Antike Münzen in der ehem. DDR

Alles was so unter den Römern geprägt wurde.

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alexander20
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Antike Münzen in der ehem. DDR

Beitrag von alexander20 » Do 08.12.11 17:05

Sehr geehrte Sammlerkollegen/Innen,

ich weiß natürlich, dass das folgende Thema nur mittelbar hierher gehört. Aber vielleicht gestattet Ihr dennoch meine Fragen.

Seit einiger Zeit beschäftigt mich ein Thema und Fragen, zu denen mir vielleicht ältere Sammlerkollegen aus den neuen Bundesländern etwas sagen können. Ich meine auch, dass das in einigen Threads schon zum Teil angesprochen wurde.
Es geht darum wie kam ein Sammler antiker Münzen in der ehem. DDR an neue Stücke für seine Sammlung? Gab es einen Markt dafür in der ehem. DDR? Gab es Münzbörsen, Sammlertreffen u.ä.?

Eure Erfahrungen würden mich sehr interessieren, andere Sammler vielleicht auch.


Alexander20

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ischbierra
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Re: Antike Münzen in der ehem. DDR

Beitrag von ischbierra » Do 08.12.11 19:14

Hallo alexander20,
damals habe ich noch nicht gesammelt, aber ich weiß, manchmal verloren sich ein paar schäbige Römerlein in ein Antiquitätengeschäft. Außerdem gab es Auktionen, zB Berliner Münzauktion oder Dresdner Münzauktion. Ich habe noch einen alten Berliner Katalog vom Nov.1989 (66.Auktion). Da sind die Antiken alle in sehr mäßiger Erhaltung und für DDR-Verhältnisse sehr teuer, zB ein Sesterrz des Antoninus Pius, Pieta in fs-s ausgelobt für 150 DDR-Mark. Literaturzitate fehlen übrigens in diesem Auktionskatalog durchweg.
Gruß ischbierra

DerTommi
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Re: Antike Münzen in der ehem. DDR

Beitrag von DerTommi » Do 08.12.11 19:20

Hallo Alexander,
dazu kann ich evt. wenigstens ein klein wenig beitragen. Ich habe als in der DDR heranwachsender Jugendlicher schonmal das Thema Münzen / Banknoten sammeln als mein Hobby bezeichnet, Briefmarken waren (denke ich) noch ein wenig populärer.
Dann ist das Thema mal eingeschlafen für viele Jahre, bevor mich dann ein alter Römer wieder "wachgeküßt" hatte... :mrgreen:

Mein Thema damals waren natürgemäß Münzen der DDR, eben wegen der Verfügbarkeit. Genauso Münzen des Deutschen Reiches ab 1871 bis 1945 (ja, auch die Nazizeit) waren recht gut verfügbar, nicht zuletzt dank noch lebender Großeltern. Ich weiß auch von vielen, wo die Sammlungen bis zum 30jährigen Krieg zurück reichten, aber das waren schon Exoten. (Sind wir hier auch Exoten für die Freunde der Euromünzen?)

Das Sammlerleben war wie vieles in der DDR natürlich auch gut organisiert. Es gab Vereine, wo sich Gleichgesinnte trafen, es gab auch Tauschbörsen, genauso wie einen (natürlich staatlich kontrollierten) Handel. Ich kann mich da in meiner Geburtsstadt an einen Laden erinnern, den man getrost als "Fachgeschäft für Sammler aller Art" bezeichnen konnte, der (soweit eben verfügbar) alles an Zubehör, Briefmarken, Münzen anbot, was man sich so denken konnte. Mit heutigen Verhältnissen wohl nicht vergleichbar, klar.

Von organisiertem oder sehr aktiven Sammeln antiker Münzen weiß ich allerdings nichts, da können sicher andere Kollegen mehr berichten. Ich würde auch vermuten, daß man hier sehr schnell Hehlerei vermutet hätte und entsprechend unterbunden hätte. Bodenfunde von Römern z. B. kann man ja im ehemaligen DDR Gebiet nahezu ausschliessen.

Danke, daß Du das Thema angestoßen hast, hab mich schon lange nicht mehr an diese Zeit zurück erinnert...

PS: Falls jemand ein paar 10 oder 20 DDR-Mark Sondermünzen brauchen kann... Na Ihr wißt schon :!: :mrgreen: :drinking:

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drakenumi1
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Re: Antike Münzen in der ehem. DDR

Beitrag von drakenumi1 » Do 08.12.11 21:56

Der Handel bzw. Tausch antiker Münzen war innerhalb der DDR keinesfalls verboten oder behindert, sieht man bei Letzterem mal von dem aboluten und akuten Mangel an Münzen ab. Wie oben schon angedeutet, beschränkten sich solche Geschäfte allerdings auf Münzen, wie sie in Sammlungen aus der Vorkriegszeit in Sammlerhand gebunden waren. Ein lebhafterer Handel hätte eines Austauschs von Münzen mit dem Ausland oder der BRD bedurft, der so nicht existierte.

Dazu 2 Betrachtungen:
1). Private Einfuhr aus dem Ausland: war staatlicherseits verboten, weil Kunstgegenstände, und außerdem wohl zwangsweise mit Devisenvergehen verbunden (bei der Bezahlung nämlich). Solche auf dem Postwege oder bei Personenreisen aufgefundenen Münzen wurden rigoros beschlagnahmt und es drohten Strafen.
Ergo gab es keinerlei offizielle Speisung des DDR-internen Bedarfs, denn auch offizielle Wege einer Beschaffung aus dem Ausland gab es keine.

2). Private Ausfuhr von Münzen (u.a. Edelmetalle und Antike) war verboten und unter strenge Strafe gestellt, wurde jadoch trotzdem wegen der von DDR-Sammlern erhofften Devisenerlöse unter Inkaufnahme möglicher Schwierigkeiten praktiziert. Auf diese Weise wanderten wohl große Anteile guter Sammlungen von Ost nach West und der verbleibende Bestand in der DDR worde in 45 Jahren immer geringer. Wer seine Münzen verkaufen wollte, suchte Wege Richtung Westen damit und bot sie nicht in Sammlerzirkeln (gegen Ostmark) an, wie einleuchten wird. Nichtsdestoweniger gab es Händler in der DDR, die gerne Antike kauften.
In diesem Zusammenhang ist es interessant, daß für den Staat DDR diese Ausfuhrverbote keine Gültigkeit hatten, sondern durch eine Geheimabteilung "Kommerzielle Koordinierung" - KoKo - im Außenhandelsministerium zielgerichtet zur Beschaffung von Devisen für den fast bankrotten Staat DDR umgangen wurden. Schlüsselperson in diesem umfangreichen System als Devisenbeschaffer war der heute mittlerweise legendäre Alexander Schalck Golodkowski, dem soviel wie alle Handelsverbindungen mit dem Westen unterstanden. Pauschal gesprochen: Alles, was sich Richtung Westen zu Devisen machen ließ, wurde durch ihn aufgekauft, egal, ob von Einzelpersonen oder irgendwie organisierten Stellen, wobei mir nicht bekannt ist, in welchem Maße Betrügerein großen Stils hier Anteile hatten. Ich selbst habe einst einen großelterlichen alten Stilschrank an seine Leute verkauft. Antiquitätenhändler (und natürlich auch Münzhändler) hatten zwangsweise die Verpflichtung, ihre Aufkäufe dieser KoKo anzubieten und bei eingeschätzter Verkaufsfähigkeit auf den Westmärkten nur ihnen zu verkaufen. Zu solchen Waren gehörten selbsredend auch Artikel des Kunstmarkts aus Beschlagnahmen von Verurteilten u.ä.
Nebenbei: Der zwischen Honnecker und J. Strauss einst ausgehandelte Milliardenkredit für die DDR ist ebenfalls ein Werk des Schalk Golodkowski. Dieser Mann hat in der Zeit seines Wirkens (zuletzt war er auch Mitglied des Politbüros der DDR) für sie insges. 27 Mrd. DM ! eingetrieben, und ein minimaler Anteil davon dürfte auch den damit "offiziell" von staatlicher Seite, jedoch geheim, Richtung Westen verkauften (und antiken) Münzen zuzurechnen sein.
A.Sch.Gol. hat sein Wissen um die jahrzehntelange Praktik, wie sie von bundesdeutscher Seite ja auch gelitten bzw. unterstützt wurde, nie umfangreich nach der Wende preisgegeben. Seine einstige Äußerung: wenn er das täte, würde Europa ins Zittern kommen, spricht für sich, mag man sie ernst nehmen, oder nicht.
Heute lebt er wohl noch als Bezieher einer geringen Rente am Tegernsee (?), wenn er nicht gestorben ist.

Verzeiht mir diese Abschweifung, aber mir schien es bezügl. der Anfrage von Alexander doch interessant, die Gründe für diesen Mangel an Antiken und dem praktisch nicht vorhandenen Handel damit in der DDR begreiflich zu machen.

Grüße von

drake
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Re: Antike Münzen in der ehem. DDR

Beitrag von Priscus » Do 08.12.11 22:08

hallo drake,

sehr schöne ausführung!!! der name von dem "laden" war übrigens " Antikhandel Prina GmbH". :evil: :evil:
die haben alles zu geld gemacht was irgend möglich war und selbst in dem laden wurde noch gegen devisen betrogen!!

eine schei... zeit!!! für sammler historischer dinge! hoffen wir das kommt nicht wieder!

ciao priscus

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Re: Antike Münzen in der ehem. DDR

Beitrag von drakenumi1 » Do 08.12.11 23:15

Danke, priscus.

Zweierlei sollte ich noch anmerken:

1). Als einstiger Bürger dieses Staates DDR erfüllt es mich mit großer Bitterkeit, zu wissen, wie dieses große deutsche Territorium systematisch seiner überwiegend privaten Kunstschätze entreichert wurde, wenn auch vielfach trotz geahnter oder gewußter Fakten, zu welchem Zweck dieser große Ausverkauf erfolgte, nämlich um einen Staatsbankrott so lange, wie möglich herauszuzögern.

2).Da waren nicht nur diese "Läden", wie der in Pirna, von denen eine große Anzahl über das ganze Land verstreut existierten, sondern es gab auch noch ein streng zu beachtendes Vorkaufsrecht für die KoKo, denen alle - ich sag mal "wertvollen" Dinge - von allen privaten Händlern von Kunst aller Art zuerst zum Aufkauf anzubieten waren. So kam dieses bemerkenswert ärmliche Bild zustande, welches mit Kunstprodukten aus alter bis neuer Zeit handelnde Geschäfte in der DDR boten. Es blieben letztlich nur Artikel der 3. Wahl für die einheimische Bevölkerung übrig. Auch Bücherfreunde wissen davon ein Lied zu singen .....

drake
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Re: Antike Münzen in der ehem. DDR

Beitrag von tilos » Fr 09.12.11 00:59

Wir hatten ja vor ein paar Tagen fast das gleiche Thema schon mal im Alexandria-Thread, hier mal gleich der link dorthin:

http://www.numismatikforum.de/viewtopic ... start=1380#

Drake hat das i.Ü. auch sehr gut umrissen. Natürlich müsste man Bände über die Kunst-, Antiquitäten- und Sammlerscene(n) in der DDR schreiben um alle Facetten zu erfassen.

Ein paar kleine Ergänzungen nur:

- In den 1980er Jahren kamen größere Mengen antiker Münzen aus Bulgarien (ich habe einen der "Importeure" mal kennengelernt, er hatte Verwandschaft in Bulgarien) und reicherten den ansonsten sehr mageren Markt ein wenig an -i.Ü. noch ohne Fälschungen.

- Unter das Devisengesetz der DDR fielen ja u.a. auch Edelmetalle, auf diese hatte der Staat sich somit ein gesetzliches Vorkaufsrecht geschaffen. Man war also verpflichtet, seine Edelmetalle den Staat zum Kauf anzubieten. Für ein Kilo Feingold gab es zu meiner Zeit z.B. 200.000 DDR-Mark! Das bildete somit den Schwarzmarktkurs der Ost- zur Westmark ab und bestimmte letztlich auch die Antiquitätenpreise in der DDR.

Gruß
Tilos

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Re: Antike Münzen in der ehem. DDR

Beitrag von Dapsul » Fr 09.12.11 10:02

Meine erste antike Münze, einen schäbigen, aber von mir sehr in Ehren gehaltenen Konstantin, habe ich in den frühen 80er Jahren in einer Münzhandlung in Gotha für 30 Mark gekauft. Meiner Erinnerung nach lagen in den Münzläden nicht sehr selten einige schlechte Spätrömer rum.

Gruß - Frank

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Re: Antike Münzen in der ehem. DDR

Beitrag von drakenumi1 » Fr 09.12.11 11:52

Völlig richtig beobachtet, Frank,

das waren dann solche Münzen, an denen die KoKo wegen zu geringer finanzieller Bedeutug bei einem Verkauf Richtung Westen kein Interesse hatte. Es waren dies stets die Reste von kompletten Sammlungs-Aufkäufen durch die KoKo, diese verblieben im Allgemeinen in der DDR und mußten den Münzhunger der unterversorgten Sammlerschaft zu befriedigen suchen.
Ich selbst habe Ende der 60er Jahre meine aus heutiger Sicht ganz respektable Antikensammlung aufgelöst, weil ein Weiterkommen durch Neuerwerbungen etwas anspruchsvollerer Münzen schlicht unmöglich war. Das war allerdings zu einer Zeit, wo es die KoKo in ihrer höchsten Blüte noch nicht gab. Käufer war ein Händler und Sammler in Dresden auf der Königsbrücker Str., er ließ mich einen Blick in sein Arbeitszimmer werfen und zog beispielhaft ein großes Tablett aus seinem raumhohen (!) Münzschrank, - dicht bestückt mit griech. Tetradrachmen in höchster Erthaltung: Ich war überwältigt und die Winzigkeit meines Angebotes an ihn war mir schlagartig klar (er war sicherlich ein Münzmillionär). Entsprechend winzig war logischerweise auch sein Gebot für meinen "Murks" an mich. Vom Erlös konnte ich mir einen russ. Leica-Nachbau leisten und beide Seiten waren zufrieden

Grüße von

drake
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Re: Antike Münzen in der ehem. DDR

Beitrag von chinamul » Fr 09.12.11 13:19

Als Wessi kann ich die Verbitterung meiner Sammlerfreunde über die Verhältnisse in der verflossenen DDR sehr gut nachempfinden. Meine Frau hatte Verwandte in Ostberlin, und so lernte ich bei gelegentlichen Besuchen dort die Beschränktheit der Lebensumstände aus erster Hand kennen. Ich teile vor allem auch Eure Empörung über das kulturelle "Ausbluten" des Kunst- und Antiquitätenmarktes einschließlich des Münzenhandels.
Vielleicht tröstet Euch dabei aber folgender Gedanke: Der Rollgriff des Staates betraf zum Glück "nur" die beweglichen Kulturgüter, denn nur die ließen sich ja im Westen gegen harte Valuta verscherbeln. Was hingegen weitgehend erhalten blieb, sind wunderschöne, inzwischen liebevoll restaurierte Stadtensembles, die mangels entsprechenden Materials von westlichem Modernisierungswahn verschont blieben und in meinen Augen für die Identifizierung mit der eigenen Kultur viel wichtiger sind als etwa antike Münzen. Die Dresdener Frauenkirche, in der auch mancher Euro aus meiner Schatulle steckt, ist nur eines der besonders spektakulären Beispiele für die identitätsstiftende Wirkung der Wiederherstellung eines berühmten Stadtbildes. Es ist auch ein schönes Symbol für eine große gesamtdeutsche und sogar weltweite Anstrengung zur Bewahrung unseres gemeinsamen Kulturerbes, die durch einige Idealisten wie den Trompeter Ludwig Güttler angeschoben wurde und weitgehend ohne staatliche Zuwendungen durch private Spenden finanziert wurde.
Die vielleicht immer noch vorhandene unterschiedliche Verteilung von Münzen und Kunstgegenständen in Ost und West sollte sich im Verlaufe der vielbeschworenen "Angleichung der Lebensverhältnisse" allmählich auch nivellieren. Das würde ich mir jedenfalls sehr wünschen.

Gruß

chinamul
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Re: Antike Münzen in der ehem. DDR

Beitrag von alexander20 » Fr 09.12.11 20:14

Sehr geehrte Sammlerkollegen/Innen,

vielen Dank für Eure Beiträge. Ich habe sehr viel Neues erfahren. Ich habe habe große Hochachtung vor den Sammlern antiker Münzen in der ehemligen DDR, die ihrem Hoby -trotz widriger Umstände- nachgegangen bzw. treu geblieben sind. Ansonsten kann ich mich den Ausführungen von chinamul nur anschließen.

Ich wünsche ein schönes Wochenende.


alexander20

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Chandragupta
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Re: Antike Münzen in der ehem. DDR

Beitrag von Chandragupta » Sa 10.12.11 11:07

Hallo in die Runde,

zu diesem Thema habe ich vor Zeiten auch schon mal was gesagt - z.B. in diesem Thread:
http://www.numismatikforum.de/viewtopic ... 7&p=186654 (sowie hier und da am Rande ... bin dafür jedoch auch wegen "off topic" von diversen Mods abgemahnt worden, weil "DDR" nix mit "Antike" zu tun hätte... aber: "Tempora mutantur nos et mutamur in illis." ;) ).

Die obigen Aussagen geben diverse Teilaspekte durchaus korrekt wieder; man könnte nur manches noch etwas ausbauen. Außer das mit Schalcks "KoKo": genau so war's nämlich in der Tat! Und es galt im "Staatlichen Kunsthandel der DDR" wirklich immer deren absolutes Vorkaufsrecht, wie von Drakenumi1 völlig korrekt beschrieben. Hier kann man lediglich noch ergänzen, daß es nur EINE Möglichkeit gab, das zu umgehen - und zwar interessanterweise gerade bei Münzen viel eher als bei sonstigen Antiquitäten: nämlich, daß man darauf bestand, sie auf einer Auktion einzuliefern, statt sie in den Direktankauf zu geben. Dann mußte sich der "staatliche Aufkäufer" mit in den Auktionssaal setzen und mitbieten (das war gewöhnlich ein Herr Dr. M.: eines der in der seriösen Sammlerschaft der DDR meistgehaßten Subjekte...). So kamen dann einige der "faszinierenden" Preise auf Auktionen zustande, wie jene 1200,- Mark für einen simplen Antoninian des Aurelian & Vaballathus aus Antiochia in fss/ss (der blieb dann allerdings auch in der DDR... ;) ), oder jener nicht mal soooooo toll erhaltene Doppelsesterz des Traianus Decius, der dann nach einer wüsten Bieterschlacht für ca. 11.000,- M (<----- etwa ein Jahresgehalt eines Akademikers!!) doch an die KoKo ging - noch ganz kurz vor Ende der DDR übrigens.

Ja, das Hauptkennzeichen des Münz"marktes" in der weiland DäDäRä war - wie dort fast überall :( - die "Verwaltung einer Mangelwirtschaft". Das hatte aber aus heutiger Sicht auch einige interessante Vorteile. So war nämlich der Markt vom Materialbestand her wirklich (wie oben schon korrekt angedeutet) mehr oder weniger auf den Vorkriegsstand "eingefroren" (das WENIGE, was speziell aus Ungarn und Bulgarien "einsickerte", konnte man de facto vernachlässigen). Folge: Gallisches Reich war sehr viel häufiger als heute in guter Erhaltung zu finden (vor allem auch Bronzen - meine diversen Sesterzen und Doppelsesterzen des Postumus habe ich alle in den Endsiebzigern für max. 150,- Ostmark gekauft; dito einen heute extrem gesuchten Billon"denar" des Postumus, von dem wir heute wissen, daß das ein Abschlag eines Aureusstempels ist). Das galt u.a. auch für die heute so extrem gesuchten "Twelve Caesars". Zum Vergleich: Auf derselben Auktion, wo der o.g. AE-Antoninian von Aurelian & Vaballathus für 1200,- M versteigert wurde, lief ein Porträtdenar(!) von Caesar (in der "üblichen" Erhaltung fss ... aber an sich ein durchaus dekoratives Stück ... heute locker um 1000,- € wert!) für unter 1000,- M.... :!:

Im übrigen war in der DDR bei den Römerfreunden sehr das "Köpfesammeln" beliebt. Sondernominale waren dann billig, wenn der Kaiser als solcher als "gewöhnlich" galt (siehe den eben erwähnten Aureus-Abschlag in Billon des Postumus; oder z.B. Dupondien(!) der Soldatenkaiser waren kaum viel teurer als üblichste Antoniniane desselben Herrschers). Auch historisch interessante Reversdarstellungen wurden kaum genügend preislich gewürdigt, solange sie von einem ansonsten "gewöhnlichen" Kaiser waren. Dafür erzielten aber eben damals kaum zu findende Herrscher Spitzenpreise, z.B. Florian - von Macrianus und Quietus mal ganz zu schweigen!! Die Funde aus Syrien in den 60er Jahren kamen eben nie in der DDR an. Ich erinnere mich in dem Zusammenhang noch des "heiligen Schauers", den ich empfand, als ich Mitte der 80er Jahre bei einem Privatsammler mal einen Quietus-Antoninian "live" in den Händen hielt, erstmals in meinem Leben und nach schon ca. 10 Jahren eigener, intensivster(!) Sammlertätigkeit. Das Ding war nach heutigen Maßstäben kaum noch sammelwürdig (stark korrodiert und dann noch die übliche flaue Prägung), aber war damals eben der Gipfelpunkt numismatischer Raritäten. Wow! Daß ich sowas überhaupt mal selber anfassen durfte, war ein Erlebnis der Spitzenklasse, das sich mir unauslöschlich in die Erinnerung eingeprägt hat...!! :D Dasselbe galt auch für antike Goldmünzen aller Art, selbst häufigste Byzantiner waren absolut was Besonderes.

Oben im Thread wurde schon die Frage der Fachliteratur angesprochen. Auch das war so ein eigenes Thema: Es gab zwar in den großen Bibliotheken an Unis einen Teil(!) der aktuellen westlichen Publikationen, aber oft nicht per Fernleihe. Vor allem gab's keine auf die Bedürfnisse der Sammler zugeschnittenen Kataloge. Genauer: Die waren sogar explizit verboten, sofern sie westliche Markt-Preise enthielten. Um z.B. an den "Kankelfitz" ranzukommen, brauchte man in der Deutschen Bücherei in Leipzig einen "Giftschein" (also eine offizielle Bestätigung, daß man das zu wissenschaftlichen Forschungszwecken benötigt) - dann dufte man das in einem "Sonderlesesaal" zwar einsehen, aber nicht kopieren und auch nichtmal allzu ausführlich handschriftlich exzerpieren ... alle persönlichen Aufzeichungen wurden am Ausgang von so einer Stasi-Schnepfe genauestens kontrolliert. Entwürdigend zu Potenz! :evil: (Ausnahme war hier allein der Cohen mit seinen "historischen" Preisen - aber den gab's in Bibliotheken eh kaum...)

Weil wir gerade bei dem Thema sind: "Wie kam man zu so einem Permit für den 'Giftschrank' in Bibliotheken?" Das ist jetzt etwas, wo es in der DDR vielleicht besser war als heute: Das organisierte Sammlerwesen war stärker ausgeprägt und die Sammler sahen sich letztlich mehr als eine verschworene Gemeinschaft denn als Konkurrenten. (So sprach "man" sich vor Auktionen gewöhnlich ab, wer wie weit gegen Dr.M von der KoKo mitbietet: "Vereint gegen den gemeinsamen Feind!" :mrgreen: )

Und woher kannte "man" als Spezialsammler sich?! Da gab es vor allem eine Gruppe, die in der hypertrophiert-gestelzten Bürokratensprache a la DDR offiziell so hieß:
"Kulturbund der Deutschen Demokratischen Republik
Zentraler Fachausschuß Numismatik
Zentraler Arbeitskreis Antike Münzen
"
Diese Leute trafen sich mehrmals jährlich an verschiedenen Orten in der DDR (wegen der zentralen Lage besonders oft in Ostberlin; aber eben auch mal in Potsdam, Dresden, Leipzig, Gotha, Görlitz, Magdeburg, Erfurt, ...). Gehalten wurden dort sehr informative Laienvorträge von Mitgliedern für Mitglieder zur antiken Numismatik; und natürlich wurde dort immer heftigst(!) dem Münzentausch gefrönt. :) Sozusagen das heutige eBay "live" von Mensch zu Mensch...

Ach so, und wenn "man" dort "eingeführt" war, und der Chef einen "Neuen" nach 1...2 Jahren regelmäßiger Teilnahme als am Hobby ernsthaft interessiert eingestuft hatte, galt das oben erwähnte Verbot von westlichen Preiskatalogen "plötzlich" nicht mehr so streng: Da wurde einem dann "verschwörerisch" die aktuellste(!) Ausgabe des Seaby "Roman Coins and Their Values" für 250,- Ostmark zugesteckt. Wie ich heute weiß: zuvor von der Stasi aus "Westpaketen" an "nicht-organisierte" Sammler geklaut... :roll: Manche Menschen waren eben schon damals "gleicher" als andere... Deshalb war der Seaby auch das Zitierwerk für Römersammler in der DDR. In Auktionskatalogen konnte man den aber nun schlecht erwähnen - das erklärt die o.g. Verwunderung bzgl. generell fehlender Literaturzitate in den DDR-Auktionskatalogen.

Ich könnte hier noch viel erzählen ... interessiert aber sicher eh keinen wirklich... :wink:
Numismatische Grüße,

Euer Chandra

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Re: Antike Münzen in der ehem. DDR

Beitrag von chinamul » Sa 10.12.11 11:22

Chandragupta hat geschrieben:Ich könnte hier noch viel erzählen ... interessiert aber sicher eh keinen wirklich...
Ich weiß zwar nicht, wie die anderen Forumsfreunde das sehen, aber mich interessiert das durchaus. Es ist immerhin erlebte Geschichte mit durchaus numismatischem Bezug.

Gruß

chinamul
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Re: Antike Münzen in der ehem. DDR

Beitrag von Peter43 » Sa 10.12.11 11:51

Es ist tatsächlich 'eine Reise in ein fernes Land'!

Mit freundlichem Gruß
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Re: Antike Münzen in der ehem. DDR

Beitrag von justus » Sa 10.12.11 12:25

Chandragupta hat geschrieben:Ich könnte hier noch viel erzählen ... interessiert aber sicher eh keinen wirklich...
Ganz im Gegenteil, Chandra. Irgendwie spannend und abenteuerlich, ja geradezu packend und aufregend ... dieser Blick in eine andere, wenn auch längst vergangene Zeit !

Gruß Jürgen
mit freundlichem Gruß

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