Mythologisch interessante Münzen

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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Peter43
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Mi 23.02.22 15:14

Der ist ja fast identisch mit dem Sesterzen-Revers.

Jochen
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Peter43
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Di 15.03.22 22:06

Diktys und Danae

Über Perseus habe ich bereits geschrieben. Hier ist eine seltene Münze, die ihn zusammen mit Diktys zeigt, der ihn und seine Mutter Danae gerettet hat. Das gibt mir die Gelegenheit, über diesen nicht so bekannten Teil der Mythologie des Perseus zu schreiben, und über seine Mutter, die schöne Danae.

1. Münze:
Kilikien, Tarsos, Caracalla, 198-217
AE 34, 18.3g, 33,64mm
Av.: AVT KAI M CEVHPOC ANTΩNEINOC CEB
       im li. und re. Feld    Γ B
       im re. Feld untereinander AM / K
       Perseus n. r. stehend, hält in der herabhängenden  Rechten die Harpa und in der erhobenen Linken  Statuette des Apollo Lykeios mit 2 Wölfen, begrüßt  den Fischer Diktys, der n. r. geht und n. l. zurückblickt und mit beiden Händen eine lange Stange trägt, an deren unteren Ende ein Fisch hängt und am oberen Ende ein Korb
Ref.: Cox Adana Museum 189 in ANS NNM 92, 189 (von dort auch die Legenden übernommen)
F+, extrem selten, bei Ancient Coin Search nur 1 Ex. aufgeführt, verkauft 2011 bei CNG Auction 88, Lot 1009, für $4000!
Tarsos_caracalla_Perseus.jpg
Anmerkungen:
(1) Demiurgenamt: der Demiurg war in Tarsos einer der wichtigsten Beamten der Stadt. Seine Hauptaufgabe war die Verwaltung der finanziellen Angelegenheiten der Stadt. Caracalla bekleidete dieses Amt ehrenhalber anläßlich einer großen Getreidespende 216, weil seine Truppenverlegungen in den Osten auch die Provinz-hauptstadt Tarsos stark belastet hatten.
(2) Tarsos war wohl die Stadt, die am meisten mit ihren Titeln Werbung machte. So erhielt sie die Zusatzbezeichnungen
AΔPIANOC unter Hadrian, CEVHPIANOC unter Septimius Severus und ANTΩNEINIANOC unter Caracalla. Auf Münzen erscheint sogar der Name ANTΩNEINOΠOLIC!
(3) AM / K stehen für das griechische A = ΠPΩTH (die Erste), M = MEΓICTH (die Größte) und K = KAΛΛICTH (die Schönste)
(4) Γ B sind die griechischen Zahlwerte 3 und 2 und bedeuten: die 3 Verwaltungsbezirke Kilikien, Isaurien und Lykaonien, die zu Tarsos gehörten, und die 2 Tempel des Kaiserkults, die Tarsos besaß.

Durch die Abbildung des Perseus ist der mythologische Hintergrund eindeutig geklärt. Es gibt aber noch andere Münzen eines Fischers, mit dem genau gleichen Fanggerät.

2. Münze:
Kilikien, Anazarbos, Gordian III., 238-244
AE 31, 17.94g, 201°
geprägt 242/3 (Jahr AXC = 261)
Av.: AVT K M ANTΩNINOC ΓOPΔIANOC CE
       Büste, drapiert und cürassiert, mit Strahlenkrone, n. r.
Rv.: ANAZAPBO - V ENDOΞ MHTPO
       Fischer, in Arbeitskleidung und mit phrygischer        Mütze, auf Felsen n.l. sitzend, Kopf n.r. gewandt,        stützt sich mit der Linken auf und hält in der erho-
       benen Rechten Fischfanggerät
       im li. und re. Feld Γ - B
       im Abschnitt: ET AΞC
Ref.: SNG von Aulock 8668; SNG Levante 1486; SNG          Paris II, 2108; Lindgren 1441; BMC Lycaonia          etc. 37, Nr.31
extrem selten, S+/ fast SS, attraktive kontrastierende Patina
Legenden übernommen aus Ziegler, Münzen Kilikiens aus kleineren deutschen Sammlungen, S.143, Nr.1114/5 (stempelgleich!)
Ohne einen mythologischen Hinweis handelt es sich hier um die seltene Darstellung eines antiken Handwerksberufs.
anazarbos_gordianIII_Lindgren1441_.jpg
Danae:
Danae (griech. = die Danaerin) war die Tochter des Argiverkönigs Akrisios und der Eurydike (Apollodor) oder der Aganippe (Hyginus). Da Akrisios sich einen Sohn wünschte, aber bereits in höherem Alter war, befragte er das Delphische Orakel. Dieses warnte ihn vor einem männlichen Nachkommen: Danae werde einen Sohn gebären, der ihn töten würde. Daraufhin schloß er Danae in ein ehernes Zimmer unter der Erde ein und ließ sie streng bewachen. Dieses war noch lange in Argos zu sehen, bis der Tyrann Perilaos es zerstören ließ (Pausanias). Aber Zeus, der sich in sie verliebt hatte, kam als goldener Regen durch das Dach zu ihr und verführte sie und sie gebar ihm den Perseus.

Als Akrisios einmal aus dem Thalamos die Stimme des spielenden Knaben Perseus hörte und so erfuhr, daß seine Tochter dennoch geboren hatte, tötete er die Amme, die Tochter aber mit ihrem Sohn trug er auf den Altar des Zeus, wo sie die Wahrheit über den Vater schwören sollte. Der Aussage seiner Tochter, daß es Zeus sei, glaubte er nicht. Er verdächtigte seinen Bruder Proitos, mit dem er sich schon im Mutterleib gestritten hatte. Da er seine Tochter nicht töten wollte, ließ er sie und Perseus in eine hölzerne Kiste sperren und ins Meer werfen. Aber Zeus hielt seine Hand über sie.

Diktys:
Diktys (griech. = das Netz) war Fischer und Bruder von König Polydektes (griech. = der Allesnehmer) auf der kleinen Kykladeninsel Seriphos in der Ägäis. Beide waren Söhne des Magnes mit einer Najade, der Najas Seriphia, einer unbenannten Quellnymphe auf Seriphos (vielleicht einer Tochter des Flußgottes Peneios in Thessalien). Sie war zusammen mit ihren beiden Söhnen aus Magnesia in Thessalien geflohen. Durch das Wasser, das sie mitbrachte, machte sie die Insel für Menschen bewohnbar (Apollodor). Nach anderen waren Diktys und Polydektes Nachkommen des Poseidon mit der Kerebria (Joannes Tzetzes ad Lykophron) oder des Peristhenes, dem Enkel des Nauplios, mit der Androthoe, der Tochter des Perikastor (Schol. ad Apoll. Rhod.)

Eines Tages schwemmte das Meer eine große Kiste an den Strand. Diktys barg sie mit seinem Netz und als er sie öffnete, fand er darin wohlbehalten Danae mit ihrem Sohn Perseus. Er brachte beide in sein Haus und behandelte sie wie seine Verwandten. Perseus erzog er wie seinen eigenen Sohn und sorgte für Danae.

Das weitere Schicksal:
Von der weiteren Geschichte gibt es mehrere Varianten, so z.B. von Hyginus. Dies hier ist die Version des Apollodor.
Nun aber verliebte sich Polydektes in Danae und versuchte, sie zur Heirat zu zwingen. Da ihm Perseus im Wege stand, suchte er ihn zu beseitigen. Er täuschte vor, Hippodameia heiraten zu wollen, für die er noch ein Hochzeitsgeschenk benötigte. Jeder Gast sollte ihm ein Pferd stiften. Da Perseus kein Pferd besaß, versprach er, ihm das Haupt der Medusa zu holen, von dem bekannt war, daß es alle versteinerte, die es erblickten. Polydektes stimmte zu in der Hoffnung, ihn so loszuwerden.

Als Perseus schneller als erwartet glücklich mit dem Medusenhaupt und seiner in Äthiopien gewonnenen Gemahlin Andromeda nach Seriphos zurückkehrte, fand er Danae und Diktys als Schutzflehende an den Altären, wohin sie sich vor der Gewalt und der Begierde des Polydektes hatten flüchten müssen. Perseus befreite sie, indem er Polydektes und seinen Freunden, die gerade bei einem Gelage saßen, das Medusenhaupt zeigte und alle in Stein verwandelte. Seitdem gehört Seriphos zu den felsigsten Inseln der Kykladen. Danach wurde Diktys von Perseus als König der Insel eingesetzt (Pindar). Den Besuchern der Insel zeigt man immer noch diesen Kreis von Felsen (Pausanias).

Perseus begab sich nach Argos und Danae folgte ihrem Sohn und blieb dort bei ihrer Mutter Eurydike, während Perseus sich aufmachte, den Akrisios zu suchen. Dieser war aus Angst vor dem Orakelspruch ins pelasgische Larissa geflohen. Dort war Perseus zu den Begräbnisfeiern eingeladen worden, die König Teutames zu Ehren seines toten Vaters veranstaltete und nahm am Fünfkampf teil. Als er einen Diskus in die Höhe geworfen hatte, wurde der durch den Wind und den Willen der Götter so abgelenkt, daß er dem Akrisios auf den Fuß fiel und ihn tötete. So hatte sich der Orakelspruch auch gegen den Willen des Perseus erfüllt. Dem Akrisios wurde ein Heroon errichtet.

In Athen hatte Perseus einen heiligen Bezirk (Temenos), in welchem ein Altar des Diktys und der Klymene (über die ich sonst nichts herausbekommen habe) stand, welche den Perseus gerettet hatten (Pausanias).

Hintergrund:
In christlicher Zeit galt Danae einerseits den Kirchenvätern als Inbegriff der käuflichen Liebe, im Mittelalter aber als Symbol der Schamhaftigkeit und als Präfiguration, einer Vorausdeutung, der Jungfrau Maria, da sie ohne Gatten empfangen hatte. Diese zweite Vorstellung ist noch lebendig in J. Grossaerts Bild von 1527 (München, Alte Pinakothek), in dem Danae in das für Maria den Regeln entsprechende Blau gekleidet ist.

Öfter jedoch wurde Danae als die Frau betrachtet, die der Versuchung des Goldes verfiel, mit dem man alles kaufen kann. Daneben zeigt diese Mythe aber auch, daß gegen das Schicksal keine menschliche Vorsicht helfen kann. In-sofern ist das Schicksal des Akrisios eine Tragödie im antiken Sinn.

Literaturgeschichte:
Von Simonides von Kos (557/6-468/7 v. Chr.) ist eine ergreifende "Klage der Danae" überliefert.

Dann haben sich natürlich die großen Tragiker dieses Themas angenommen. Aischylos (525-456 v. Chr.) hat in der 1. Hälfte des 5.Jh. das Satyrspiel "Diktyoulkoi (= Die Netzzieher) geschrieben, Sophokles (497/6-406/5 v. Chr.) hat einen “Akrisios” gedichtet und von Euripides (480 oder 485/4-406 v. Chr.) gab es eine Tragödien-Trilogie von der die "Danae" verschollen ist und der "Diktys" nur fragmentarisch erhalten ist.

Kunstgeschichte:
Die Kunst liebte den Danae-Mythos. Danae wurde in der Vasenmalerei bekleidet dargestellt, in der pompejanischen Wandmalerei nackt (Haus des G. Rufus). In der Renaissance und im Barock war Danae ein beliebtes Thema der bildenden Kunst, gab es den Künstlern doch Gelegenheit, eine unbekleidete Frau zu präsentieren. Hier ist eine kleine Reihe von Künstlern, von denen es eine "Danae" gibt:

(1) Correggio (1489-1534): "Danae", 1531 (Rom, Galeria Borghese)
(2) Tizian (1488/90-1576) hat eine ganze Serie von insgesamt 6 Versionen gemalt.
(3) Tintoretto (1518-1594), "Danae", 1570, Musee des Beaux-Arts de Lyon
(4) Oracio Gentileschi (1563-1639), "Danae", 1623, Cleveland Museum of Art
(5) Rembrandt (1606-1669), "Danae", 1636, Eremitage, St. Petersburg, später von ihm nachbearbeitet. Auf dieses Gemälde wurde 1985 ein schwerer Anschlag verübt.
Und aus neuerer Zeit:
(6) Gustav Klimt (1867-1918), "Danae", 1907, Galerie Würthle, Wien

Von Benvenuto Cellini (1500-1571), gibt es die zierliche Bronzefigur "Danae und Perseus" an der Loggia dei Lanzi in Florenz
Glockenkrater_Danae_Louvre.jpg
(1) Das erste Bild zeigt Danae und den Goldschauer des Zeus. Es findet sich auf einem boiotischen rotfigurigen Glockenkrater aus der Zeit von 450-435 v.Chr. Heute ist es im Louvre in Paris zu sehen.
H1.2Perseus.jpg
(2) Die zweite Szene zeigt Danae und ihren kleinen Sohn Perseus, die in einer Truhe auf dem Meer ausgesetzt sind. Sie werden umgeben von einem Schwarm Möwen. Attischer rotfiguriger Leukythos, zugeschrieben dem Ikarus-Maler, ca. 490 v.Chr., spätarchaisch/frühklassisch, heute im Museum der Rhode Island School of Design in New York (Detail).
Perseus_Toledo.jpg
(3) Als letzte antike Darstellung ein attischer rotfiguriger Leukythos, zugeschrieben dem Providence-Maler, ca. 480-470 v.Chr., frühklassisch, heute im Museum of Art in Toledo, Spanien. Man sieht re. König Akrisios, der befiehlt, seine Tochter und ihren Sohn Perseus in einer Kiste auf dem Meer auszusetzen. Der Säugling Perseus sitzt bereits in der Kiste, während Danae sich darauf vorbereitet, hineinzuklettern.
Correggio_008.jpg
(4) Von den Renaissancemalern habe ich das Gemälde von Corregio ausgewählt, weil mir die beiden Putten so gut gefallen, die re. unten das Gold auf Echtheit prüfen.

Quellen:
(1) Homer, Ilias
(2) Apollodor, Bibliotheke
(3) Ovid, Metamorphosen
(4) Hyginus, Fabulae
(5) Pausanias, Periegesis

Literatur:
(1) Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon, 1770
(2) Wilhelm Heinrich Roscher, Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Mythologie
(3) Karl Kerenyi, Die Mythologie der Griechen
(4) Robert von Ranke-Graves, Griechische Mythologie
(5) Aghion/Barbillon/Lissarrague, Reclams Lexikon der antiken Götter und Heroen, 2000

Online-Quellen:
(1) theoi.com
(2) acsearch.info
(3) wildwinds.com
(4) Wikimedia

Mit freundlichen Grüßen
Jochen
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Di 15.03.22 22:08

Inhaltsverzeichnis wieder ans Ende des Threads!

Jochen
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T........s
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von T........s » Di 15.03.22 22:26

Danke wie immer für den informativen Beitrag. Für mich ist es immer schwer Infos zu den Hintergründen von Provinz Prägungen zu finden - Deine Beiträge sind wahre Fundgruben.

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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » So 27.03.22 18:30

Für Timestheus!

Thanatos - Schlafes Bruder

Das schöne Bild des Todes als des Schlafes Bruder kommt bereits in Homers Ilias vor, wo der Tod als "eherner Schlaf" bezeichnet wird, oder in der Odyssee, wo die Phaiaken "ihren Mann in tiefem, dem Tode ganz ähnlichem Schlafe zur Heimat bringen.". Dies steht im Einklang mit der homerischen Seelenlehre, der zufolge die Seele, als Doppelgänger des lebenden Menschen, bei Schlaf und Tod den Körper verläßt. Nur mit dem Unterschied, daß sie beim Schlaf in den Körper zurückkehrt, während sie ihn beim Tod endgültig verläßt.
Amphora_2.jpg
Vorgestellt habe sich die Alten die Seele als "Seelenvogel". Auf dieser Zeichnung der Piot Amphora aus Capua (heute im Louvre in Paris) wird der Leichnam des Memnos vor Troja von 2 Kriegern weggetragen, denen der Künstler als Reminiszenz an die Zwillinge Thanatos und Hypnos Flügel gegeben hat. Über dem Mund des Toten erhebt sich der "Seelenvogel". Eine Vorstellung, die es ähnlich mit dem Seelenvogel Ba auch im alten Ägypten gab. Dieses schon vorhomerische Seelengespenst war ursprünglich wohl die Seele eines Verschiedenen, die kommt, um die eines anderen zu holen (Roscher).

Später wurde die Seele als Schmetterling gesehen, und sie bei Darstellungen dem Thanatos in die Hand gegeben, was man oft auf Vasenbildern sieht. Das mag daher kommen, daß im Griechischen der Schmetterling psyche heißt.

Tatsächlich ist Thanatos (lat. mors, übrigens feminin!) keine mythologische Figur. Er gehört zu einer Gruppe von vorolympischen Gottheiten, wie auch Moira, Ate, Ker (das Todesverhängnis) oder Nemesis, die von den Griechen als mächtiger als die Götter angesehen wurden und denen auch die Götter gehorchen mußten. Der große Wilamowitz schreibt: "Thanatos ist keine Person des Glaubens, weder als Zwillingsbruder des Schlafes noch als Scherge des Hades, der dem Herakles die Alkestis abjagt, noch als komische Person im Märchen von Sisyphos."

Erst Hesiod erfindet eine Abstammung, damit alles seine Ordnung hat. Er gibt dem Tod und Hypnos als Mutter die Nyx (die Nacht), die aus sich heraus das böse Geschick hervorbringt, zudem Moros (die männliche Form der Moira) und Ker. Hyginus gibt ihm als Vater Erebos hínzu und Schlaf und Tod erhalten als Heimstätte den Tartaros. Sie waren δεινοί θεοί (furchtbare Götter), die die strahlende Sonne niemals anblickt; während aber der eine ruhig und den Menschen freundlich gesinnt über die Erde wandelt, ist der Sinn des anderen von Eisen. Wen er einmal ergriffen hat, den hält er mitleidlos fest. Verhaßt ist er deshalb auch den unsterblichen Göttern.

Da seit Homer sein Zwillingsbruder der Hypnos, der Schlaf, gewesen sein soll. werden sie auf Bildsäulen nebeneinander abgebildet (Pausanias). Thanatos mit schwarzen Flügeln und in schwarzer Kleidung (Horaz), der Schlaf in weiß. In der Hand hat er einen Kranz und einen Schmetterling. Ein eigentlicher Kult ist nicht bekannt. Nach Pausanias gab es nur in Sparta einen Tempel, und von Gades ist ein Tempel bekannt, wo ihm auch Tieropfer gebracht wurden.

Bei den Dramatikern wandelte sich Thanatos auch zum Erlöser vom Leiden, so z.B. bei Sophokles im “Philoktetes”, der sich den Tod herbeisehnte. Und auch beim Tod des Sokrates machte er ihm keine Angst, sondern wurde fast wie ein Freund gesehen. Das Leben ist Krankheit, der Tod Genesung.

Trotzdem behielt Thanatos, wohl „wegen der Durchsichtigkeit seines Namens", stets „etwas von einer blassen Abstraktion, etwas Schwankendes und gleichsam Blutleeres" (Heinemann). Er schreibt zu den Dramatikern: „es ist, als müsse der Prozeß der Personifikation bei Thanatos vom Dichter in jedem einzelnen Falle von neuem vollzogen werden, und er wird nie in solchem Grad eine wirklich ausgebildete Gestalt wie selbst Nike und Eros"

Im Volksglauben tritt Thanatos immer mehr zugunsten von Charon zurück. Charon war in der Mythologie ursprünglich der Fährmann über den Acheron. In der späteren Zeit wurde er zum griechischen Todesgott schlechthin. Er ist es, der sich zahlreich auf den Sarkophagen findet.

Überlistung des Todes:
Die Überlistung des Todes, das ja märchenhafte Züge hat, kommt in allen Märchen der Welt vor. In der griechichen Mythologie gibt es folgende Erzählungen:

Asklepios war von Cheiron in der Heilkunde so gut unterrichtet worden, daß er sogar Tote zum Leben erwecken konnte. Darunter befanden sich z.B. Glaukos und Lykurgos. Das verärgerte den Hades, der sein Reich bedroht sah, so daß er sich bei Zeus über ihn beschwerte. Und Zeus tötete Asklepios durch seinen Blitz. Verärgert über den Mord an seinem Sohn tötete Apollo daraufhin die Kyklopen, von denen Zeus seinen Blitz erhalten hatte.

In der Tragödie “Alkestis” des Euripides geht es um den stellvertretenden Tod für einen anderen und um die Zurückholung aus der Unterwelt. Nach dem Mord an den Kyklopen war Apollo von Zeus dazu verurteilt worden, bei König Admetes die Herden zu hüten. Da Admetos sich als gütig zeigte, belohnte Apollo ihn damit, seinen Tod durch einen Stellvertreter aufschieben zu können, der für ihn in den Tod geht. Als der Tod seine geliebte Gemahlin Alkestis holen will, verkündet Apollo ihm, daß Herakles Alkestis wieder befreien werde. Trotz des Vorwurfs an Admetos, nicht selbst anstelle von Alkestis in den Tod gegangen zu sein, gelingt es Herakles, Alkestis wieder aus der Unterwelt zu holen. Euripides erzählt, wie Herakles den Thanatos am Grab der Alkestis im Ringkampf besiegt.

Auch Sisyphos soll der Unterwelt entkommen sein. Es wird erzählt, daß er vor seinem Tod seine Gemahlin bat, ihn nicht zu beerdigen. Nach seinem Tod beklagte er sichdann bei Hades über dieses Unrecht, der ihm endlich erlaubte, in die Oberwelt zurückzukehren, um seine Frau zur Rechenschaft zu ziehen. Sisyphos aber dachte nicht daran, wieder zu Hades zu gehen, so daß Hades den Hermes beauftragen mußte, Sisyphos zurückzuholen. Daraufhin wurde er dazu bestraft auf ewig einen Stein einen hohen Berg hinaufzuwälzen, der danach wieder herabrollte.

Nach Eukleides von Megara soll Thanatos taub und blind gewesen sein, damit er nicht durch Schönheit oder Bitten von seiner Pflicht abgebracht werden konnte. Das galt auch für Charon, der einmal ein schönes Mädchen auf Lesbos verschonte und deshalb von Zeus mit Blindheit, Taubheit und Lahmheit bestraft wurde.

Kunstgeschichte:
(1) Vasenbilder des Thanatos gab es in der Antike, wo der Tod der ständige Begleiter des Menschen war, zahlreich. Eine der berühmtesten Abbildungen findet sich auf dem sog. "Euphronios Krater", einem rot-figurigen Calyxkrater, signiert von Euxitheos, dem Töpfer, und Euphronios, dem Maler, ca, 515 v.Chr., früher im Metropolitan Museum of Art in New York, ab 2008 wieder in Rom. Er zeigt eine Szene aus dem Trojanischen Krieg, in der der Leichnam des Lykierkönigs Sarpedon von Hypnos (li.) und Thanatos (re., Name retrograd) weggetragen wird, während Hermes im Hintergrund zuschaut. Diese Szene aus Homers Ilias Buch XVI, ist die eigentliche Quelle für die Vorstellung von Schlaf und Tod als Zwillingsbrüder.
Hermes_e_Sarpedon.jpg

(2) Etwas besonderes findet sich auf dem Säulenrelief des Artemisions von Ephesos. Abgebildet ist ganz links Thanatos mit umgehängtem Schwert und einem Schmetterling(?) in der re. Hand und rechts Hermes Psychopompos (der Seelenführer) mit gesenktem Kerykeion, die beide Alkestis zwischen ihnen in die Unterwelt begleiten. Hier ist Thanatos zum ersten Mal dargestellt als Jüngling in der Pose des Eros!
OIP.jpg
Diese Darstellung nimmt die wunderschöne Münze aus Berytos aus der Sammlung featherz (Forum Ancient Coins) auf. Thanatos in der Darstellung des Jünglings vom ephesischen Artemision und Hermes Psychopompos haben wohl gerade eine Seele in die Unterwelt begleitet und ruhen jetzt aus.
berytos_elag226_.jpg
1. Münze:
Phönikien, Berytos, Elagabal, 218-222
AE 30
Av.: IMP CAES M AVR - ANTONINVS AVG
       Büste, drapiert und cürassiert, von hinten gesehen
       belorbeert, n. r.
Rv.: COL - IVL - AVG FEL BER
        Thanatos, nackt, geflügelt, n. r. stehend, li. Fuß auf einem Felsen, in der re. Hand brennende Fackel  nach unten haltend, die Linke auf dem li. Oberschenkel aufgestützt, gegenüber Hermes, der nach li. steht, nackt, den re. Fuß auf einem Felsen, in der li. Hand das Kerykeion nach unten haltend
coll. featherz, Forum Ancient Coins
Dies ist die einzige Münze, die ich kenne, auf der tatsächlich der Tod abgebildet ist!

(3) Die zahlreichen kaiserzeitlichen Genien mit abwärts gesenkter oder erlöschender Fackel und die puttenhaften Darstellungen des Eros auf Münzen haben mit dem Thanatos der Sage und des Volksglaubens nichts mehr zu tun (Pauly).
Nikopolis_septimius_AMNG1368_c.jpg
2. Münze:
Moesia inferior, Nikopolis ad Istrum, Septimius Severus, 193-211
AE 16, 2.24g, 16.09mm, 225°
Av.: AV KAI - CEVHROC
       Belorbeerter Kopf n. r.
Rv.: NIKOPOLI - T PROC ICTR
       Eros, geflügelt, mit gekreuzten Beinen n. r. stehend, lehnt auf einer umgedrehten Fackel
Ref.: a) nicht in AMNG:
             Rv. AMNG I/1, 1368 (Abbildung)
                   AMNG I/1, 1384 (Legende)
             Av. z.B. AMNG I/1, 1348
        b) nicht in Varbanov
        c) Hristova/Hoeft/Jekov (2021) No. 8.14.16.11

Francis Jarman: Eros und Thanatos
Ein großes Ärgernis besteht darin, daß die Figur des puttenhaften Eros mit der Fackel auch von bedeutenden Numismatikern immer noch als Thanatos oder Genius des Todes bezeichnet wird. Francis Jarman, von dem wir die grundlegende Arbeit über Eros auf Münzen verdanken, ist der Geschichte dieses Mißverständnisses nachgegangen. Und er ist dabei auf die deutsche Klassik gestoßen, die seit Winckelmanns "Edler Einfalt und stiller Größe" eine idealisierte Vorstellung des antiken Griechentums entwickelt hatte. Dabei spielte die Bedeutung des herrschenden Ästhetizismus eine große Rolle, z.B. die weißen Marmorstandbilder, die tatsächlich bunt gewesen sind. Die Vorstellung vom Tod als Zwillingsbruder des Schlafes war so faszinierend, daß sie die brutale Realität des Todes zur Seite schob. Bedeutende Persönlichkeiten wie Lessing und Herder sorgten für eine weite Verbreitung dieser Rezeption, die dann auch durch die deutschen Romantik weit ausstrahlte, nicht nur in Deutschland. Aber der Tod ist kein puttenhafter Engel, abgesehen davon, daß seine Darstellung auf den Münzen der Severer ohne Sinn wäre.

Aberglauben:
Eine interessante Nebenbemerkung: Da Theta als Ab-kürzung für das griech. Thanatos galt, unterlag es einem Tabu, wie bei uns etwa die 13, die es als Num-mer eines Hotelzimmers auch nicht gibt. So wurde auf dieser Münze aus Antiochia das Theta, der 9. Buch-stabe des griech. Alphabets ersetzt durch DE, was als 4+5 auch 9 ergibt. Aber es gab auch AH und IX, oder N (für novem) in Rom.
constantinI_antiochia_84.jpg
3. Münze:
Constantin I., der Große, 307-337
AE 3, 2.63g, 18.56mm, 330°
Antiochia, 9. Offizin, 329-30
Av.: CONSTANT - INVS MAX AVG
       Büste, drapiert und cürassiert, mit Rosettendiadem, n. r.
Rv.: PROVIDEN - TIAE AVGG
        Sog. Lagertor, mit 2 Türmen und ohne Tor
        darüber Stern
        im Feld li. und re. D - E (für Officina 9!)
        im Abschnitt SMANT
Ref.: RIC VII, Antiochia 84
sehr selten (R5), fast SS, Sandpatina, Patinaschaden oben auf der Rs.

Anmerkungen:
(1) Die Aithiopis war ein episches Gedicht, das Ereignisse am Ende des Trojanischen Krieges schilderte, die Homer nicht behandelt hatte. Dazu gehörten u.a. die Kämpfe der Amazonen vor Troja, der Kampf der Penthesilea mit Achilles, das Eingreifen der Aithiopier unter König Memnon in den Krieg und der Streit zwischen Ajas und Odysseus nach dem Tod des Achilles. Sie ist leider nicht erhalten geblieben.
(2) Eukleides von Megara (um 450 – zwischen 369/367 v.Chr,) war ein griechischer Philosoph und Begründer der megarischen Schule. Er war ein Schüler des Sokrates und soll bei seinem Tod anwesend gewesen sein. Das zentrale Thema seiner Philosophie scheint das Gute gewesen zu sein, aber seine Schriften sind verloren.

Quellen:
(1) Homer, Ilias
(2) Homer, Odyssee
(3) Aithiopis
(4) Hesiod, Theogonie
(5) Hyginus, Fabulae
(6) Pausanias, Periegesis
(7) Cicero, De Natura Deorum

Literatur:
(1) Wilhelm Heinrich Roscher, Ausführliches Lexikon  der griechischen und römischen Mythologie
      (auch online)
(2) Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon, Leipzig 1770 (auch online)
(3) Der Kleine Pauly
(4) Patricia Lawrence, Wings, Daimonia, Asomata: The Embodiment of the Bodiless (more relevant to numismatics than they may seem)
(5) Francis Jarman, Eros and Thanatos, 2011

Mit freundlichen Grüßen
Jochen
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » So 27.03.22 18:31

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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Altamura2 » So 27.03.22 21:17

Peter43 hat geschrieben:
So 27.03.22 18:30
... früher im Metropolitan Museum of Art in New York, ab 2008 wieder in Rom. ...
Seit 2015 befindet er sich in der Sammlung des Museo nazionale cerite in Cerveteri, dem ursprünglichen Fundort, zusammen mit der Kylix des Euphronios: https://it.wikipedia.org/wiki/Museo_nazionale_cerite

Zumindest meistens befindet er sich dort, denn als wir 2019 in Cerveteri waren hatten wir Pech, die Teile waren gerade anderwohin ausgeliehen :( .
Wer nach Rom fährt, sollte also nicht enttäuscht sein, wer nach Cerveteri, sollte sich zuvor erkundigen (wobei sich Cerveteri auch so lohnt und Rom sowieso :D ).

Gruß

Altamura
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Fr 01.04.22 15:43

Apollo und Daphne

Die Mythologie der Daphne gehört zu den wohl bekanntesten Geschichten der griechischen Antike. Doch zunächst diese seltene Münze, auf die ich sehr stolz bin:

Die Münze:
Mysia, Apollonia ad Rhyndacum, Commodus, 177-192
AE 27, 6.91g, 26.5mm
Av.: [AV KAI M AVPHΛIOC - KOMMOΔOC]
       Büste, drapiert und cürassiert, von hinten gesehen, belorbeert, n. r.
Rv.: A - ΠOΛΛΩNI - ATΩN
       Apollo, nackt, mit wehender Chlamys n. l. gehend,  in der gesenkten Linken den Bogen(?), mit der erhobenen Rechten einen Zweig ergreifend,
li. vor ihm die Nymphe Daphne n. l. knieend, n. r. blickend, umarmt  mit beiden Armen einen Lorbeerbaum
Ref.: RPC online IV.3 No. 450.3 corr. (diese Münze, hat aber leider die Beschreibung von No. 450.2 übernommen!); von Fritze Mysia 268; F.W. Haslick, NC 1907, 440, no. 20
sehr selten (1 von 3 bekannten Exemplaren), S+/fast SS, braune Patina
Pedigree:
Lanz
Daphne.jpg
Anmerkung:
Die Münze RPC IV.2 hat eine etwas andere Rv.-Zeichnung und eine andere Legendentrennung. Auch die Av.-Legende scheint etwas anders zu sein: Hier könnte es AVPHLIOC sein.
Die Münzen zeigen alle eine Szene, bei der die Verwandlung der Daphne noch nicht begonnen hat.

Mythologie:
Von dieser Mythologie gibt es mehrere Versionen. Die schönste und poetischste stammt von Ovid. Deshalb will ich wenigstens ihren Inhalt an den Anfang stellen:

Apollo ist in der Mythologie bekannt dafür, daß er gerne Nymphen nachstellt. Daphne war seine erste Liebe. Der Grund dafür war aber der Zorn des Amor. Den hatte Apollo nach seinem Sieg über den Python gesehen, wie er seinen Bogen spannte, und sich darüber lustig gemacht: Er solle doch das Bogenschießen lieber richtigen Kämpfern überlassen. Amor antwortete ihm: "Du magst mit deinem Bogen alles treffen, aber ich treffe dich!" Dann zog er aus seinem Köcher 2 Pfeile heraus mit entgegengesetzter Wirkung: Der vergoldete erzeugte leidenschaftliche Liebe, der bleierne aber Ekel vor ihr. Mit diesem traf er die Nymphe Daphne, die Tochter des Pineus. Den vergoldeten schoß er auf Apollo. Daphne durchstreifte mit der jungfräulichen Phoebe (Diana) die Wälder und jagte Tiere. Viele Bewerber bemühten sich um sie, aber sie floh alle. Ihr Vater forderte sie auf, zu heiraten, weil er Enkelkinder haben wollte. Sie erreichte endlich, daß er ihren Wunsch nach lebenslanger Jungfräulichkeit anerkannte.

Als Apollo sie erblickte, war er sofort in sie verliebt. Mit schmeichelnden Reden versuchte er die entsetzt vor ihm Fliehende zu betören und schwärmte von ihrer Schönheit. Diese verführerischen Reden während seiner Verfolgungsjagd stehen im Mittelpunkt von Ovids Versen. Als Apollo sie am Ufer des Pineus erreichte und sie keinen Ausweg mehr sah, rief sie verzweifelt ihren Vater an, er solle ihre Schönheit zerstören. Im selben Augenblick wurde sie in einen Lorbeerbaum verwandelt. Die Liebe Apollos aber war noch immer nicht beendet. Er umarmte die Zweige und küßte den Baum, der ihm auswich. Dann setzte er sich zum Gedenken an Daphne den Lorbeer auf den Kopf.

Die Versionen berichten von unterschiedlicher Herkunft der Daphne:
a) Die Nymphe Daphne ist die Tochter des Flußgottes Pineios (lat. Pineus) des gleichnamigen Flusse in Thessalien und der Gaia (Hyginus; dies hat Ovid übernommen)
b) Sie ist die Tochter des Flußgottes Ladon in Arkadien und der Gaia (Tzetzes ad Lycophr.)
c) Sie ist die Tochter des Amyklas, des Königs von Sparta und Gründers von Amyklai (Parthenios von Nicaea).
d) Auf ihrer Flucht sei sie bis Antiocheia in Syrien gelangt, wo sich dann ihre Verwandlung abgespielt habe.

Anmerkungen:
(1) Da alle Flußgötter Söhne des Okeanos und der Tethys sind, ist sie in diesem Fall eine Enkeltochter des Okeanos.
(2) Amyklai zählt zu den ältesten antiken Städten auf dem griech. Festland. Bereits in mykenischer Zeit wurde dort Hyakinthos, der Geliebte des Apollo kultisch verehrt. Nach der Eroberung durch die Spartaner um 800 v.Chr. wurde dort der "Thron des Apollo" errichtet mit einer kolossalen Statue des Apollo (Pauly).
(3) Die Einwohner von Antiocheia in Syrien behaupteten, Daphne sei aus ihrem Lande gebürtig und zeigten in ihrer Vorstadt noch den Lorbeerbaum, in den sie verwandelt wurde. Diese Vorstadt heißt nach ihr Daphne und war in der Antike eine Stadt der Reichen und Schönen. Pausanias hat dort noch das Heiligtum des Apollon Daphnaios gesehen. Den “Hain der Daphne” gibt es dort immer noch.
(4) Johannes Tzetzes (um 1110 - um 1180) war ein byzantinischer Grammatiker. Von ihm sind die Allegorias mythologicas, physicas, morales bekannt. Er soll auch der Autor des Kommentars über Lykophron gewesen sein. Durch sein umfangreiches Kommentarwerk zu klassischen Autoren sind viele Informationen über die griechische Literatur der Klassik und des Hellenismus erhalten worden.

Die Version von Parthenios:
Die älteste Version stammt von Parthenios aus Nikaia, der sich dabei auf Diodor und Phylarchos beruft. Später wurde sie von Pausanias adoptiert.

Bei Parthenios war Daphne die Tochter des Amyklas, des Königs von Sparta (bei Pausanias die Tochter des Flußgottes Ladon). Ihr einziges Vergnügen war die Jagd und deshalb wurde sie von Artemis besonders geliebt. Sie hatte ihr Jungfräulichkeit geschworen und hielt sich von Männern und der Liebe fern.

In sie verliebte sich Leukippos ("der mit den weißen Pferden"), der Sohn des Oinomaos, Königs von Pisa, einer Landschaft in der westlichen Peloponnes, und da er keine andere Möglichkeit sah, sich ihr zu nähern, ließ er sein Haar lang wachsen und verkleidete sich als Frau. Dadurch gelang es ihm, die Freundschaft der Daphne zu erlangen. Sie durchschaute die Täuschung nicht und er wurde ihr bester Freund.

Aber auch Apollo hatte sich in Daphne verliebt und war eifersüchtig auf Leukippos. Er gab Daphne in den Sinn, mit ihren Gespielinnen zu baden. Als sie zu einem Fluß kamen, zogen sich die Mädchen aus, aber Leukippos weigerte sich. Als sie ihn mit Gewalt entkleideten, sahen sie, daß es ein Mann war, der mit ihnen zusammengelebt hatte, und töteten ihn sofort mit ihren Speeren. Danach geht die Geschichte weiter mit der Jagd Apollos auf Daphne wie bei Ovid, nur daß Daphne zum Schluß Zeus anfleht, der sie in einen Lorbeerbaum verwandelt.

Etymologie:
Daphne ist griech. der Lorbeer. Die Erklärung, daß daphne selbst von δαιω (= ich brenne) und φωνη (= Stimme) stamme, weil der Lorber im Feuer knistert (Eustath. ap. Gyrald), ist nur Volksetymologie.

Hintergrund:
Die Mythologie der Daphne ist ganz eindeutig ätiologisch, d.h. sie soll erklären, warum der Lorbeer dem Apollo heilig ist und warum er Epitheta besitzt wie Daphnaios, Daphnephoros oder Daphnites. Der Flußgott Pineios kann in die Geschichte hereingekommen sein, weil die Gegend um den Pineios bekannt war für ihren Reichtum an Lorbeer. Die Quintessenz, daß eine Jungfrau sich durch Keuschheit ewigen Ruhm erlangen kann, wie Hederich schreibt, klingt gar zu stark nach christlicher Moral. Letztendlich ist auch dies eine Geschichte, die die Macht des Eros zeigt, die stärker ist als selbst die Götter.

Palaiphatos
Palaiphatos, der nicht an Mythen glaubte, erzählt, daß Daphne, die Tochter des Flußes Ladon und der Gaia, am Ende der Flucht vor Apollo ihre Mutter bat, sie wieder zu sich aufzunehmen und so zu bewahren, wie sie immer war. Und es tat sich ein Spalt auf und Gaia nahm ihre Tochter zu sich. An diesem Ort entsprang sofort eine Pflanze (der Lorbeer). Ihn nahm Apollo auf und schmückte damit sein Haupt.

Kunstgeschichte:
Die Sage um Daphne hat zahlreiche Künstler inspiriert, wobei meist der Augenblick der Verwandlung im Blickpunkt steht. Ausgesucht habe ich

(1) das Bodenmosaik aus dem Haus des Menander in Antiochia, spätes 3.Jh. n.Chr., heute im Pronceton University Art Museum Museum.
Antakya_2.jpg
Daphne ist dargestellt mitten in der Verwandlung mit Lorbeerzweigen, die sich von der Erde hochrecken, um zu zu umhüllen. Apollo, der seine Hand ausstreckt, um sie zu fangen, trägt eine strahlende Aureole, wie einen Heiligenschein.

(2) die berühmte Marmorgruppe "Apollo und Daphne" (um 1625) von Gian Lorenzo Bernini (1598-1680), die heute in der römischen Villa Borghese steht.
bernini_apollo.jpg
Entstanden ist das Werk im Auftrag von Kardinal Scipione Borghese als Finale der mythologischen Skulpturengruppe von Bernini. Es lohnt sich, diese Skulptur von hinten entgegengesetzt zum Uhrzeiger zu umgehen. Daphne ist im Beginn der Verwandlung.
Bemerkenswert ist das Fortschreiten der Verwandlung, je weiter man der Laufrichtung der Figurengruppe folgt. Um ihre Beine ragt ansteigend bis zur li. Hüfte hinauf bereits Baumrinde.

(3) Das Gemälde "Apollo und Daphne",1734/44, von Giovanni Battista Tiepolo, heute im Louvre/Paris.
Tiepolo.jpg
Hier hat die Umwandlung in einen Lorbeerbaum bereits an den Fingern begonnen. Im Vordergrund befindet sich ihr Vater, der Flußgott Ladon. Bei Apollo hat sich Tiepolo eine Freiheit genommen: Apollo trägt bereits einen Lorbeerkranz, den er ja eigentlich erst nach Verwandlung bekommt!

Quellen:
(1) Hyginus, Fabulae
(2) Nonnus, Dionysiaka
(3) Ovid, Metamorphosen
(4) Pausanias, Periegesis
(5) Parthenios von Nikaia, Erotica pathemata
(5) Plutarch, Parallelbiographien
(6) Palaiphatos, Unglaubliche Geschichten

Literatur:
(1) Benjamin Hederich, Gründliches mythologisches Lexikon, 1770
(2) Wilhelm Heinrich Roscher, Ausführliches Lexikon der griechischen und römischen Literatur
(3) Der Kleine Pauly
(4) Karl Kerenji, Die Mythologie der Griechen
(5) Robert von Ranke-Graves, Griechische Mythologie
(6) Aghion/Barbillon/Lissarrague, Reclams Lexikon der antiken Götter und Heroen in der Kunst, 2000

Online-Quellen:
(1) theoi.com
(2) Wikipedia
(3) Wikimedia

Mit freundlichen Grüßen
Jochen

Jetzt warte ich nur noch auf die Links von Altamura, wo man alles viel genauer und besser lesen kann! :wink:
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Fr 01.04.22 15:44

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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von andi89 » Fr 01.04.22 16:05

Peter43 hat geschrieben:
Fr 01.04.22 15:43
...
Jetzt warte ich nur noch auf die Links von Altamura, wo man alles viel genauer und besser lesen kann!
Ich bin mal wieder ratlos. In einem anderen Beitrag hast du geschrieben, dass du nur Mittler sein möchtest, der dem Münzsammler interessante Themen näher bringt. Warum stört es dich dann, wenn jemand Links postet, in denen man sich noch detailreicher mit den Themen auseinandersetzen kann? Wenn es inhaltliches zu verlinkten Artikeln auszusetzen gibt, kann man das ja mitteilen (Quelle ungeeignet, da sich Autor hier und dort widerspricht und aus jenem Grund nicht sein kann) und dann diskutieren, was davon nun berechtigt ist und was nicht; das wäre für alle interessant. Aber stattdessen wird einfach rumgepöbelt (ja, kann man mir vorwerfen, das ich das jetzt auch mache, ist mir aber wurst). Es hat den Anschein, dass hier eher ein Ego gekränkt wird, wenn jemand anders auch etwas beiträgt. Aber das ist ja bestimmt nur ein Anschein.

Beste Grüße
Andreas
"...nam idem velle atque idem nolle, ea demum perniciosa amicitia est." (frei nach C. Sallustius Crispus)

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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Perinawa » Fr 01.04.22 16:13

Berninis Gruppe in der Villa Borghese ist einer meiner Favoriten... allein dafür lohnt sich schon der Besuch. Ich habe zig Fotos davon gemacht, und fast die Zeit dabei vergessen. Das ist tatsächlich ein kleines Problem, denn die VB hat ein Zeitfenster für den Besuch.

Danke für den Beitrag. Mir fehlt leider die Zeit, mich so intensiv mit der Mythologie auseinander zu setzen, wie ich das gerne möchte.

@Andreas: Gestatte mir bitte ein Wort dazu. Ich schreibe auch gerne, dass meine "Artikel" nicht wissenschaftlich sind, sondern für den interessierten Laien geschrieben sind. Letztendlich stellt man aber - ganz für sich selbst - den Anspruch, es wirklich gut und genau und meinetwegen doch "wissenschaftlich" machen zu wollen. Es liegt in der Natur des Menschen - vielleicht auch insbesondere des Deutschen - alles "perfekt" zu machen. Das würde ich aber nicht unbedingt negativ behaftet sein, obwohl es manchmal auch hinderlich sein kann. Aber eher für denjenigen selbst, als für andere.

Timestheus hat man am Anfang vorgeworfen, dass er nicht gründlich genug recherchiert... jedenfalls so ähnlich. Jetzt höre ich einen gewissen Anklang, dass andere es zu gut machen...?!

Und wir lösen uns doch mal von dem Gedanken, dass gewisse threads hier nur von bestimmten Personen gefüllt werden können/dürfen/sollen. Ich bin davon überzeugt, dass Jochen froh wäre, wenn andere auch etwas hier beitragen. Ich selbst habe schon betr. der "Bauten Roms" überlegt, diesen Tröt auszuweiten, damit endlich mal wieder andere etwas dazu beitragen.

Hier ist niemand "Alleinunterhalter", und das ist auch gut so. :P

Grüsse
Rainer
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Fr 01.04.22 17:22

Hallo Rainer!

Für Deinen Beitrag möchte ich mich herzlichen bedanken. Und natürlich hat es auch etwas mit dem Ego zu tun.

Jochen

Und Andreas: Von Dir hätte ich eher gehofft, etwas über die schöne Münze zu hören!

Jochen
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von shanxi » Fr 01.04.22 17:29

Perinawa hat geschrieben:
Fr 01.04.22 16:13
Ich bin davon überzeugt, dass Jochen froh wäre, wenn andere auch etwas hier beitragen.

Aber wehe es entspricht nicht dem Niveau der anderen Beiträge :mrgreen:
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andi89 (Fr 01.04.22 18:22)

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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von Peter43 » Fr 01.04.22 18:18

Genau dazu hatte ich den Thread vor fast 20 Jahren eingerichtet. Und an den ersten Beiträgen kann man auch gut erkennen, wie das damals gedacht war.

Jochen
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Re: Mythologisch interessante Münzen

Beitrag von andi89 » Fr 01.04.22 18:59

Perinawa hat geschrieben:
Fr 01.04.22 16:13
... Jetzt höre ich einen gewissen Anklang, dass andere es zu gut machen...?!
...
So kommt mein Beitrag rüber? 8O
Oh mein Gott. Da muss ich mich ja dringend in schriftlicher Kommunikation üben.
Perinawa hat geschrieben:
Fr 01.04.22 16:13
... Und wir lösen uns doch mal von dem Gedanken, dass gewisse threads hier nur von bestimmten Personen gefüllt werden können/dürfen/sollen. Ich bin davon überzeugt, dass Jochen froh wäre, wenn andere auch etwas hier beitragen...
Wenn dem so wäre, ist es halt vielleicht keine so gute Idee den Leuten die etwas beitragen möchten über den Mund zu fahren und ihnen zu unterstellen, sie würden durch Verlinkungen die Qualität und Quantität der verfassten Beiträge madig reden wollen. Wirkt jetzt auf mich nicht einladend.

@Jochen: Wenn ich mich zur Münze noch ausgiebiger informiert haben und mich noch was einfällt, was ich loswerden möchte, dann kommt auch noch ein solcher konstruktiverer Beitrag. ;)

Beste Grüße
Andreas
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