Kleiner Bericht aus der Provence - Teil 7: Das Oppidum von Saint-Blaise (Folge 1/2)
Zwischen der Rhone-Mündung und Marseille liegt am östlichen Rand des Étang de Berre unweit des Meeres und zwischen allerlei Seen das sogenannte Oppidum von Saint-Blaise (
https://fr.wikipedia.org/wiki/Oppidum_de_Saint-Blaise). Es ist (leider
) nicht sonderlich bekannt, ist aber einer der Orte, an dem sich die vielfältigen Einflüsse des westlichen Mittelmeerraums auf das Südgallien der Eisenzeit exemplarisch zeigen. Was die heute sichtbaren Reste betrifft, kann Saint-Blaise an Schauwert zwar nicht mit Glanum oder Nimes mithalten, durch seine geheimnisvolle Geschichte und idyllische Lage fasziniert es aber trotzdem
.
Saint-Blaise war bereits in der Steinzeit besiedelt, im siebten oder sechsten Jahrhundert v. Chr. entstanden dann erste stadtähnliche Strukturen. Es wurde eine etwa 400 Meter lange Stadtmauer errichtet, die den Ort gegen die von Süden her ansteigende Ebene abriegelte. Auf den anderen Seiten war Saint-Blaise durch steile Abhänge geschützt.
Die Stadt wurde vermutlich durch Salzhandel wohlhabend, in den umliegenden Seen hat man Spuren von antiken Salinen gefunden (und Salz wird im Étang de Berre bis heute produziert
).
Aus dieser Zeit, in die ja auch die Gründung von Massalia fällt, wurden in Saint-Blaise Keramikscherben etruskischer Herkunft, aber in geringerem Maße auch aus Süditalien und gar dem griechischen Raum gefunden. Es sieht also so aus, als ob der Ort gar nicht primär von Massalia aus mit den Gütern des modernen Lebens beliefert wurde, was man ja zunächst annehmen würde.
Die weitere Besiedlungsgeschichte war aber sehr unstet. Es gibt zwischen dem fünften und zweiten Jahrhundert v. Chr. eine Art archäologisches Loch fast ohne Funde
,
so dass in dieser Zeit eher eine kümmerliche Besiedlung anzunehmen ist, wenn überhaupt. Am Beginn dieser Zeit stand ein Brand (den man archäologisch nachweisen kann und der auf etwa 475 v. Chr. datiert wird), dessen Ursache man aber nicht kennt.
Im zweiten Jahrhundert v. Chr. erlebte Saint-Blaise wieder einen Aufschwung, in dessen Rahmen die Stadtmauer erneuert wurde. Ihr Verlauf blieb derselbe, aber sie wurde mit akkurat zurechtgehauenen
Quadern ausgebaut und neu ummantelt. Man nimmt an, dass sie von griechischen Handwerkern ausgeführt wurde, die aber eventuell auch Arbeitserfahrung im punischen Raum besaßen, da die Mauer einige Eigenheiten aufweist, die nicht typisch griechisch sind.
Hier sieht man einen Teil dieser Mauer, an dem man rechts vorne die sauber gemeißelten Steine der hellenistischen Mauer sieht, dahinter die Reste der archaischen.
Es gibt da auch einen Artikel von einem Baurestaurator und Steinmetzmeister, der schön beschreibt, wie mit den damaligen Werkzeugen diese Quadersteine hergestellt wurden (natürlich wieder auf Französich
, aber mit vielen Bildern
):
http://www.persee.fr/doc/dam_0184-1068_1980_num_3_1_898
Eindrucksvoll sind die Reste des großen Stadttors, das über einen vorgesetzten Turm verfügte (vorne rechts), so dass man durch einen längeren Gang musste, bis man in der Stadt drin war.
Auf dem Ausgrabungsgelände sind ein paar Bilder aufgehängt, auf denen zu sehen ist, wie das vielleicht mal ausgesehen hat. Daran kann man auch ganz gut abschätzen, welche Ausmaße diese Anlage besaß.
Außerhalb der Mauern gibt es noch einige alte Wege, die auf das Stadttor zulaufen und die man an den ausgefahrenen Karrenspuren erkennen kann.
Etwa um 125 bis 120 v. Chr. wurde Saint-Blaise zerstört, vermutlich von den Römern, die damals auf Anfrage aus Massalia im kelto-ligurischen Hinterland das größer werdende Selbstbewusstsein
dieser Völker brachial beendeten. Man hat Zeugnisse einer großen Belagerung gefunden (Pfeilspitzen, Steingeschosse usw.), an deren Ende die Mauern komplett geschleift wurden.
Die Stadt wurde dann relativ bald wieder verlassen, erst im vierten Jahrhundert n. Chr. gab es eine erneute Besiedlung. Ende des 14. Jahrhunderts n. Chr. zog die Bevölkerung dann an einen unten
in der Ebene gelegenen Ort, das heutige Saint-Mitre-les-Remparts.
Diese bewegte Geschichte macht es nun sehr schwer, die innerhalb der Stadt ausgegrabenen Strukturen einzuordnen, auf den ersten Blick wirkt das alles wie ein großes Durcheinander
.
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