So, jetzt hab' ich meine drei interessantesten Münzen des Jahres 2024 auch beieinander

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Eine
Münze mit überrschendem Detail war für mich dieses Jahr ein Ringerstater aus Aspendos, die in den letzten Monaten vermehrt im Handel aufgetaucht sind.
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Av: zwei sich gegenüberstehende nackte Ringer
Rv: Schleuderer mit kurzem Chiron nach rechts, im rechten Feld Triskeles
AR, 22 mm, 10,99 g, ca. 420-400 v. Chr., Referenzen sind BMC S. 95, 17; SNG France 67; SNG Cop 180-182; SNG PFPS 1-3
Der Standardartikel zu diesem Münztyp ist immer noch Oguz Tekin, "Aspendian 'Wrestlers' : an iconographic approach", in Olivier Casabonne (Hrsg.), "Mécanismes et innovations monétaires dans l’Anatolie achéménide. Numismatique et Histoire. Actes de la Table Ronde d’Istanbul, 22-23 mai 1997", Istanbul 2000, S. 159-169:
https://www.persee.fr/doc/anatv_1013-95 ... t_12_1_956
der wohl letztlich aus seiner Doktorarbeit "Aspendos sikkeleri", Istanbul 1991, hervorgegangen ist:
https://nek.istanbul.edu.tr/ekos/TEZ/19522.pdf
Diesen Münztyp kann man ganz grob in solche mit Buchstaben zwischen den Ringern und solche ohne einteilen. Erstere sind die jüngeren, letztere die älteren.
Bei denen mit Buchstaben nehmen die zwei Ringer meistens fast dieselbe Position ein und halten sich an den Unterarmen.
Vor allem auf den Münzen ohne Buchstaben kann man jedoch ganz verschiedene Haltungen und Griffe sehen, Tekin zählt in seiner Dissertation ab Seite 40 insgesamt 16 auf.
Einen tabellarischen Überblick (der aber leider nicht immer stimmt

) findet man hier:
https://www.sullacoins.com/post/16-wrestling-moves
ganz viele Beispiele in der Sammlung der BnF:
https://gallica.bnf.fr/services/engine/ ... 22objet%22
Auf der Münze hier sieht es nun so aus, als ob derjenige auf der rechten Seite dem auf der linken in den Bauch boxt, was aber regelwidrig gewesen wäre

. Bei Tekin findet man aber eine Erklärung dazu. In frühen Zeiten hätten die Ringkämpfer einen Gürtel getragen (wie beispielsweise bei Homer, Ilias XXIII, 710 erwähnt:
http://www.digbib.org/Homer_8JHvChr/De_ ... o,-206,820), erst später kam völlige Nacktheit in Mode. Die Ringer haben damals dann versucht, den Gegner am Gürtel zu packen und auszuhebeln. Wenn man ein wenig sucht, dann sieht man auf gut erhaltenen Exemplaren diese Gürtel auch noch:
https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b85145209 ,
https://ikmk.smb.museum/object?id=18287136
https://www.acsearch.info/search.html?id=8978838 ,
https://www.acsearch.info/search.html?id=12857739
Ich hab' jetzt nicht nachgeforscht, ob die auf dieser Münzserie dargestellten Griffe heute beim Ringen immer noch verwendet werden, aber vielleicht weiß da ja jemand noch etwas dazu.
Meine billigste Münze war dieses Jahr die wohl früheste Prägung aus dem Tempelstaat von Olba.
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Av: Thron des Zeus Olbios in Dreiviertelansicht nach rechts, EP
Rv: geflügeltes Blitzbündel, Z (oder IN?)
AE, 22 mm, 9,62 g, ca. 20 v. Chr. - ca. 20 n. Chr., Referenzen sind BMC S. 119, 1; RPC I, 3723; SNG France 839; SNG Cop Supp 590-91;
Die Erhaltung ist zwar nicht die allerbeste, aber man kann alles was drauf sein sollte, auch erkennen (na ja, wenn die Beleuchtung stimmt und man genau hinschaut

). Für einen Zuschlagspreis von 2 € hab' ich die einfach genommen, da ich mal mehr über Olba erfahren wollte

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Olba und seine Umgebung wurde lange von der Priesterdynastie der Teukriden beherrscht, die ihre Abstammung auf Teukros zurückführten, den mythischen ersten König von Troja. Dieser Gründungsmythos entstand aber wohl erst in hellenistischer Zeit, als es für Gemeinwesen politisch und wirtschaftlich nutzbringend war, sich durch eine griechische Abstammung zu profilieren. Bedeutend war Olba durch das etwa fünf Kilometer westlich gelegene Heiligtum des Zeus Olbios, das die Basis dieser Priesterherrschaft bildete.
Es scheint, dass Seleukos I Nikator die Teukriden als lokale Dynasten anerkannt und ihre Herrschaft damit gefestigt hat. Am Ende des Seleukidenreichs destabilisierte sich die Lage in Kilikien jedoch, genaue Informationen über Olba in dieser Zeit besitzt man aber nicht.
Zu Beginn des ersten Jahrhunderts n. Chr. begann Ajax, Sohn des Teukros als letzter Dynast von Olba Münzen zu prägen, seine, und damit die Herrschaft der Teukriden insgesamt, endete zu einem nicht genau bekannten Zeitpunkt nach dem Jahr 17 n. Chr., danach wurde Olba von römischen Klientelkönigen beherrscht. Unter Vespanian wurde Olba dann in die Provinz Cilicia eingegliedert. In römischer Zeit hat sich dann das Zeusheiligtum zu einer eigenständigen Stadt namens Diokaisereia entwickelt und Olba an Bedeutung überflügelt.
Siehe dazu beispielsweise Kai Trampedach, "Tempel und Großmacht: Olba in hellenistischer Zeit", in E. Jean, A. M. Dinçol und S. Durugönül (Hrsg.), "La Cilicie: Espaces et Pouvoirs Locaux (2e millénaire av. J.-C. - 4e siècle ap. J.-C.)", Paris 2001, S. 269-288:
https://www.persee.fr/doc/anatv_1013-95 ... t_13_1_991
und Ulrich Gotter, "Tempel und Grossmacht : Olbal Diokaisareia und das Imperium Romanum", im selben Buch S. 289-326:
https://www.persee.fr/doc/anatv_1013-95 ... t_13_1_992
Die Datierung des autonomen Münztyps hier (es gibt noch einen zweiten mit dem Zeusthron auf dem Avers und einem stehenden Hermes auf dem Revers) ist nach wie vor nicht geklärt, siehe dazu auch im Artikel von Gotter die Fußnote 37 auf Seite 295, wo mehrere Möglichkeiten aufgezeigt werden. Ein Faktor bei dieser Unsicherheit ist auch, dass die Bedeutung des EP und IN (oder eben Z) nach wie vor nicht geklärt werden kann.
Es ist nämlich nicht klar, wie der Revers auszurichten ist, ob also das Blitzbündel senkrecht steht oder waagerecht liegt. Je nach Orientierung kann man nämlich die zwei Zeichen auf dem Revers als ein Zahlzeichen Z mit darüber liegendem Querstrich interpretieren (um anzuzeigen, dass es sich um ein Zahlzeichen handelt), oder als IN (oder gar NI).
Hilfe hatte ich mir jetzt von einem Artikel von François de Callataÿ und Dominique Gérin erwartet, "Faut-il faire tomber les foudres ?", in H. Nilsson (Hrsg.), "Florilegium Numismaticum - Studia in honorem U. Westermark edita", Stockholm 1992, S. 103-109:
https://www.academia.edu/355053/Faut_il ... es_foudres_
Darin geht es um die allgemeinere Frage, ob die auf hellenistischen Münzen als einziges Motiv dargestellten Blitzbündel horizontal oder vertikal zu sehen sind. Dazu wurde bei solchen Münzen untersucht, ob denn Münzen mit anderen Motiven aus derselben Münzstätte und etwa derselben Zeit eine konstante Stempelstellung aufweisen (die dann meist bei 12 oder 6 Uhr liegt). Wenn dies der Fall ist, dann könne man auch davon ausgehen, dass die Blitzbündelmünzen mit derselben Stempelstellung produziert wurden und so entscheiden, wie die Orientierung des Blitzbündels gemeint war.
Bei der Münze hier aus Olba hat das leider nicht wirklich geholfen, da andere Typen nicht mit konstanter Stempelstellung produziert wurden

. Den Ansatz an sich halte ich aber schon für ziemlich pfiffig

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Die
vielleicht spannendste Münze war für mich in diesem Jahr diese hier aus Hephaistia auf der Insel Lemnos vor Thrakien.
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Av: jugendlicher männlicher Kopf mit Diadem nach rechts
Rv: Tellerfackel mit Bändern am Griff zwischen zwei Dioskurenkappen mit Stern, Η - Φ
AE, 16 mm, 5,09 g, ca. 280 - 167 v. Chr., Referenzen sind Mionnet I-2, S. 431, 3; BMC S. 213, 8; SNG Cop 979
Angeboten wurde sie als "Asia Minor. Uncertain mint circa 300 BC", ich hatte zunächst keine Ahnung, was ich mir da an Land gezogen hatte, aber das macht das Sammlerleben ja interessant

. Erst nach einiger Herumsucherei fand ich heraus, dass diese Münze aus Hephaistia stammt, einer Stadt, von der ich zuvor noch nie gehört hatte.
Benannt ist die Stadt nach Hephaistos. Als ihn Zeus aus dem Olymp geworfen hat, ist ersterer angeblich auf oder bei Lemnos gelandet (Homer, Ilias 1.593) und hat dort seine Schmiede eröffnet. In der Gegend von Hephaistia wurde auch die berühmte Erde von Lemnos abgebaut, die gegen Schlangenbisse und für die Wundheilung gut gewesen sein soll (
https://de.wikipedia.org/wiki/Bolus_armenicus).
Lemnos wurde im sechsten Jahrhundert kurzzeitig von den Persern besetzt und kam ab etwa 500 v. Chr. unter Athener Kontrolle. Bis auf einige Unterbrechungen (s.u.) dauerte diese Kontrolle bis 146 v. Chr., als Griechenland insgesamt eine römische Provinz wurde. Die interenen Strukturen der Poleis auf Lemnos waren daher eine fast exakte Kopie derjenigen von Athen.
Philipp II von Makedonien plünderte die Insel 354-352 v. Chr., 294 v. Chr. besetzte Demetrios I Poliorketes Lemnos und annektierte es. Den Feldzug des Demetrios in Kleinasien im Jahr 287 v. Chr. nutzte Lysimachos, um Lemnos zu erobern, das er bis zu seinem Tod in der Schlacht von Kurupedion 281 v. Chr. hält. Die Insel kam dann unter die Kontrolle des Seleukos I Nikator, spätestens 167/166 v. Chr. wurde Lemnos wieder an Athen übergeben (Polybios 30.20). Die Münzprägung der Stadt begann in der ersten Hälfte des vierten Jahrhunderts v. Chr.
Die Münzprägung von Hephaistia wird beschrieben in Leonidas Souchleris, "Numismatic testimonies for the city of Hephaistia, Lemnos. New coin finds from the theatre excavations", Obolos 9, Athen 2010 (auf Griechisch), auch die Geschichte der Stadt wird dort angerissen:
https://www.academia.edu/43035413/Numis ... xcavations
Den Münztyp hier datiert Souchleris mit "281-258/256 v. Chr." (Nummer 7 in der Tabelle auf Seite 61).
Interessant ist nun, dass der Kopf auf dem Avers als der eines der ersten seleukidischen Herrscher von Seleukos I bis Antiochos III interpretiert wird. Die Seleukiden seien als Befreier von der Tyrannei des Lysimachos gesehen worden, in Hephaistia wurden beispielsweise Reste eines den Seleukiden gewidmeten Altars gefunden.
Die Identifikation mit einem der Seleukidenkönige erscheint plausibel, da auf vielen Exemplaren dieses Münztyps eindeutig ein Diadem zu erkennen ist (und kein Lorbeerkranz, wie ihn Apollon tragen würde). Wer nun diese Interpretation zuerst ins Spiel gebracht hat, hab' ich nicht herausgefunden, sie findet sich beispielsweise schon in SNG Cop 979.
Interessant ist auch, dass man auf der Fackel häufig ein Gebilde wie eine Art Gitterkasten sieht, das wohl eine Art Brenner oder Brennstoffhalter darstellt, die Geräte hatten da wohl schon einen gewissen technischen Reifegrad

:
https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b103107672 ,
https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b103107655
Gruß
Altamura