Buchstabenpunzen bei der Stempelherstellung

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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chinamul
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Buchstabenpunzen bei der Stempelherstellung

Beitrag von chinamul » Sa 13.05.06 15:07

Da ich mich schon immer besonders für die technischen Abläufe bei der Münzprägung interessiert habe, hat die hierunter vorgestellte Münze meine Aufmerksamkeit erregt. Auffällig ist u. a., wie die ersten beiden Buchstaben der Av.-Legende (FL) durcheinanderpurzeln, anstatt sich, wie es sich eigentlich gehört, sauber in die Legende einzureihen. Schon diese Beobachtung legt für mich die Vermutung nahe, daß hier die Buchstaben nicht etwa in den Stempel graviert, sondern vielmehr mit Punzen eingeschlagen wurden. Dazu kommt aber auch noch, daß bestimmte Buchstaben, die mehrfach in den beiden Legenden auftauchen, sich teilweise erstaunlich ähnlich sind, was ebenfalls durch eine mehr oder weniger einheitliche "Handschrift" des Stempelschneiders nicht völlig zu erklären ist, sondern eben nur durch die Verwendung von Buchstabenpunzen. Das gilt vor allem für das im Vergleich zu den anderen Buchstaben durchweg deutlich größere S (4x).
Ich bin mir ziemlich sicher, daß eine gezielte Suche nach weiteren Beispielen dieser Art an anderen Folles der Tetrarchen meine Theorie untermauern würde.

Gruß

chinamul
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beachcomber
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Beitrag von beachcomber » Sa 13.05.06 15:15

halllo chinamul,
obwohl ich auch immer geglaubt habe, dass die römer diese technik nützen würden, ist doch diese,von dir vorgestellte münze, das beste beispiel, das dem nicht so ist.
schau dir nur mal die drei n's in 'constantius nob' an: alle unterschiedlich, und dass bei einem stempel mal punzen, und mal handgravierungen eingesetzt wurden, ist ja wohl sehr unwahrscheinlich!
grüsse
frank
ps: noch klarer die n's im vergleich von av und rv!
pps: tolle münze!

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Peter43
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Beitrag von Peter43 » Sa 13.05.06 17:05

Hallo Chinamul!

Wir hatten bereits einmal über das Verwenden von Punzen gesprochen. Hier ist der Link http://www.numismatikforum.de/ftopic6654-45.html

MfG
Omnes vulnerant, ultima necat.

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Beitrag von chinamul » Sa 13.05.06 18:30

@Peter43
Daran habe ich mich auch sehr wohl erinnert, meine aber, daß hier vielleicht neue Hinweise auf die Verwendung von Punzen vorliegen könnten.

@beachcomber
Auf die eigenartig wackelige Anordnung von FL gehst Du leider nicht ein. Wie erklärst Du Dir denn die bei einem Stempelschneider, der offenbar sein Graveurhandwerk ansonsten meisterlich beherrscht?

Übrigens lade ich Euch alle ein, doch mal anhand der sicherlich in Euren Sammlungen liegenden Folles die Stichhaltigkeit meiner diesbezüglichen Vermutungen kritisch zu überprüfen.

Gruß

chinamul
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Beitrag von beachcomber » Sa 13.05.06 19:58

halllo chinamul,
es ist ja nicht nur das FL was 'wackelig' ist, die ganze legende erscheint ja etwas 'wackelig'. zb sind die S's grösser und am ende der rv-legende versucht er mit seinen N's die 'kurve' zu kriegen.
dafür kann es meiner meinung nach mehrere gründe geben.
einmal wäre es denkbar, dass der graveur des porträts ein anderer war, als der der legende.warum sollte sowas nicht arbeitsteilig gemacht werden, oder vielleicht fangen lehrlinge mit legenden-schneiden an.
zu anderen könnte es sein, dass auf die ordentlichkeit der legende nicht soviel wert gelegt wurde, wie ich alllgemein glaube, dass mit dem porträt angefangen wurde, da oft die legende 'gequetscht' erscheint, weil irgendwelche darstellungen im weg waren.
im übrigen sollte die existenz von punzen doch eher die legende weniger 'wackelig' und gleichmässiger(was die grösse der buchstaben angeht) erscheinen lassen.
grüsse
frank

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Beitrag von 4037lech » Sa 13.05.06 21:20

Eine durchaus gängige Technik bei Beschädigungen von Metallstempeln ist die schadhafte Stelle auszubohren, mit einem Metallstift zu verschließen und dann nachzugravieren.

Warum sollte diese Methode nicht auch hier Verwendung gefunden haben. Ein nicht so versierter Graveur könnte die Legende dann etwas verhunzt haben.

Nur so eine Theorie von mir :roll:

B.A.
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Beitrag von B.A. » So 14.05.06 03:14

im übrigen sollte die existenz von punzen doch eher die legende weniger 'wackelig' und gleichmässiger(was die grösse der buchstaben angeht) erscheinen lassen.
ich glaube genau das Gegenteil ist der Fall, wenn man jeden Buchstaben einzeln schneidet erscheint das Gesamtbild gleichmäßig. Wenn man jedoch Punzen verwendet erscheint die Legende eher wackelig, da nicht jeder Buchstabe exakt positioniert werden kann.

Aber ob die Theorie von chinamul stimmt mag ich jedoch nicht zu bestätigen, bzw anzuzweifeln.

Mfg
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Beitrag von Wurzel » Mi 24.05.06 23:02

Hallo Zusammen,

beim suchen für die aktuelle Diskussion im Byzantinerforum habe ich eine Münze gefunden die Chinamul`s Theorie vielleicht etwas untermauern könnte.

http://www.wildwinds.com/coins/sb/sb1818.html

Die Münze ( ein Anonymer Follis aus Byzanz ) ist zwar ein paar Jahrhunderte jünger, aber ich meine mit meinen bescheidenen Kenntnissen doch Anzeichen für die Verwendung von Punzwerkzeugen erkennen zu können.
Besonders deutlich fällt mir beim Wort bASILEY in der dritten Zeile, auf dem Revers, bei den Buchstaben SIL eine "Blockbildung" unter den Buchstaben auf, die eventuell bei einem zu starken Schlag auf das Punzwerkzeug enstanden sein könnten.
Dann würde eben das Quadrat, auf dem sich der Buchstabe im Punzwerkzeug befindet, im späteren Prägestempel vertieft und demnach auf der Münze erhaben sein.
Ich hoffe dienlich gewesen zu sein.

Liebe Grüße Wurzel
http://www.wuppertaler-muenzfreunde.de/

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Beitrag von Zwerg » Mi 24.05.06 23:28

Guten Abend Wurzel

Bei der von Dir abgebildeten Münze ist die Verwendung von Punzen eindeutig. (oder Petzi wiederspricht!)

Leider läßt sich dies nicht auf die Römer oder Griechen anwenden. Es fehlen einige 100 Jahre Entwicklung.

Ich bin weiterhin der Meinung, daß man auch in Rom Punzen benutzte (Möglicherweise auch in Griechenland)- allerdings zählt eine Meinung nichts, wenn sie nicht belegt werden kann - außerdem prägte man in Rom recht lange.

Eine wissenschaftliche Abhandlung kenne ich nicht - es ist nur ein wenig Erfahrung.

Grüße
Zwerg
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Beitrag von curtislclay » Fr 26.05.06 16:11

Als Grund für die Verdoppelung der Buchstaben SIL auf dieser Münze würde ich Doppelschlag bei der Prägung, nicht Verwendung von Buchstabenpunzen bei der Stempelherstellung vorschlagen.

Weitere Indizien des Doppelschlags: die Linie unter E in derselben Zeile und die Linie unter RIS in der 2. Zeile.

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Beitrag von numisnumis » Mi 07.06.06 18:31

Hier ein weiteres Beispiel das wohl die Vermutung zulässt, dass im antiken Rom "Punzen" verwendet wurden.

4,5 g

Gruss
numisnumis
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Beitrag von Chippi » Mi 07.06.06 18:35

Wirklich lustig, doch ich vermute, dass es nur eine "Hilfslinie" für den Graveur war, damit er die Proportionen richtig einschätzen kann (Legende - Motiv).
Aber trotzdem ein sehr schönes Stück!

Gruß Chippi
Wurzel hat geschrieben:@ Chippi: Wirklich gute Arbeit! Hiermit wirst du zum Byzantiner ehrenhalber ernannt! ;-)
Münz-Goofy hat geschrieben: Hallo Chippi, wenn du... kannst, wirst Du zusätzlich zum "Ottomanen ehrenhalber" ernannt.

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Beitrag von Pscipio » Mi 07.06.06 19:47

Das ist eine Hilfslinie, die dem Stempelschneider helfen sollte, die Buchstaben schön im Kreis anzusetzen; das hat meiner Meinung nach nichts mit Punzen zu tun. Übrigens eine wundervolle Münze, auch die Hilfslinie habe ich in dieser Deutlichkeit bisher noch nicht gesehen.

Gruss, Pscipio
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Beitrag von Peter43 » Mi 07.06.06 22:10

Ähnliche Hilfspunkte finden sich oft auf Provinzialmünzen, wo sie das Zentrum für die Legende markieren. Hier findet sich ein solcher Punkt als kleine Erhebung auf dem Revers zwischen den beiden Figuren li unter dem berüchtigten Loch.

Mfg
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