Die Gottheit von Gabala - ein ungelöstes Rätsel
Das antike Gabala ist heute unter dem Namen Jableh eine syrische Hafenstadt, 25km südlich von Latakia, dem antiken Laodicea ad Mare. Es war Teil des Königreichs von Ugarit, wo es ca. 1200 v.Chr. in den Archiven unter „
Gb'ly“ aufgeführt ist. Zur Zeit der Phönizier gehörte es zur Konföderation von Arados und wurde im 1. Jh. v. Chr. unabhängig. Der Hafen ist typisch phönizisch: ein Strand hinter einer Öffnung in der Sandsteinbarriere, die die Küste bildet, mit einem Außenhafen. In der Antike war es eine bedeutende hellenistische und römische Stadt. Pausanias erwähnt, daß ein Peplos der Harmonia (oder der Eryphyle) der Nereide Doto geweiht war und in ihrem Tempel gezeigt wurde, und im 5. Jh. n. Chr. erklärte Theodoretos von Cyrrhos die Stadt zu einem bezaubernden kleinen Ort. Aus der römischen Zeit ist das Theater erhalten geblieben.
Römisches Theater in Gabala (Wikipedia)
Der Osten war in der Antike voll von Gottheiten. Hier möchte ich eine Münze vorstellen, deren Rückseite immer noch ein Rätsel darstellt.
1. Münze:
Syrien, Seleukia und Pieria, Gabala, Commodus, 177-192
AE 25, 12.18g, 150°
geprägt im Jahr 234 der cäsarischen Ära (= 187/88)
Av.: AYT KAI [MAΡ - AYΡ KOMOΔON] (von re. oben)
bärtiger Kopf, belorbeert, n. r.
Rv.: AN – [ΠA ΔΛC]
Göttin in langer Kleidung und mit Modius, steht frontal auf einer Basis,
hält in der erhobenen Rechten Bipennis und in der Linken Schild;
zu beiden Seiten der Basis der Vorderteil eines Pferdes mit gesenktem
Kopf nach außen blickend; re. Tyche (Stadtgöttin) in langer Kleidung
und mit Mauerkrone, n.l. thronend, [hält im li. Arm Cornucopiae] und
in der vorgestreckten Rechten Ruder.
Im Abschnitt ΓABAΛE[ωN]
Ref.: Mionnet V, p. 236, 640 (40fr.); SNG Paris 1028; Lindgren III, 1186;
RPC IV.3, 6970 (temp.), 8 Ex.; H.Seyrig 'Cultes de Gabala', RN
(1964), p.24 (zitiert 2 Ex. in ANS und 2 Ex. in Paris); SNG Copenhagen -; BMC -
sehr selten, SS, sandige braune Patina, etwas rauh
Pedigree:
ex CNG Auction 29, Lot 62652
ex coll. J.S.Wagner
Diese Münze wirft viele Fragen auf: So ist die Bedeutung von
ANΠA (auch
ANNA, z.B. Mionnett) auf dem Rev. bis heute ungeklärt. Weiterhin ist bis heute unklar, ob es sich bei der Statue um eine weibliche oder eine männliche Gottheit handelt. Das Hauptproblem aber sind die beiden Pferde. Von ihrer Bedeutung hängt die Bestimmung der Figur entscheidend ab.
Für diese Gottheit gibt es viele unterschiedliche Benennungen:
(1) Mionnet: Bärtige Gottheit
(1) Head HN: Veiled cultus-statue of a Syrian godess (Astarte, Aphrodite?) accompanied by two sphinxes
(2) Imhoof-Blumer: Astarte oder Aphrodite
(3) CNG auction 29: Deity (völlig neutral!)
(4) CNG auction 201: bearded deity (männlich)
(5) ANS: Male figure holding bipennis and sceptre (vielleicht eine andere Münze?)
(6) R. Dussaud: Venus
(7) S. Ronzevalle:Paredros des Jupiter Heliopolitanus (Atargatis), von Löwen flankiert
(8) H. Seyrig: Baal
Ich hatte gehofft, durch eine zweite Münze Licht auf die Probleme werfen zu können.
2. Münze:
Syrien, Seleukis und Pieria, Gabala, Julia Domna, 193-217
AE 24, 8.38g, 23.66mm, 0°
Av.: IOVΛIA - ΔOMNA CE
Büste, drapiert, n. r., dahinter Mondsichel
Rv.: ΓABA - ΛEΩN
Kultstatue der Göttin von Gabala in langem Gewand und mit Polos,
frontal stehend, hält im li. Arm bilobischen Schild und in der
erhobenen Rechten Bipennis über ihren Kopf; flankiert
von den Vorderteilen einer Sphinx n. l. und eines Löwen n. r.
Ref.: RPC V/3, ID 86172 (1 Ex., schlecht erhalten und falsch beschrieben);
SNG Copenhagen -; BMC -
sehr selten, S+, rötliche Sandpatina wie wir sie aus Syrien kennen
Leider kann diese Darstellung bei unseren Problemen nicht helfen, sondern fügt weitere hinzu. Die Haltung entspricht zwar genau der Gottheit auf der Commodusmünze. Aber die Kleidung weist sie eindeutig als weiblich aus. Und wir haben hier keine begleitenden Pferde, sondern eine Sphinx und einen Löwen. Also handelt es sich hier enweder um eine andere Göttin oder die Attribute sind austauschbar. Das aber wäre eine unbefriedigende Situation!
Zu den begleitenden Tieren:
(1) Die westsemitische Astarte war zusammen mit Anat Göttin der Pferde und Wagen'
(2) Sphingen: kommen bei Astarte vor
(3) Löwen: sind typisch fü Atargatis
Am ausführlichsten hat sich Henri Seyrig (1895-1973 mit dieser Gottheit beschäftigt. Ich zitiere:
Es handelt sich um einen bärtigen, drapierten Baal, der auf einer Basis steht, die von zwei gezäumten Pferdevorderteilen flankiert wird - letzteres ist auf einem Exemplar deutlich sichtbar. Der Gott schwingt einen Bipennis und hält an seinem linken Arm einen ungewöhnlichen Schild, der wie zwei Scheiben geformt ist, die durch einen rechteckigen Teil miteinander ver-bunden sind. Der Gott wirkt im phönizischen Pantheon wie ein Fremder, selbst im Pantheon von Mittelsyrien, wo der Bipennis nicht heimisch ist, der Schild unbekannt ist und der Pferdegott kaum bekannt ist.
Die Attribute sind nur im nördlichsten Teil Syriens, an der Grenze zu Kommagene und Kilikien, heimisch. Dort herrschte der Gott von Doliche mit seinem Bipennis. Vor allem aber, wenn man bis zum Königspalast von Zincirli zurückgeht, der wahrscheinlich von Salmanassar V. (727-722) errichtet wurde, findet man dort einen Gott mit einem Bipennis, mehrere andere mit einem bilobischen Schild und schließlich zwei gezäumte Pferde, die den Sockel einer großen Statue flankieren. Das Idol von Gabala scheint ein isoliertes Relikt dieser nordsyrischen Kunst zu sein, das unter Umständen, die wir heute nicht mehr kennen, an die Küste gelangte und bis ins Kaiserreich hinein religiös bewahrt wurde.
Das Idol von Gabala ist in seiner Region vielleicht nicht allein. Münzen aus Laodicea zeigen das archaische Idol einer kriegerischen Göttin mit Polos, einer Art Harpe und einem ovalen Schild, flankiert von zwei Hirschen. Dasselbe Bild, jedoch mit einem Helm mit Helmzier, ziert Münzen aus Aegeae in Kilikien, als ob beide Städte denselben Kult geteilt hätten. Hirsche sind die Begleiter der Göttin von Doliche und vieler anderer kleinasiatischer Göttinnen, wenn sie in der Zeit, in der die Göttin von Doliche und viele andere kleinasiatische Göttinnen lebten, von den Hirschen begleitet wurden.
Die Natur von Baal zu den Pferden lässt sich leider nicht etablieren. In anderen Teilen des Orients gab es einen Pferdegott, nämlich Schamasch, der auf den Reliefs von Maltaya (oder Baviian) um 700 v. Chr. auf einem braunen Pferd stehend abgebildet ist. Und wir erinnern uns an die Pferde und den Wagen der Sonne, die ein König, der Jahwe untreu war, vor einem Tempeltor in Jerusalem aufgestellt hatte, bevor sie 621 durch die jahwistische Reform Josias zerstört wurden.
Es ist bemerkenswert, dass die Pferde in diesen verschiedenen Fällen entweder eingespannt oder gezäumt waren; Die Verbindung dieser Tiere mit dem Gott beruhte nicht nur auf einer mythischen Vorstellung, sondern auch auf den Diensten des Pferdes. Die Exegeten von Maltaya haben darauf hingewiesen, dass die Assyrer, wie aus einigen Texten hervorgeht, die Sonne als auf einem Wagen über den Himmel fahrend betrachteten. Die Könige von Juda taten offenbar das Gleiche.
In dem Idol von Gabala würde man gerne einen Sonnengott erkennen, der auch den seltsamen Sonnenkult erklären würde, der auf den hellenistischen Münzen der Region zu sehen ist. Dies kann jedoch im Moment nur eine Hypothese sein.
Literatur:
(1) Theodore Mionnet, Vol. V
(2) Barclay Head, Historia Numorum
(3) Robert Fleischer, Artemis von Ephesos und ver-wandte Kultstatuen aus Anatolien und Syrien, 1997 Brill
(4) Henri Seyrig 'Cultes de Gabala', Revue Numismatique, 1964
Liebe Grüße
Jochen
Omnes vulnerant, ultima necat.