Hallo in die Runde,
ein hoch interessanter, thematisch vielfältiger Thread, da will ich auch mal meinen "Senf" dazu geben...
Ja, jeder von uns sammelt anders, mit jeweils anderen Schwerpunkten und mit anderen (materiellen) Voraussetzungen. Obwohl ich, als ich noch berufstätig war, als IT-Experte etwas über dem "Einkommens-Median" verdient habe, würde ich mich nicht als "reich" bezeichnen: Ich wohne in einer eher kleinen Wohnung zur Miete im billigen Osten, habe nie ein Auto besessen, kaum je "teuren Urlaub" gemacht, auch nicht mein Geld in irgendwelche Kneipen getragen, sondern wirklich fast alles seit ca. 45 Jahren in meine geliebten Münzen investiert. Die Numismatik ist eben mein einziges richtiges Hobby. (Okay, ich mag auch mechanische Luxusuhren sehr ... aber das ist eher so eine Neben-Liebhaberei von mir ...)
Dennoch besteht meine Sammlung nicht nur aus "teuren Luxusmünzen"; auch wenn ich mir eine zahlenmäßig kleine solche durchaus zusammentragen könnte. Denn für mich ist stets die historische Aussage "hinter den Münzen" interessant. Und da können manch unscheinbare Münzen wesentlich mehr Gehalt haben, als irgendwelche superteuren Prachtstücke (wie dieser berühmt-berüchtigte Hadrian-Sesterz, der nur wegen seines Stiles für ca. 2 Mio. Franken verauktioniert wurde...)
Andererseits hatte ich schon immer ein besonderes Faible für Goldmünzen, und die sind - wenn antik - wirklich oft verdammt teuer (oder, als Byzantiner, eher langweilig

) ... trotzdem gibt es welche, die sich auch ein "Normalverdiener" durchaus leisten konnte (und immer noch kann). Nur sind das dann eben
keine "geleckten Investorenmünzen" in vz-prfr., von feinstem Stil (und oft - z.T. hervorragendst und damit für Sammler hochgefährlich! - gefälscht/verfälscht [gestopfte Löcher!] ... weil sich's bei solchen Beträgen einfach lohnt).
Ich möchte hier mal ein solches Beispiel aus dem Römer-Bereich vorstellen:
Technische Daten dieses Binios: 3,763 g, Durchmesser 19 ... 20,5 mm; Göbl MIR 1093c (Mzst. Mailand, 4. Emission, 262/3 u.Z.)
Zunächst einmal greife ich die Anregung von Perinawa oben auf, die "Macken" möglichst marktschreierisch herauszustellen (über diese Idee habe ich mich übrigens köstlich amüsiert

):
"Beachtet das wahnsinnig unregelmäßige Loch, die vielen, nicht nur dezenten Kratzer, den welligen Schrötling, und auf dem Revers den unendlich flauen Stempel von primitivstem Stil, der die erwähnten Kratzer noch zusätzlich betont!"
... also alles andere als eine typische Investoren-Münze!
Trotzdem ist das für mich einer meiner absoluten Lieblings-Römer aus meinem Lieblings-Metall. Jedem Römer-Kenner ist zunächst sofort klar, daß das kein "typischer Aureus/Binio" ist: Für eine reguläre Goldprägung ist vor allem der Revers-Stil viel zu primitiv. Diese Münze ist definitiv aus Antoninian-Stempeln geprägt worden, und folgerichtig kennt Göbl im MIR vom typ- und stilgleichen Antoninian ca. 250 Expl., gegenüber nur 4 aus Gold.
Zum geschichtlichen Hintergrund: Hier hat es wohl eine Kampf-Aktivität der norditalienischen Truppen gegeben (sicher gegen Postumus' Gallisches Teilreich; die Quellenlage ist hier bekanntlich sehr mager), und die Legionäre wollten als Donatio nicht die schon total entwerteten Billon-/AE-Antoniniane haben, sondern
Gold. Das mußte also her! Und zwar
sofort!! Also wurde mit den vorhandenen Antoninian-Stempeln diese (sicher im Original nur sehr kleine) Serie geprägt. Sozusagen eine Art "Notmünzen aus Gold" (so ähnlich wie die berühmten "Elefanten": 15 Rupien aus Deutsch-Ostafrika von 1916). Das Loch ist garantiert zeitgenössisch: Der mit dieser Münze belohnte Soldat hat sie dann wohl als Schlachtandenken um den Hals getragen (weshalb auch der Revers zusätzlich zum eh schon flauen Stempel noch ganz besonders abgenutzt ist).
Tja, und ca. einunddreiviertel Jahrtausend später hat sie ein sächsischer Informatiker Anno 2009 auf einer Berliner Auktion erworben (übrigens inkl. Aufgeld für unter 1000,- € .... jaja, laaaang ist''s her

....), und der erfreut sich nun daran. Habent sua fata nummi.
