Münzverruf
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Münzverruf
Eine paar Fragen zum Münzverruf im Mittelalter:
1. Ich bin auf der Suche nach dem englischen Begriff für "Münzverruf". Hat jemand eine Ahnung wie das in der Englischen historischen Literatur bezeichnet wird?
2. Bezeichnet man mit dem Begriff "Münzverruf" beides, Entwertung der Münzen durch Verwendung eines geringeren Feinsilbergehalts bei gleichen Gewicht, und Zwangsumtausch z.B. 9 neue für 12 alte Münzen bei gleichen Gewicht der Münzen.
3. Kam "Münzverruf" nur im Heilig Römischen Reich vor, oder auch in Frankreich und England (und auch anderen Ländern?). Bzw, wie wurde das in anderen Reichen/Ländern gehandhabt?
DANKE!
1. Ich bin auf der Suche nach dem englischen Begriff für "Münzverruf". Hat jemand eine Ahnung wie das in der Englischen historischen Literatur bezeichnet wird?
2. Bezeichnet man mit dem Begriff "Münzverruf" beides, Entwertung der Münzen durch Verwendung eines geringeren Feinsilbergehalts bei gleichen Gewicht, und Zwangsumtausch z.B. 9 neue für 12 alte Münzen bei gleichen Gewicht der Münzen.
3. Kam "Münzverruf" nur im Heilig Römischen Reich vor, oder auch in Frankreich und England (und auch anderen Ländern?). Bzw, wie wurde das in anderen Reichen/Ländern gehandhabt?
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Re: Münzverruf
Manchmal liest man im Englischen den lateinischen Bergriff "Renovatio Monetae"
- QVINTVS
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Re: Münzverruf
zu 2.
Münzverrufung meint, dass gegen eine höhere Anzahl alter Münzen eine geringere Anzahl neuer Münzen "getauscht" wurde. Es war eine Form der Steuererhebung.
Sollte dabei auch der Feingehalt verringert werden, war das eine "geheime" zusätzliche Besteuerung, die in der Folge der Münzherr dann aber auch tragen musste. Bei der nächsten Verrufung erhielt er die Münzen mit geringerem Silberanteil zurück. Im 15. Jh. wurde das in Bayern und Österreich gemacht und führte zu einer großen "Inflation" - Schinderlingszeit genannt. In den zeitgenössischen Verträgen, Urkunden, usw. war es auch die "böse münz".
Münzverrufung meint, dass gegen eine höhere Anzahl alter Münzen eine geringere Anzahl neuer Münzen "getauscht" wurde. Es war eine Form der Steuererhebung.
Sollte dabei auch der Feingehalt verringert werden, war das eine "geheime" zusätzliche Besteuerung, die in der Folge der Münzherr dann aber auch tragen musste. Bei der nächsten Verrufung erhielt er die Münzen mit geringerem Silberanteil zurück. Im 15. Jh. wurde das in Bayern und Österreich gemacht und führte zu einer großen "Inflation" - Schinderlingszeit genannt. In den zeitgenössischen Verträgen, Urkunden, usw. war es auch die "böse münz".
Viele Grüße
QVINTVS
Das Leben besteht aus vielen kleinen Münzen,
und wer sie aufzuheben versteht,
hat ein Vermögen.
Jean Anouilh (franz. Dramatiker, 1910 - 87)
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Re: Münzverruf
Waren die Leute zum Umtausch verpflichtet? Nachdem es sich dabei ja nicht um Scheidemuenzen handelte und die Muenzen ja einen materiellen Silberwert hatten, warum wurden diese nicht auf die Seite geschafft und eingeschmolzen oder untereinander getauscht?
- QVINTVS
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Re: Münzverruf
Wer auf einem Markt verkaufen und kaufen wollte, wurde vorher verpflichtet, die Münzen umzutauschen. Wer zuwider handelte bekam eine auf die Mütze. Die Münzen konnte man natürlich ansparen. Wie sie dann allerdings später verrechnet wurden, das ist offen! Im 12.-13. Jh. war das wohl nicht sehr dramatisch. Im 15. Jh. gab es in Bayern (herzogliche) Münzaufkäufer, die die alten guthaltigen Münzen aufkauften, in die Münze zum Schmelzen einlieferten und dann minderwertige Pfennige geprägt wurden. Siehe dazu Emmerig, 15. Jh.
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- QVINTVS
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Re: Münzverruf
Auch hier ist wieder die betrachtete Zeit wichtig. Deshalb bei Deinen Fragen die Zeit, die Du meinst dazuschreiben, sonst könnte die Antwort womöglich nicht zutreffend sein.
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Re: Münzverruf
Danke! Über den lateinischen Begriff habe ich die Englische Bezeichnung gefunden: Recoinage!
- Otakar
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Re: Münzverruf
In Österreich wurde die Münzverrufung von (Erz-)Herzog Rudolf IV. (1358-1365) abgeschafft und dafür die Getränkesteuer eingeführt. Der Niedergang des Pfennigs konnte dadurch aber nicht aufgehalten werden, da er den Pfennig an den Marktpreis des Silbers band, was zu neuerlichen Verunsicherungen und schließlich 100 Jahre später zum totalen Zusammenbruch der Pfennigwährung führte.
OTAKAR
- Comthur
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Re: Münzverruf
Den "Münzverruf" würde ich nicht unbedingt in einem Atemzug mit (genereller) Verringerung der Landesmünze verwenden.
Im Gebiet des Deutschen (Ritter-)Ordens wurde in der Kulmischen Handfeste (13.Jh.) festgelegt, daß nur alle 10 Jahre (!) die Münzen erneuert(!) werden sollen. Für 12 neue Denare wurden nicht mehr als 14 der alte Pfennige resp. Denare eingefordert.
Mag das Ordensgebiet diesbezüglich ein Paradies gewesen sein ... wer die Brakteatenförmigen Münzen der damaligen Zeit bedenkt, sollte die pauschale Propaganda der "ausbeuterischen Landesherren" mal beiseite lassen und wirklich praktikable Gründe in den Vordergrund rücken. Also hat der Wechsel nicht unbedingt etwas mit einem Verruf zu tun. Auch späterhin konnten Münzen ihrem Wert nach eingewechselt werden. Für den Handel selbst bevorzugte man selbstverständlich Stückelungen mit selbem Gepräge = selbem Wert.
Verrufen, also m.E. eine Ausserkussetzung, wurden meist geringe Gepräge anderer Länder, welche sich im eigenen Territorium im Umlauf befanden. Auch extrem geringe Gepräge (infolge einer Notzeit / Kriege etc.) konnten im Rahmen einer Münzreform "verrufen", sprich ausser Kurs gesetzt, werden.
Gerade in der Zeit des Regionalen Pfennigs, also des Mittelalters, wurden von Zeit zu Zeit - häufiger alle Jahre - die dünnen Münzchen "erneuert". Kein Händler wäre weit gefahren, um sich mit Brakteatenbruchstücken beschäftigen zu müssen. Ausserdem benötigte man mit umfangreicher werdendem Handel auch Barren und größere Nominale mit größerer Umlauffähigkeit.
Eines evtl. auch nicht zu unterschätzen : Der vergleichende Gedanke an heutige "Regionalwährungen" ... das früher ohnehin nicht üppige Silbervorkommen in der eigenen(!) Region zu halten.
Die Motivation für einen mehr oder minder erzwungenem Wechsel (-siehe Schatzfundinhalte verschiedenster Prägungen!) kann also nicht pauschalisiert werden. Auf polnischem Gebiet im Mittelalter mitunter sogar 3 Mal im Jahr (...). Ausbeutung oder nicht, daß kann letztendlich nur die Beschäftigung mit der Regionalgeschichte beantworten. Der Blick in die alten Dokumente, weniger in die neuzeitlichen, ideologisch eingefärbten Interpretationen.
Im Gebiet des Deutschen (Ritter-)Ordens wurde in der Kulmischen Handfeste (13.Jh.) festgelegt, daß nur alle 10 Jahre (!) die Münzen erneuert(!) werden sollen. Für 12 neue Denare wurden nicht mehr als 14 der alte Pfennige resp. Denare eingefordert.
Mag das Ordensgebiet diesbezüglich ein Paradies gewesen sein ... wer die Brakteatenförmigen Münzen der damaligen Zeit bedenkt, sollte die pauschale Propaganda der "ausbeuterischen Landesherren" mal beiseite lassen und wirklich praktikable Gründe in den Vordergrund rücken. Also hat der Wechsel nicht unbedingt etwas mit einem Verruf zu tun. Auch späterhin konnten Münzen ihrem Wert nach eingewechselt werden. Für den Handel selbst bevorzugte man selbstverständlich Stückelungen mit selbem Gepräge = selbem Wert.
Verrufen, also m.E. eine Ausserkussetzung, wurden meist geringe Gepräge anderer Länder, welche sich im eigenen Territorium im Umlauf befanden. Auch extrem geringe Gepräge (infolge einer Notzeit / Kriege etc.) konnten im Rahmen einer Münzreform "verrufen", sprich ausser Kurs gesetzt, werden.
Gerade in der Zeit des Regionalen Pfennigs, also des Mittelalters, wurden von Zeit zu Zeit - häufiger alle Jahre - die dünnen Münzchen "erneuert". Kein Händler wäre weit gefahren, um sich mit Brakteatenbruchstücken beschäftigen zu müssen. Ausserdem benötigte man mit umfangreicher werdendem Handel auch Barren und größere Nominale mit größerer Umlauffähigkeit.
Eines evtl. auch nicht zu unterschätzen : Der vergleichende Gedanke an heutige "Regionalwährungen" ... das früher ohnehin nicht üppige Silbervorkommen in der eigenen(!) Region zu halten.
Die Motivation für einen mehr oder minder erzwungenem Wechsel (-siehe Schatzfundinhalte verschiedenster Prägungen!) kann also nicht pauschalisiert werden. Auf polnischem Gebiet im Mittelalter mitunter sogar 3 Mal im Jahr (...). Ausbeutung oder nicht, daß kann letztendlich nur die Beschäftigung mit der Regionalgeschichte beantworten. Der Blick in die alten Dokumente, weniger in die neuzeitlichen, ideologisch eingefärbten Interpretationen.
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Re: Münzverruf
Danke für die ausführlichen Antworten. Ich habe in einem alten Buch (um 1860) über die Geschichte von München ein Kapitel über die herzögliche Münze gelesen. Und anscheined wurde Münzverruf in München in der 2. Hälfte massiv von den Herzögen misbraucht, dass der Münchner Pfennig damals keinen guten Ruf mehr hatte, und die Bürger letztendlich 1295 die Münze niedergebrannt und den Münzmeister erschlagen haben. Daraufhin hat Herzog Rudolf der Stammler einen neue Münzestätte an anderer Stelle erbauen lassen. Ob sich die Situation daraufhin aber verbessert hat, weiss ich nicht. Die Münchner Pfennige, die ich habe Stammen aus der Zeit nach 1200, daher sind die wohl in der neuen Münze oder ganz wo anders geprägt.
Daher stammt mein Interesse zum Thema.
Weiss jemand welche Münzen in der alten Münze am Marienplatz vor 1295 geprägt worden sind?
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Weiss jemand welche Münzen in der alten Münze am Marienplatz vor 1295 geprägt worden sind?
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