Ich möchte den Beitrag zur Agrippa-Datierung
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Ein Vergleich der in Italien gefundenen Agrippa-Asse mit datierbaren caliguläischen Assen zeigt das hohe Aufkommen im damaligen Geldumlauf: 404 Exemplare von 816 (49,5%) aus Rom, 10 von 23 (43,5%) aus Ostia, 34 von 95 (35,8%) aus Minturnae sowie 135 von 194 (69,6%) aus Pompeji (Molinari, The Julio-Claudian and Flavian Coins from Rome's Municipal Urban Excavations, Triest 2015, S. 41, Anm. 130). Auch außerhalb Italiens zeichnet sich dieses Bild ab, wie das Beispiel Vindonissa im südlichen Obergermanien zeigt: neben 115 VESTA-Assen (davon nur zwei mit TR POT III bzw. IIII) und 64 caliguläischen Germanicus-Assen wurden hier 125 Agrippa-Asse gefunden (Kraay, Monnaies du Hautempire romain a Vindonissa, in: Schweizer Münzblätter, Heft 11, 1952, S. 53).
Neben den stadtrömischen Agrippa-Assen gab es auch eine Vielzahl von Prägungen aus offiziellen Hilfsmünzstätten sowie inoffiziell hergestellte Imitationen, die alle aus den westlichen Provinzen stammten. „Unter den Fundmünzen des Rheingebietes begegnen häufig die sogenannten Agrippa-Asse … Einige wenige Stücke wurden noch unter der Regierung des Claudius geprägt. … Zahlreiche Imitationen dieses Typus sind wohl ebenfalls unter der Herrschaft des Claudius entstanden. … Der weitaus größte Teil an Imitationen gehört in die Regierungszeit des Claudius“ (Werz, Gegenstempel auf Aesprägungen der frühen römischen Kaiserzeit im Rheingebiet, Teil I, S. 65 f.).
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Werz hat zudem festgestellt, dass bei den kontermarkierten Agrippa-Imitationen der Gegenstempel „TIꜸ“ (Typ 191, Lesung: Ti[berii] Au[gusti] für den Kaiser Claudius) am häufigsten vertreten ist und die meisten der von ihm untersuchten Fundstücke aus Obergermanien stammen. „Die Kontermarkierung regulärer Prägungen und Imitationen mit denselben Stempeleisen zeigt, daß beide gemeinsam umliefen und als gleichwertige Zahlungsmittel akzeptiert waren“ (Werz, ebd., Teil II, S. 125). Die Kontermarkierung mit „TIꜸ“ ist einer der Gründe, warum Kraay (er mutmaßte, dass der größte Teil der Asse, einschließlich aller in Rom geschlagenen Münzen, in die letzten Jahre von Tiberius gehören [Rodewald, Money in the Age of Tiberius, S.144]) die Meinung vertrat, dass die Produktion in Gallien viel länger andauerte: „TIꜸ“ findet sich normalerweise auf den Bronzen von Gaius und Claudius; er ist sehr selten bei Prägungen vor Gaius (Kraay, ebd., S. 56). [
Anm. 1]
Mattingly (der historischen Überlegungen ein größeres Gewicht beimaß als den numismatischen Argumenten gegen einen Prägeanfang unter Tiberius [Rodewald, ebd., S.143]) glaubte, dass zumindest ein Großteil der Agrippa-Asse zwischen 23 und 31 n.Chr., also zu Zeiten des mächtigen Präorianerpräfekten Sejanus, emittiert worden ist.
Robertson führte das Argument am, dass Vorder- und Rückseite bei allen Agrippa-Assen immer 180° zueinanderstehen – das wäre bei Æ-Münzen vor Caligulas Regierung zwar üblich, aber nicht ausschließlich gewesen (Roman Imperial Coins in the Hunter Coin Cabinet I, 1962, S. LXV). Girad hielt diese Zuordnung ebenfalls für am wahrscheinlichsten und zwar aus Gründen des Stils und der Gegenstempel (Revue Numismatique 10, 1968, S. 80 f.).
[
Anm. 1] Der nachstehende As ist sehr interessant. Ein As zu Ehren des Germanicus, geprägt unter Caligula 37/38 n.Chr. (siehe den noch erkennbaren Rest "TR POT [Ende der Legende] C C [Anfang der Legende]" wurde mit Agrippa-Stempeln überprägt und später mit „TIꜸ“ kontermarkiert - hier lässt sich ein Beweis für Kraay's Argument, dass in Gallien länger geprägt wurde, durchaus erblicken.