Timestheus hat geschrieben: ↑Mi 15.12.21 18:41
Wenn ich mir mal etwas OT erlauben darf. Ich fände es schade, wenn Mitleser und auch aktive Mitglieder die eine oder andere Münze zurückhalten, nur aus der Überlegung die ist nicht "gut genug", als das man sie im Forum zeigen "dürfe". So ist das Leben - da ist alles vertreten - von hübsch bis schräg. Das nennt man Vielfalt. Und ob die Münze nun EF oder "nur" F ist ... wer weiß was sie alles durchgemacht hat und was sie heute könnte alles erzählen.
Danke für den Beitrag. Man stelle dich vor, man hat eine abgeranzte Münze, die keine große Beachtung erfährt. Mit einer (geringen) Wahrscheinlichkeit könnte aber ein berühmter Senator, Feldherr, Statthalter oder sogar Kaiser diese Münze in der Hand gehabt haben. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 1 zu 10 Millionen oder so hat sogar jemand aus dem Forum den Tribut-Penny aus der Bibel, den Jesus persönlich in der Hand hielt, in seiner Sammlung liegen.
Ich wollte eigentlich beim Münzspiel mal meinen mäßig erhaltenen Lugdunum Tiberius-Caesar-Semis (den man nicht so oft sieht) zeigen, da war aber jemand mit Constantinus II. schneller.
friedberg hat geschrieben: ↑Mi 15.12.21 19:29
Bei dem fraglichen Stück Typ: 343 oben war ich selbst am Überlegen ob soetwas noch sammelwürdig ist oder nicht.
Ausschlaggebend war bei mir die Seltenheit des Vorkommens. Ein Stück der gleichen Erhaltung in häufig (C / C2 / C3)
muss man sich meiner Meinung nach wirklich nicht hinlegen.
Bei so Aussagen muss ich Einspruch erheben. JEDE römische Münze ist grundsätzlich sammelwürdig, nur passt natürlich nicht jede Münze in jede Sammlung und natürlich haben Sammlungen mit ausschließlich hochwertigen Stücken ihre Daseinsberechtigung. Aber auch ein abgeranzter Constantinus I.-Lagertor-Follis im Wert von 0,5-3€ kann einem Sextaner, der im Lateinunterricht gerade die ersten Dinge über das alte Rom lernt, jemandem, der einfach nur ein antikes Teil zu Hause haben will etc. eine Freude machen.
Was soll man mit "nicht sammelwürdigen" Münzen machen? Wegwerfen? Meiner Meinung nach auf gar keinen Fall!
Und die ästhetischen Ansprüche und Zahlungsbereitschaft muss JEDER FÜR SICH SELBST festlegen.
friedberg hat geschrieben: ↑Mi 15.12.21 20:18
Mit "werterhaltend zusammen tragen" meine ich das man sich halt umfassend informiert und ein gewisses eigenes
Preisgefühl entwickelt. Klicke ich bei einer Auktion noch dreimal auf BIETEN obwohl ich schon im Bietergefecht stehe.
Ist das gewünschte Stück völlig überteuert und ich habe meinem Verkäufer Weihnachten mitten im Jahr beschert.
Trage ich eine Sammlung Edelschrott zusammen die meine Nachfolger oder sogar ich selbst kaum wieder los werden.
Ich mag es nicht, wenn Relikte aus der Antike "Schrott" genannt werden, unabhängig davon, ob der finanzielle oder ästhetische Wert groß ist oder nicht.
Und wenn man mal einen Blick auf die Preise von abgeranzten, nicht seltenen, aber gefragen Münzen wirft (Caligula Vesta-As, Tribute Penny, Caesarfant, Augustus-Caius/Luciusdenar...) haben aus Sicht der Werterhaltung einige Leute vor einigen Jahren mit diesen nicht besonders gut erhaltenen Münzen anscheinend einiges richtig gemacht.
Mit diesen Münzen z.B. haben die Einlieferer wohl kaum Verluste gemacht:
https://www.biddr.com/auctions/savoca/b ... &l=1919817
https://www.biddr.com/auctions/biganumi ... &l=2056719
https://www.biddr.com/auctions/savoca/b ... &l=1990527
https://www.biddr.com/auctions/numismat ... &l=2039403
Ich bin auch dazu übergegangen, zunehmend bessere Erhaltung, also in etwa das, was Naumann ss nennt (Savoca z.B. nennt von s bis manchmal vz- fast alles ss, ist im Prinzip auch egal) zu kaufen. Und tritzdem bereue ich nichts von dem, was ich in s gekauft habe. Ich habe bislang noch keine besonders teuren Münzen, ich mag aber meinen 7,50€ Traianus-Quadrans (etwas korridiert mit winzigem, aber gar nicht so schlechtem Portrait des Optimi Principis) fast so gerne wie meinen wirklich schönen 245€-Verus-Sesterzen in ordentlichem ss.
Die nicht gut erhaltenen Münzen waren alle nicht so teuer, da kann ich nicht viel Verlust machen. Und was viele "No-go" nennen (Ausbrüche, Löcher...) bewerte ich nach Einzelfall. Solange die Echtheit noch nachgewiesen werden kann und mich das ästhetisch nicht stört, soll da doch ein Loch drin sein.
Wieviel Wert ich auf Erhaltung lege, hängt von folgendem ab:
1. Lohnt die gute Erhaltung überhaupt? So ein Sesterz aus dem zweiten (oder auch ersten) Jahrhundert z.B. oder auch ein Denar aus der Republik kann ein kleines Kunstwerk sein. Ein Follis ab der Tetrarchie kann normalerweise in keiner Erhaltung mit einem schönen Sesterzen aus dem zweiten Jahrhundert in ss mithalten. Ein Lugdunum-Tribute-Penny ist meist (für meinen Geschmackt) vom Stil schon besser, auch nicht so gut wie ein Sesterz aus Rom in gutem Stil. Da kann man dann auch Abstriche machen. Was an der Münze gut erhalten sein muss, finde ich auch nicht unwichtig. Mal finde ich die Legende wichtiger, mal das Portrait, mal die Reversdarstellung...
2. Kann und will ich mir die gute Erhaltung leisten? Nehmen wir an, ich will mir Denare für 1000€ kaufen. Ich kann für 800€ einen wirklich sehr guten Tribut-Penny kaufen und für die restlichen 200€ dann noch 5 eher mäßig erhaltene Denare z.B. aus dem 2. Jahrhundert. Ich kann auch 5 wirklich sehr schöne Denare und einen etwas ranzigen Tribute-Penny für das Geld kaufen. Verstehe nicht, was dagegen spricht, außer vielleicht, dass eine gefragte häufige Münze in schlechter Erhaltung einen als "nicht ernsthaften" Sammler entlarvt? Münzen sammeln ist kein Wettbewerb und da ist keine Leistung bei. Das einzige, was beim Sammeln mit Leistung zu tun hat, sind historische und numismatische Kenntnisse, von denen hier viele weit mehr haben als ich. Aber von schlecht erhaltenen Münzen werden die nicht mehr oder weniger.
3. Finde ich die Münze in besserer Erhaltung bzw. habe ich ausreichend Geduld? Manchmal ist das gar nicht so leicht. Wenn die Münze nicht so teuer ist und man will sie unbedingt haben, warum dann nicht in weniger guter Erhaltung? So viel Verlust kann man nicht machen.
4. Macht die Abnutzung die Münze hässlich oder ist die Münze trotz Abnutzung noch sehr ästhetisch? Das kann stark schwanken.
Langfristig glaube ich außerdem, dass man mit den wunderschönen, gut erhaltenen Münzen ziemlich viel Verlust macht. Es herrscht die Mentalität, in der Schule nur noch praktische Dinge zu lernen, Latein und Geschichte interessiert nicht viele. Ich gehöre wahrscheinlich zu den letzten, die Anfang des Jahrtausends in der fünten Klasse mit Latein angefangen haben und wie meine Klassenkameraden Caesar und Augustus "cool" fanden. Es gibt auch keine Sandalenfilme mehr, Asterix und co. ist nicht mehr aktuell, das Christentum, das mit der römischen Geschichte in Verbindung steht, verliert stark an Bedeutung.
Die Leute, die durch das alles geprägt wurden und Interesse an römischer Geschichte und römischen Münzen bekommen haben, werden irgendwann altersbedingt nicht mehr sammeln oder sterben, dann gibt es weit weniger, die römische Münzen interessieren. Dementsprechend denke ich, wenn man kein Händler ist, sollte man sammeln, was einem gefällt und interessiert.