Providentia-Annona-Komplex vor einiger Zeit schon einmal eine Rolle gespielt. Eure zahlreichen Antworten zeigen mir aber, daß auch Euch das nicht mehr gegenwärtig war. Und die Erfahrung lehrt weiterhin, daß beim "Aufwärmen" älterer Themen immer wieder neue, präzisierende Gesichtspunkte hinzukommen.
Zu meinem zunehmenden Bedauern sind inzwischen einige Threads dermaßen ausgeufert, daß man mit der Suchfunktion einzelne Postings, an die man sich dunkel erinnert, nicht mehr aufspüren kann, wenn man nicht z. T. Hunderte von Seiten "durchblättern" will. Da scheint es mir dann sinnvoller, das betreffende Thema neu aufzunehmen.
Vielleicht kann ja jemand einen praktikablen Vorschlag machen, wie wir den Zugriff auf zurückliegende Beiträge in Mammutthreads einfacher gestalten können.
Meine eigenen Beiträge werde ich zukünftig mal mit charakteristischen "Markern" versehen, die so exotisch sind, daß sie mit einiger Sicherheit nur ein einziges Mal auftauchen. Dann wäre es außerordentlich hilfreich, wenn sich die Suchfunktion so einrichten ließe, daß man in großen Threads sofort auf die richtige Seite geführt wird.
Als Alternative sollte man von jetzt an vielleicht alle Postings als leichter aufzuspürende "Neue Themen" einstellen.

Gruß

chinamul
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